Buddhistische "Psychologie" - 1

Ich wiederhole gerne immer mal wieder buddhistische Basics. Dazu gehören die sieben Erleuchtungsglieder. Zum Einlesen ist die Wikipedia oft sehr gut geeignet. Meiner Ansicht nach auch in diesem Fall:

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Bojjhanga

 

Selbstverständlich kann man zu den einzelnen Punkten mehr ins Detail gehen bzw. eigene Überlegungen anstellen. Die Punkte werden häufig unterschiedlich übersetzt. Punkt 1 heißt aber praktisch überall (außer vielleicht in älteren Texten) "Achtsamkeit". Was lässt sich zur Wiki-Definition hinzufügen?

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Kommentare: 9
  • #1

    R.G. (Donnerstag, 07 November 2024 05:23)

    Ergänzt werden müsste hier, dass Achtsamkeit die Kultivierung einer inneren Haltung, die so weit wie möglich frei ist von Wertung und Beurteilung, beinhaltet. Wir nehmen freundlich und offen das wahr, was uns begegnet und sind aufgeschlossen für das gesamte Spektrum unserer Erfahrungen - seien sie angenehm, neutral oder unangenehm. Wir wollen nichts wegnehmen oder hinzufügen, sondern das, was ist, wach und mit Interesse wahrnehmen. Wir üben uns also darin, alles, was uns begegnet, als Teil unseres Lebens wertzuschätzen.

  • #2

    R.G. (Donnerstag, 07 November 2024 05:55)

    Zu #1
    Ohne Wertung wahrzunehmen, was ist, bedeutet nicht, in eine fatalistische oder rechtfertigende Haltung zu verfallen. Wir müssen nicht mögen, was wir wahrnehmen. Wir müssen nur angemessen damit umgehen. Für mich scheint es eine wesentliche Voraussetzung für die Selbstanalyse und Innenschau zu sein.

  • #3

    Diana (Freitag, 08 November 2024 05:19)

    Danke, Ruth.

    Hier ein Link von Fred von Allmen, zu allen sieben Gliedern des Erwachens einen sehr guten Text mit weiterreichenden Ausführungen verfasst hat.

    https://www.fredvonallmen.ch/dmxDaten/Belehrungen%2C%20Artikel%2C%20Texte/2018%20lektorierte%20Texte/Die%20sieben%20Qualitaeten%20des%20erwachten%20Geistes.%20FERTIG.pdf

  • #4

    C. (Freitag, 08 November 2024 10:58)

    Guter Text. Ich würde das aber schon gerne hier einzeln diskutieren. Die Dinge sind nämlich teilweise recht tricky. RuGa hat zum Beispiel ganz recht, aber sie beschreibt die Kultivierung einer fortgeschritteneren Stufe. Zunächst müssen wir mit unserer Aufmerksamkeit vielleicht erst einmal bemerken, DASS wir die ganze Zeit werten und beurteilen - auch gerade im Moment der Achtsamkeit. Damit beginnt (unter anderem) die Praxis auf der psychonoetischen Ebene.

    Daneben gibt es aber auch noch den grobstofflichen Bereich. Fällt Euch dazu was ein?

  • #5

    R.G. (Samstag, 09 November 2024)

    Achtsamkeit auf der grobstofflichen Ebene bedeutet z.B. die Schärfung der Wahrnehmung für unseren Körper und unsere Körperempfindungen, als auch für seine Bedürfnisse (Ruhe, Bewegung, Ernährung...). Wir müssen lernen, unseren Körper wertzuschätzen und ihm die Fürsorge entgegenzubringen, die er benötigt. Er ist es, der unsere Mission in den TW ermöglicht - unser Gefährt, aber selten unser Gefährte.
    Im Gegensatz zu unseren Gedanken, die sich gern mit Gestern und Morgen beschäftigen, ist unser Körper reine Gegenwart und lässt uns spüren, was jetzt gerade geschieht.
    Viele Übungen stärken diese Körperwahrnehmung: Gehmeditation, die Atembewegungen in der Meditation, Bodyscan, achtsames Essen und Duschen usw.
    Indem wir unsere Körperempfindungen wahrnehmen und erforschen, können wir erfahren, wie sie kommen und gehen und dass sie fließend sind. Sie "verhärten" zu Blockaden, wenn wir sie manipulieren.
    Wir können durch das Erforschen auch feststellen, wie unser Geist auf Körperempfindungen reagiert und wie festgefahren unsere Wertungen sind. Wir können lernen, bewusster zu handeln, statt automatisch zu reagieren.

  • #6

    R.G. (Samstag, 09 November 2024 09:47)

    Ergänzung zu #5
    Und umgekehrt kann uns eine Körperempfindung auch bezüglich unseres inneren Zustandes auf die Sprünge helfen.

  • #7

    Diana (Samstag, 09 November 2024 10:52)

    Hier meine Ideen, die in eine ähnliche Richtung wie bei R.G. gehen :-).

    All unsere leidvollen Erfahrungen kulminieren darin, dass wir ein gewisses Maß an Bewusstheit entwickeln für unsere bisher unbewusste Existenz in der Welt. Dass wir soweit erwachen, dass wir überhaupt anfangen, uns selbst rudimentär wahrzunehmen. Ein gewisses Maß an Wahrnehmungsfähigkeit, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit ist die Voraussetzung, um auf dem spirituellen Weg einzusteigen und voranzukommen. Es ist das grundlegende Mittel, sich und die Welt zu erkennen und größere Bewusstheit zu erlangen. Je mehr Achtsamkeit wir entwickeln, um so besser erkennen wir und können wir wirkliche Entscheidungen treffen. D.h. Achtsamkeit ist Mittel, Weg und Ziel. Gleiches könnte man natürlich auch über andere (göttliche) Qualitäten sagen, wie z.B. Liebe.

    Da wir im Fleische verkörperte Wesen sind, wird uns die Welt vermittelt durch unsere grobstoffliche Hülle, dem materiellen Körper. Dieser bedingt bestimmte Dinge, d.h. auch wenn wir träumend oder denkend uns geistig bewegen können, sind wir in unserem Tun und Sein in dieser Welt an den materiellen Körper und die Materie gebunden. Wir müssen lernen, uns erst einmal heilsam materiell, körperlich auszudrücken. D.h. Befreiungs- oder Verwirklichungsgrad spiegeln sich auch körperlich wider.
    D.h. es gilt zu Anfangszeiten der Kultivierung von Achtsamkeit diese auch auf die körperliche Gebundenheit bzw. Befreiung zu legen, da uns die Welt leiblich vermittelt wird. Und die körperlichen Gegebenheiten, Notwendigkeiten, Wünsche, Aversionen, Möglichkeiten und Einschränkungen erheblichen Einfluss nehmen. Und über das körperliche auch eine bestimmte Bindung an die animalische Ebene besteht. Wir hören, riechen, schmecken, tasten und sehen, und das sind körperlichen Sinne/ Kanäle, wie wir die Welt wahrnehmen und erkennen können. Wir müssen essen und trinken, eine gewisses Maß an Körperpflege und Gesundheitsvorsage betreiben, um am (materiellen) Leben zu bleiben. Wir verbinden uns mit Menschen, auch dass findet mit auf der körperlichen Ebene statt (Beziehungen, Kinder). Einfluss nehmen auch Alter, Beweglichkeit, Größe, Gewicht, körperliche Erkrankungen oder Einschränkungen, ob ich als Mann oder Frau inkarniert bin. Der Körper steht zwischen uns und der Welt, sowohl der materiellen als auch der geistigen Welt. Bei längeren Meditationen ist das deutlich spürbar, wenn z.B. unsere Beine einschlafen, wir Schmerzen spüren oder nur bestimmte Sitzhaltungen möglich sind. Und natürlich hat es einen Grund, warum wir genau diesen Körper mit seinen individuellen Möglichkeiten und Einschränkungen haben, als Ausdruck unserer bisherigen karmischen Entwicklung, da der Körper den materiellen Ausdruck unseres aktuellen So-Seins, unser geeignetstes Vehikel in den Trennungswelten für dieses Leben darstellt. Wir müssen unsere Gefühle, Gedanken, Taten, aber auch unseren Körper meistern.

    Es ist zu Anfang wichtig, überhaupt erst einmal einen bestimmten Grad an Achtsamkeit und Aufmerksamkeit zu lernen, da wir zwischendurch und für längere Phasen immer wieder „einpennen“. Lernen, die Zeiten der Achtsamkeit auszudehnen, die Pausen dazwischen zu verkürzen (Quantität, ausweiten der Wahrnehmung) und gleichzeitig die qualitative Wahrnehmung auszubauen (tiefer, genauer erkennen).
    Die Entwicklung von Achtsamkeit ist komplex, weil die materiellen/ grobstofflichen Gegebenheiten auf die psychonoetischen wirken und umgekehrt, aufgrund der engen Verbindung der Körper untereinander (wahrnehmbar bei der Verbindung/ Zusammenspiel von psychischen, noetischen und Körperelementalen).
    Außerdem passiert parallel einfach sehr viel in unseren Körpern, was wahrnehmbar werden kann (z.B. der Zyklus der Frau, Alterungsprozesse, Verdauungsprozess). Und wir leben dazu in einer Welt, in der wir sehr vielen Reizen und Eindrücken ausgesetzt sind, die auch auf uns wirken, wahrnehmbar werden müssen (z.B. Lärm, Klima, Jahreszeit, berufliche Berufstätigkeit, andere Menschen, Familie).
    D.h. für die Erhöhung der Achtsamkeit bedarf es Auszeiten der Reizreduktion, der Ruhe und des Innehaltens, des Sitzens auf dem Kissen um zu sehen, was da ist (in uns).
    D.h. es geht bei der Achtsamkeit auch um eine Verinnerlichung der Wahrnehmung, was BEI UNS und IN UNS los ist, als Ankerpunkt der Wahrnehmung und Achtsamkeit. Und ein geläufiges und gut geeignetes Mittel ist neben Körpermeditationen (z.B. Bodyscan) der Atem als das vermittelnde Element zwischen innen und außen, Körper und Geist, Ich und DU.

  • #8

    R.G. (Mittwoch, 13 November 2024 07:26)

    Nach einem Gespräch im kleineren Kreis noch eine Ergänzung:
    Achtsamkeit auf der feinstofflichen Ebene bezieht sich nicht nur auf uns selbst, sondern bedeutet auch einen achtsamen Umgang mit Anderen und der Welt, Stichwort "die drei Säulen".
    So wenig Leid wie möglich zu verursachen bedeutet, sich stets zu fragen, was nötig war, damit das Gewünschte (Nahrung, Geld, Fortbewegungsmittel, Ressourcen usw) für uns zur Verfügung stehen kann und welche Auswirkungen das weiter haben wird.

  • #9

    R.G. (Mittwoch, 13 November 2024 07:28)

    Korrektur:
    Es soll natürlich "grobstofflich" heißen und nicht "feinstofflich".
    Blöde Autokorrektur...