Einmal ging Rabbi Jakov ben Katz zum örtlichen Jahrmarkt. Plötzlich heftete sich ein Gemeindemitglied an ihn und - als ob die bloße Anwesenheit des Rebben ihn dazu veranlasste - lag der Chassid
dem Rebben die ganze Zeit mit irgendwelchen Rechtfertigungen seines Tuns in den Ohren: Fehlverhalten um Fehlverhalten bog er zurecht. Rabbi Jakov hörte sich alles geduldig beim Vorbeischreiten an
den Marktbuden und -ständen an.
An einem Stand machte er plötzlich halt, während der Chassid weiter auf ihn einredete: Ein Korbmacher bot seine Erzeugnisse feil und man konnte auch gleich seine Arbeitsweise bestaunen -
Weidentrieb um Weidentrieb bog er geschickt zurecht und flocht Windung um Windung einen Korb fertig.
Ein Lächeln huschte dem Rebben über die Lippen. Er wandte sich dem Chassiden zu und unterbrach seinen Redefluss: "Ehrlichkeit, ja Ehrlichkeit mit sich selbst ist ein hohes Gut auf dem Gottesweg.
Eigene Unzulänglichkeiten und Schwächen zurechzubiegen ist ein schlechtes geistiges Handwerk!"
Dann führte er vergnügt aus: "Nur bei einer Sache ist das Zurechtbiegen erlaubt - beim Korbflechten. Dieser hier versteht sein Handwerk!"
Der Schargoroder suchte einen Wäschekorb für seine Frau Perle aus, bezahlte den Korbmacher und ging in der Meinung, dass er ihm passende Münzen gegeben hatte, weiter.
Dieser aber lief dem Rebben hinterher und drückte ihm ein paar doch zu viel bezahlte Groschen in die Hand.
Da rief Rabbi Jakov dem immer noch stutzig dastehenden Chassiden zu: "Und er ist noch ehrlich dazu!"
(Ruth Finder)
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Linda (Samstag, 23 November 2024)
Wir alle machen sicherlich nicht alles richtig mit Blick auf unsere spirituelle Entwicklung. Aber es ist bestimmt auch nicht alles falsch. Vielleicht sollten wir unseren Blick auf das Gute lenken, das, was wir schon hinbekommen. Darüber spüren wir dann Zufriedenheit. Dadurch wird es uns leichter fallen, auch die Dinge anzugehen, die wir nicht so gut hinbekommen, wissen wir ja, wie gut es sich anfühlt, das Richtige zu tun.
Manchmal freuen wir uns, zu bemerken, dass wir alle diese Baustellen haben. Besser ist es jedoch, sich darüber zu freuen, wenn jemand von uns etwas zum Guten verändert hat und Zufriedenheit empfindet. Letztlich ist jede Veränderung des Einzelnen zum Guten für uns alle gut!
Ich bin vielleicht etwas abgewichen von deiner sehr schönen Geschichte, RuFi, aber das ging mir nach dem Lesen durch den Kopf.
Diana (Sonntag, 24 November 2024 11:07)
Danke, Linda für Deinen Kommentar. Und natürlich RuFi, für eine neue lehrreiche Geschichte für uns. Es ist gut, wenn jemand seine Erkenntnisse in solch wunderbare Geschichten verpacken kann, und uns dadurch Reflexion und Entwicklung ermöglicht.
Über beides nachdenkend, bin ich auf das erste (Achtsamkeit, sati-sambojjhanga, 6.11.2024) und zweite Erleuchtungsglied (Wahrheitsergründung, dhammavicaya-sambojjhanga, 14. Nov. 2024) der Beiträge zur Buddhistischen Psychologie – 1 + 2 im Blog gekommen. Deswegen schreibe ich sie hier rein.
Folgende Gedanken habe ich aus dem Buch von Chanmyay Myaing Sayadaw: „Bojjhanga - Das Heilmittel, das alle Krankheiten zum Verschwinden bringt“ entnommen. Und dem Text von Fred von Allmen: „Ergründen der Wirklichkeit ‒ Dhamma-Vicaya anwenden“ (auf seiner Homepage kostenlos/ gegen Spende abrufbar). Ich gebe hier einige Punkte mit eigenen Worten und Kommentaren dazu wieder.
Achtsamkeit als erstes Erleuchtungsglied hatten wir schon bearbeitet. Trotzdem ist noch einmal ihre große und umfassende Bedeutung für uns auf dem spirituellen Weg herauszustellen. Ohne rechte Achtsamkeit würden auch die anderen Erleuchtungsglieder nicht zustande kommen. Rechte Achtsamkeit ist wie ein Stein, der in einen See geworfen wird: Er sinkt direkt auf den Grund. Ebenso dringt Achtsamkeit direkt in das Objekt ein, das wir gerade im Fokus haben, fängt an, es tiefer, umfassender zu sehen (starke, durchdringende Achtsamkeit). Anders ist es ohne Achtsamkeit, mit normalem weltlichem, also geringem Bewusstsein: Wir sind dann wie ein Ball, der in einen See geworfen wurde: Er treibt von See und Wind bewegt herum, wird aber nicht auf den Grund sinken. Oder nur, wenn er schon etwas kaputt war und nach sehr langer Zeit vollgesogen mit Wasser „ertrinkt“. Und das könnte man dann als Sinnbild für unheilsames Karma sehen.
Achtsamkeit für uns Weg-Arbeiter bedeutet, dass wir irgendwann einmal dahin kommen, dass nichts mehr unserer Aufmerksamkeit entgeht. Wie ein Reiher im Wasser, der jeden Fisch, der aus dem Wasser springt, fängt. Das ist ein sehr schönes Bild: Ruhig verweilend im Wasser (des Lebens) zu stehen, aufmerksam und einsgerichtet zu sein und jeden Fisch, der vorbeizieht bzw. -springt (Objekte der Achtsamkeit) zu erwischen, d.h. wahrzunehmen. Nichts entgeht unserer Aufmerksamkeit, und so haben wir eine gute Basis für die weitere Entwicklung.
Achtsamkeit hat die Funktion, gegen das Vergessen und die Verwirrung zu wirken. Das ist auch logisch, denn wenn wir achtsam sind, vergessen wir spirituell Wichtiges seltener, praktizieren regelmäßig. Und sind auch nicht so verwirrt, weil wir beobachten, gewahr sind und anfangen, die Natur der Dinge um und in uns zu verstehen.
Achtsamkeit hat die Funktion des Manifestierens von Schutz, wie ein Kindermädchen. Es passt auf, dass den Heranwachsenden nichts passiert, erkennt Gefahren viel früher als das Kind und kann Abhilfe schaffen. Und je besser die Achtsamkeit kultiviert wird, um so früher können wir z.B. erkennen, wenn unheilsame Gefühle aufziehen. So schützt uns Achtsamkeit vor unheilsamen Reaktionen, denn wir reagieren nicht mehr immer nur direkt darauf wie ein dressierter Hund, sondern lernen, dass diese Gefühle einfach auch wieder vergehen, wenn wir nicht reagieren.
Ein schönes Bild für die Achtsamkeit der Weg-Arbeiter ist das eines kleinen Vogels, der seinen Kopf immer in die Richtung dreht, wo Körner zum Picken sind. Wie dieser kleine Vogel richtet sich unser Geist auf die beobachtbaren Phänomene (Körner) aus und ergreift sie mit der Achtsamkeit.
Fortsetzung in #3
Diana (Sonntag, 24 November 2024 11:10)
Fortsetzung von #2
Das zweite Erleuchtungsglied, dhammavicaya-sambojjhanga, kann man als Einsicht, Erkenntnis, Weisheit, Verstehen oder Ergründen der Wirklichkeit verstehen. Achtsamkeit als übergreifendes und überdauerndes Mittel ist enorm wichtig, aber ohne diese Ergründen, Einsicht und Erkenntnis kommen wir nirgends hin.
Dieses Erleuchtungsglied wirkt wie eine Lampe, die man nachts anzündet: So können wir alle Objekte (unser Leben, Gefühle, Gedanken, Taten, etc.) genau erkennen und unterscheiden. Die Lampe enthüllt die Existenz (sehen) und die wahre Natur der Dinge um uns herum (erkennen lernen, bewerten, einschätzen). Wir lernen dadurch besser zu unterscheiden, was heilsam oder unheilsam, konstruktiv oder destruktiv ist. Wir hinterfragen, untersuchen, hören hin, schauen hin etc. Wir WOLLEN wissen und verstehen immer besser, wie die Dinge wirklich sind, wie wir uns verhalten, Wirkungen unseres Verhaltens usw. Wir stellen Fragen und lauschen auf die Resonanz dazu. Es geht, nach Fred von Allmen, um eine „interessierte, innere Haltung“, die wir einnehmen.
Wenn wir dieses Erleuchtungsglied anfangen anzuwenden, hat es die Funktion eines Führers für uns (unverwirrte Klarheit). Ohne Führung ist es sehr schwer, auf einem fremden Gebiet den richtigen Weg zu finden und ans Ziel zu kommen. So führt diese ergründende Einsicht unseren Geist und lenkt ihn, um die Daseinsvorgänge zu verstehen, so wie sie WIRKLCH sind. So wird unsere Verwirrung vermindert und dadurch auch unser unheilsames Karma, das wir in Unkenntnis der Welt und uns selbst ansammeln. D.h. das Ergründen und Erforschen bezieht sich sowohl auf uns, auf die Welt als auch auf die Lehre, den Weg, den wir folgen.
Wichtig ist auch das Ergründen der Absicht hinter unserem Tun oder Lassen. Nach außen kann das alles gut und schön wirken, aber wenn wir wissen wollen, können wir erkennen, dass sich dahinter häufig auch unheilsame Dinge verstecken. Das alles gilt es in jedem kleinen Moment, jeder Situation, auf jedes „Ding“ bezogen anzuwenden. Und hier geht es nicht um Perfektion, sondern um dranbleiben, immer wieder versuchen und angesichts der Überzahl der noch nicht erkennbaren Aspekte und Felder im eigenen Leben gelassen dranzubleiben.