Wie man schaut

Einmal unterhielt sich Rabbi Jakov ben Katz von Schargorod mit Rabbi Akiva Stitzel, einem Freund aus seinen Kindheitstagen. Rabbi Akiva stand seiner Gemeinde im benachbarten Kalyniwka vor. Und, obwohl die beiden Rabbis oft unterschiedlicher Ansichten waren, kamen sie immer noch gut miteinander klar.

Irgendwann im Laufe des Gesprächs ließ sich Rabbi Akiva über seine Gemeindemitglieder, aber auch über Gojim, aus.

Er berichtete: "Wenn ich einem von ihnen so gegenüberstehe und ihn über seine Lebensführung, seine Gewohnheiten und seine Innenansichten reden höre, so sehe ich doch wie durch ein Vergrößerungsglas sein Unwissen und seine Verfehlungen - ich schaue mir das mit großem Unbehagen und einiger Abneigung an. Und ich preise inbrünstig unseren Herren, dass er mir vor anderen Leuten dankenswerterweise viele Erkenntnisse gab - und die Tatkraft, diese umzusetzen!"

Rabbi Jakov ben Katz sagte im Gegenzug: "Mein Freund, auch mir entgeht bei den Begegnungen die Unvollkommenheit der Leute nicht. Dabei ist mir aber so, als ob ich in einen Spiegel schaue. Ich schaue, und schaue... Mein verzerrtes Bildnis entdecke ich dort! Und voller Ergebenheit bitte ich dann unseren Herren, dass er mir die Gnade erweist, in mir Unvollkommenem die vorhandenen Erkenntnisse zu vertiefen, manch neue Erkenntnis zu gewinnen und zuletzt, diese schrittweise umzusetzen zu können!"

(Ruth Finder)

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