zum 3.:
Es ist nicht unsere Aufgabe, die Schuld und Schulden unserer Weggefährten und Nächsten aufzudecken. Vielleicht müssen wir manchmal sogar etwas tun, um sie nicht offensichtlich werden zu lassen.
Warum? Wenn wir die Schuld Anderer ins Licht rücken, bringen wir sie damit in eine Zwangslage: Wir zwingen sie (und Andere, die möglicherweise dabei sind), etwas anzusehen, wo der Betreffende es
vielleicht noch nicht erkennen kann oder will. Wir beschämen ihn und treiben ihn in die Enge. Ein Bruder oder Schwester vermag so, durch unser falsches Tun, noch viel weniger recht zu handeln. Wir
dürfen Andere durch unser gelebtes gutes Beispiel unaufdringlich belehren, Vorbild sein. Wenn wir aber anfangen, die Fehler Anderer aufzudecken, zwingen wir sie zum Reagieren und Handeln, wo sie es
vielleicht noch nicht vermögen. Und sie laden so möglicherweise weitere Schuld auf sich aufgrund der von uns erzwungenen Situation. Von unser eigenen Schuld, die wir durch unser unheilsames Tun
aufladen, einmal ganz abgesehen.
Wir werden die ganze Zeit liebevoll und weise geführt, auch dabei, wie und wann wir uns selbst erkennen und entwickeln. Alles kommt zum rechten Augenblick, ohne dass wir es erzwingen oder mit Druck
suchen müssen. Wir kommen nicht schneller voran, wenn wir rennen oder hektisch agieren. Genauso wenig aber, wenn wir nichts tun, sitzen und jammern. Wenn wir Andere bloßstellen, indem wir ihre Fehler
aufdecken, greifen wir in die Geschicktheit der Mittel und Wege Gottes ein. Wir müssen UNS erkennen lernen und UNS entwickeln. Wir sind aber nicht dafür zuständig, Andere in Erkenntnisse zu zwingen.
Es mag vielleicht manchmal schlecht umgesetzte Hilfsbereitschaft für andere sein, aber wir sollten uns hier sehr kritisch hinterfragen, ob sich hinter unserem Tun, unter dem Deckmantel guter
Absichten, nicht doch egoistische und unheilsame Impulse und Gefühle verstecken. Deswegen ist die Maßgabe ja auch INNENschau und SELBST-Analyse, das verweist auf das wahre Arbeitsfeld.
Wie wir mit der Welt umgehen, so geht auch die Welt mit uns um. Ein liebevoller Umgang, egal wie stümperhaft versucht, spiegelt sich immer auch im Umgang mit uns selbst wider. Wir ernten, was wir
säen. Wir werden, was und wie wir tun. Wir wachsen in dem Maße und Grad, wie wir Andere wachsen LASSEN und annehmen: So wie sie eben gerade sind. Wir lassen im Umgang mit Weggefährten die
egoistischen Kontroll- und Behauptungsbemühungen immer mehr hinter uns. Wir arbeiten uns nicht am Anderen ab, sondern arbeiten mit unserer Schuld und Entwicklungsanforderung. Wir machen uns bewusst,
wie wunderbar es ist, Gleichgesinnte und Weg-Arbeiter an der Seite zu haben, den Weg nicht weiter allein gehen zu müssen.
Liebe ist, den Anderen so zu lassen, wie er gerade ist und ihn trotzdem anzunehmen. Das ist auch das, was wir uns von Anderen und der Welt oft so sehnlichst wünschen. Es gilt zu erkennen, dass wir,
absolut betrachtet, die ganze Zeit angenommen und geliebt werden, bedingungslos. Es gilt uns zu entwickeln, um dies für uns spürbar werden zu lassen. Um das zu erreichen, müssen wir Anderen unsere
bedingungslose Annahme und Liebe geben. Diese gelebte Annahme und Liebe hilft dem Anderen, sich auf eine heilsame und produktive Weise seine Schuld einzugestehen und zu bewältigen.
#2
Diana(Freitag, 26 Juli 2024 10:18)
zum 2.:
Belehrung kommt von oben, Entwicklung muss sich von unten nach oben vollziehen. Oben nicht als räumlicher Begriff, sondern bezogen auf höhere, geistigere Ebenen und Wahrheiten. Danach richten wir uns
in unserem Tun und Lassen aus und entwickeln uns, wachsen in die Höhe, aus der Materie heraus.
Etwas zu gewinnen bedeutet auch, etwas durch Arbeit und Bemühungen zu erreichen, erwerben. Das verweist auf das eigene Tun und den Weg. Uns an höheren Wahrheiten, der Lehre, dem Weg etc. auszurichten
und in diese Richtung zu gehen, umzusetzen.
Den Nächsten zu gewinnen bedeutet, umfassende und recht verstandene Nächstenliebe praktizieren zu lernen. Der Grad, wie weit wir die wahre Bedeutung der Nächstenliebe verstehen, zeigt unseren
bisherigen Erkenntnis- und Bewusstseinsstand. Der Grad, wie weit wir Nächstenliebe verwirklichen können, zeigt unseren Entwicklungsstand. Stand natürlich nicht als feststehender Zustand, sondern als
Momentaufnahme.
Nächstenliebe ist ein unendliches Übungsfeld. Es zu betreten und anzunehmen bedeutet lange Zeit, umfassend daran zu versagen – und trotzdem weiterzumachen. Im Zen gibt es den Begriff „shoshaku
jushaku“ (Dōgen Zenji). Das heißt, grob übersetzt, weil es viel mehr enthält als sprachlich transportierbar ist, soviel wie „Fehler auf Fehler machen“, aber als Weg, der zum Erfolg (Befreiung,
Erleuchtung) führt. Gerade im Umgang mit unseren Nächsten erwächst wahre Erkenntnis, Entwicklung und Demut, weil wir erkennen, wie umfangreich und vielfältig die Herausforderungen BEI UNS sind. Der
Andere ist der Spiegel, mit dem wir uns (als Hilfsmittel) erkennen lernen. Dafür müssen wir dankbar sein. Wir arbeiten uns deswegen nicht am Spiegel ab (dem Anderen, so würden wir ihn auf Dauer
zerschlagen und wieder blind sein), sondern mit der Wider-Spiegelung, dem Anteil, der auf uns und unsere Entwicklungs-Bedürftigkeit verweist. Dem Teil, mit wir arbeiten können und MÜSSEN.
Weg-Arbeit ist zwar etwas, was WIR tun müssen, im Zuge der Entwicklung verstehen wir aber immer umfassender die wahre Bedeutung unserer Nächsten. Wie nah die Verbindung zwischen uns allen tatsächlich
ist. Wie viel mehr wir manchmal Anderen verdanken als uns selbst. Dass Nächstenliebe auch bedeutet, dass wir das Trennende zwischen uns erkennen und von unserer Seite aus abzubauen, um etwas Anderes
darauf aufbauen zu können.
#3
Diana(Freitag, 26 Juli 2024 11:35)
Zu #2:
Interessanterweise kam mir beim Meditieren der Gedanke, dass Wider-Spiegelung falsch geschrieben ist. Nachgesehen – nein, ist richtig. Da wurde mir noch einmal deutlich, dass „wider-“ zwei
verschiedene Bedeutungen hat, die auch spirituell interessant sind:
1. "wider-" drückt Reflexion, Rückstrahlung aus im Sinne von ZURÜCK, „wieder kommen“, z.B. in widerhallen, widerklingen.
Das verweist auf die Spiegelungsfunktion unser Mitmenschen. Dass wir uns durch sie, ihr Tun und Lassen erkennen lernen können, da ihr Ausdruck und Reaktion in vielen Teilen Antwort und Reaktion auf
uns sind. Es gilt „einfach nur“ erkennen zu lernen, was zu wem gehört, und an unseren eigenen Anteilen zu arbeiten.
2. "wider-" drückt ein Entgegenwirken aus, z.B. in widerstreben, Widerstand, widerwillig, widerborstig.
Das wäre sozusagen der ungeklärte und unheilsame Weg, mit Wider-Spiegelungen von/ durch Andere umzugehen. Es gilt in der Weg-Arbeit, diese Widerstände, das Be-/ Verharren des Egos zu erkennen,
anzunehmen, aber nicht im Widerwillen (Ego) zu verharren, sondern den rechten Willen zu stärken und zu trainieren. Es verweist auf das Beharrungsvermögen, Standhaftigkeit an der richtigen Stelle, hin
zum Höheren.
#4
C.(Freitag, 26 Juli 2024 19:55)
Daumen hoch!
#5
Diana(Sonntag, 28 Juli 2024 09:35)
zum 4.:
Empfinden bedeutet etwas sinnlich wahrnehmen, fühlen, spüren, erfahren. Empfindlich bedeutet sowohl etwas stark zu spüren, als auch die Fähigkeit, bestimmte Impulse sehr schnell zu spüren, ohne
hinspüren zu müssen. Im spirituellen Kontext geht es darum, die äußeren Sinne, unser bisheriges Spürvermögen als Mittel auf dem Weg und im Dienste der Entwicklung zu nutzen. Und es gilt die
spirituellen Sinne und Wahrnehmungsmöglichkeiten zu schärfen und auszubauen.
Solange wir eine bestimmte Entwicklung noch nicht vollzogen haben, bleibt „Gott fürchten“ eine äußere Angelegenheit. D.h. wir orientieren uns z.B. an Gelöbnissen, spirituellen Regeln und Maßgaben,
weil wir eine gewisse rudimentäre Einsicht und Motivation erreicht haben. Das ist schon einmal eine sehr gute Ausgangslage. Durch die Weg-Arbeit und die wachsende, bewusstere Verbindung mit Gott
verstehen wir diese Hilfestellung und Regeln immer umfangreicher und tiefer, wir spüren ihre Essenz immer mehr IN UNS. Einsicht und Erkennen wachsen so in alle Richtungen und helfen uns bei rechtem
Tun und Lassen. Je weniger unser Ego uns im Weg steht, umso mehr kann Weg-Arbeit dies in uns bewirken. Wir erkennen uns selbst besser, sowohl an unseren heilen als auch unheilsamen Stellen, und wir
verstehen die spirituellen Gesetze direkter. So lernen wir z.B., dass wir nicht vom Karma, sondern durch Karma bestraft werden. Und der Begriff „Strafe“ sich im Zuge unseres Lernens hin zum Verstehen
von Ursache und Wirkung unseres Tun und Lassens entwickelt. Was Leid bringt zu verstehen, zunehmend durch heilsameres Tun zu ersetzen und Unheilsames zu lassen. Je mehr wir so Raum schaffen, umso
mehr können höhere, göttliche Impulse für uns spürbar und wahrnehmbar werden. So kommt es im Zuge der Entwicklung dazu, dass diese Impulse nicht als etwas Äußeres, Fremdes oder Getrenntes erlebt
werden, sondern als etwas Eigenes, Eines EMPFUNDEN werden, die sowohl „Ich“ als auch „Nicht-Ich“ sind. Wir sind dann in Teilen eins mit Gott, sein Klang tönt in uns, sein Takt schlägt in uns, sein
Auge sieht in uns. Möglicherweise zeitlich nur sehr begrenzt und in sehr geringem Umfang, aber es ist und wird in uns immer spürbarer. Und wenn wir weiterarbeiten als Weg-Arbeiter, wird sich dies
quantitativ und qualitativ immer mehr ausdehnen.
Wenn wir „Gott nicht fürchten“ bedeutet es, dass wir an irgendeiner Stelle fehlgeleitet und verblendet (blind) sind, uns das Bewusstsein für unser fehlerhaftes Handeln abhandengekommen ist. "Gott
fürchten" bedeutet, dass wir die Folgen UNSERES Handelns fürchten. Nicht weil Gott uns dafür bestraft, sondern weil unser unheilsames Tun und Lassen leidvolle Auswirkungen hat: Auf uns, unsere
Mitgeschöpfe und die Welt. Und diese werden mit zunehmender Entwicklung immer mehr IN UNS spürbar, qualitativ als auch quantitativ. Wenn wir Gott fürchten, sehen wir als Weg-Arbeiter unseren hohen
Entwicklungsbedarf und sorgen uns, aus diesem Grund Leid zu verursachen. Diese Furcht ist realistisch, berechtigt und hilfreich, soll uns aber in der Entwicklung nicht hemmen. Es ist wichtig, diese
Entwicklungsanforderungen nicht aus den Augen zu verlieren und kontinuierlich an einer Verbesserung zu arbeiten.
Da wir dieses Wissen und die rechte Ausrichtung immer wieder graduell verlieren können, brauchen wir dann unbedingt rechte Orientierung und Ausrichtung. Wir orientieren uns an einer Person, die diese
Qualität lebt und uns durch ihr Vorbild oder Belehrung hilfreich sein kann. Im besten Fall unser Lehrer, sonst natürlich auch Weg-Gefährten, die an dieser Stelle gerade besser unterwegs sind als
wir.
Es geht darum, die egoistische Empfindlichkeit abzulegen und die Sensitivität hin auf das Göttliche zu richten. Spirituell betrachtet steckt im Wort „empfinden“ weniger das Anhaften an Emotionen oder
Gedanken, sich auf dem eigenen Befinden auszuruhen, sondern das fortwährende Suchen und FINDEN (Weg-Arbeit), alles zu tun, um von der Quelle rechten Empfindens und Seins nicht getrennt leben zu
müssen.
#6
R.G.(Sonntag, 28 Juli 2024 12:44)
Zu (4)
Wir können "Gottesfurcht" auch als "Ehrfurcht vor Gott" lesen.
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Diana (Freitag, 26 Juli 2024 09:24)
zum 3.:
Es ist nicht unsere Aufgabe, die Schuld und Schulden unserer Weggefährten und Nächsten aufzudecken. Vielleicht müssen wir manchmal sogar etwas tun, um sie nicht offensichtlich werden zu lassen. Warum? Wenn wir die Schuld Anderer ins Licht rücken, bringen wir sie damit in eine Zwangslage: Wir zwingen sie (und Andere, die möglicherweise dabei sind), etwas anzusehen, wo der Betreffende es vielleicht noch nicht erkennen kann oder will. Wir beschämen ihn und treiben ihn in die Enge. Ein Bruder oder Schwester vermag so, durch unser falsches Tun, noch viel weniger recht zu handeln. Wir dürfen Andere durch unser gelebtes gutes Beispiel unaufdringlich belehren, Vorbild sein. Wenn wir aber anfangen, die Fehler Anderer aufzudecken, zwingen wir sie zum Reagieren und Handeln, wo sie es vielleicht noch nicht vermögen. Und sie laden so möglicherweise weitere Schuld auf sich aufgrund der von uns erzwungenen Situation. Von unser eigenen Schuld, die wir durch unser unheilsames Tun aufladen, einmal ganz abgesehen.
Wir werden die ganze Zeit liebevoll und weise geführt, auch dabei, wie und wann wir uns selbst erkennen und entwickeln. Alles kommt zum rechten Augenblick, ohne dass wir es erzwingen oder mit Druck suchen müssen. Wir kommen nicht schneller voran, wenn wir rennen oder hektisch agieren. Genauso wenig aber, wenn wir nichts tun, sitzen und jammern. Wenn wir Andere bloßstellen, indem wir ihre Fehler aufdecken, greifen wir in die Geschicktheit der Mittel und Wege Gottes ein. Wir müssen UNS erkennen lernen und UNS entwickeln. Wir sind aber nicht dafür zuständig, Andere in Erkenntnisse zu zwingen. Es mag vielleicht manchmal schlecht umgesetzte Hilfsbereitschaft für andere sein, aber wir sollten uns hier sehr kritisch hinterfragen, ob sich hinter unserem Tun, unter dem Deckmantel guter Absichten, nicht doch egoistische und unheilsame Impulse und Gefühle verstecken. Deswegen ist die Maßgabe ja auch INNENschau und SELBST-Analyse, das verweist auf das wahre Arbeitsfeld.
Wie wir mit der Welt umgehen, so geht auch die Welt mit uns um. Ein liebevoller Umgang, egal wie stümperhaft versucht, spiegelt sich immer auch im Umgang mit uns selbst wider. Wir ernten, was wir säen. Wir werden, was und wie wir tun. Wir wachsen in dem Maße und Grad, wie wir Andere wachsen LASSEN und annehmen: So wie sie eben gerade sind. Wir lassen im Umgang mit Weggefährten die egoistischen Kontroll- und Behauptungsbemühungen immer mehr hinter uns. Wir arbeiten uns nicht am Anderen ab, sondern arbeiten mit unserer Schuld und Entwicklungsanforderung. Wir machen uns bewusst, wie wunderbar es ist, Gleichgesinnte und Weg-Arbeiter an der Seite zu haben, den Weg nicht weiter allein gehen zu müssen.
Liebe ist, den Anderen so zu lassen, wie er gerade ist und ihn trotzdem anzunehmen. Das ist auch das, was wir uns von Anderen und der Welt oft so sehnlichst wünschen. Es gilt zu erkennen, dass wir, absolut betrachtet, die ganze Zeit angenommen und geliebt werden, bedingungslos. Es gilt uns zu entwickeln, um dies für uns spürbar werden zu lassen. Um das zu erreichen, müssen wir Anderen unsere bedingungslose Annahme und Liebe geben. Diese gelebte Annahme und Liebe hilft dem Anderen, sich auf eine heilsame und produktive Weise seine Schuld einzugestehen und zu bewältigen.
Diana (Freitag, 26 Juli 2024 10:18)
zum 2.:
Belehrung kommt von oben, Entwicklung muss sich von unten nach oben vollziehen. Oben nicht als räumlicher Begriff, sondern bezogen auf höhere, geistigere Ebenen und Wahrheiten. Danach richten wir uns in unserem Tun und Lassen aus und entwickeln uns, wachsen in die Höhe, aus der Materie heraus.
Etwas zu gewinnen bedeutet auch, etwas durch Arbeit und Bemühungen zu erreichen, erwerben. Das verweist auf das eigene Tun und den Weg. Uns an höheren Wahrheiten, der Lehre, dem Weg etc. auszurichten und in diese Richtung zu gehen, umzusetzen.
Den Nächsten zu gewinnen bedeutet, umfassende und recht verstandene Nächstenliebe praktizieren zu lernen. Der Grad, wie weit wir die wahre Bedeutung der Nächstenliebe verstehen, zeigt unseren bisherigen Erkenntnis- und Bewusstseinsstand. Der Grad, wie weit wir Nächstenliebe verwirklichen können, zeigt unseren Entwicklungsstand. Stand natürlich nicht als feststehender Zustand, sondern als Momentaufnahme.
Nächstenliebe ist ein unendliches Übungsfeld. Es zu betreten und anzunehmen bedeutet lange Zeit, umfassend daran zu versagen – und trotzdem weiterzumachen. Im Zen gibt es den Begriff „shoshaku jushaku“ (Dōgen Zenji). Das heißt, grob übersetzt, weil es viel mehr enthält als sprachlich transportierbar ist, soviel wie „Fehler auf Fehler machen“, aber als Weg, der zum Erfolg (Befreiung, Erleuchtung) führt. Gerade im Umgang mit unseren Nächsten erwächst wahre Erkenntnis, Entwicklung und Demut, weil wir erkennen, wie umfangreich und vielfältig die Herausforderungen BEI UNS sind. Der Andere ist der Spiegel, mit dem wir uns (als Hilfsmittel) erkennen lernen. Dafür müssen wir dankbar sein. Wir arbeiten uns deswegen nicht am Spiegel ab (dem Anderen, so würden wir ihn auf Dauer zerschlagen und wieder blind sein), sondern mit der Wider-Spiegelung, dem Anteil, der auf uns und unsere Entwicklungs-Bedürftigkeit verweist. Dem Teil, mit wir arbeiten können und MÜSSEN.
Weg-Arbeit ist zwar etwas, was WIR tun müssen, im Zuge der Entwicklung verstehen wir aber immer umfassender die wahre Bedeutung unserer Nächsten. Wie nah die Verbindung zwischen uns allen tatsächlich ist. Wie viel mehr wir manchmal Anderen verdanken als uns selbst. Dass Nächstenliebe auch bedeutet, dass wir das Trennende zwischen uns erkennen und von unserer Seite aus abzubauen, um etwas Anderes darauf aufbauen zu können.
Diana (Freitag, 26 Juli 2024 11:35)
Zu #2:
Interessanterweise kam mir beim Meditieren der Gedanke, dass Wider-Spiegelung falsch geschrieben ist. Nachgesehen – nein, ist richtig. Da wurde mir noch einmal deutlich, dass „wider-“ zwei verschiedene Bedeutungen hat, die auch spirituell interessant sind:
1. "wider-" drückt Reflexion, Rückstrahlung aus im Sinne von ZURÜCK, „wieder kommen“, z.B. in widerhallen, widerklingen.
Das verweist auf die Spiegelungsfunktion unser Mitmenschen. Dass wir uns durch sie, ihr Tun und Lassen erkennen lernen können, da ihr Ausdruck und Reaktion in vielen Teilen Antwort und Reaktion auf uns sind. Es gilt „einfach nur“ erkennen zu lernen, was zu wem gehört, und an unseren eigenen Anteilen zu arbeiten.
2. "wider-" drückt ein Entgegenwirken aus, z.B. in widerstreben, Widerstand, widerwillig, widerborstig.
Das wäre sozusagen der ungeklärte und unheilsame Weg, mit Wider-Spiegelungen von/ durch Andere umzugehen. Es gilt in der Weg-Arbeit, diese Widerstände, das Be-/ Verharren des Egos zu erkennen, anzunehmen, aber nicht im Widerwillen (Ego) zu verharren, sondern den rechten Willen zu stärken und zu trainieren. Es verweist auf das Beharrungsvermögen, Standhaftigkeit an der richtigen Stelle, hin zum Höheren.
C. (Freitag, 26 Juli 2024 19:55)
Daumen hoch!
Diana (Sonntag, 28 Juli 2024 09:35)
zum 4.:
Empfinden bedeutet etwas sinnlich wahrnehmen, fühlen, spüren, erfahren. Empfindlich bedeutet sowohl etwas stark zu spüren, als auch die Fähigkeit, bestimmte Impulse sehr schnell zu spüren, ohne hinspüren zu müssen. Im spirituellen Kontext geht es darum, die äußeren Sinne, unser bisheriges Spürvermögen als Mittel auf dem Weg und im Dienste der Entwicklung zu nutzen. Und es gilt die spirituellen Sinne und Wahrnehmungsmöglichkeiten zu schärfen und auszubauen.
Solange wir eine bestimmte Entwicklung noch nicht vollzogen haben, bleibt „Gott fürchten“ eine äußere Angelegenheit. D.h. wir orientieren uns z.B. an Gelöbnissen, spirituellen Regeln und Maßgaben, weil wir eine gewisse rudimentäre Einsicht und Motivation erreicht haben. Das ist schon einmal eine sehr gute Ausgangslage. Durch die Weg-Arbeit und die wachsende, bewusstere Verbindung mit Gott verstehen wir diese Hilfestellung und Regeln immer umfangreicher und tiefer, wir spüren ihre Essenz immer mehr IN UNS. Einsicht und Erkennen wachsen so in alle Richtungen und helfen uns bei rechtem Tun und Lassen. Je weniger unser Ego uns im Weg steht, umso mehr kann Weg-Arbeit dies in uns bewirken. Wir erkennen uns selbst besser, sowohl an unseren heilen als auch unheilsamen Stellen, und wir verstehen die spirituellen Gesetze direkter. So lernen wir z.B., dass wir nicht vom Karma, sondern durch Karma bestraft werden. Und der Begriff „Strafe“ sich im Zuge unseres Lernens hin zum Verstehen von Ursache und Wirkung unseres Tun und Lassens entwickelt. Was Leid bringt zu verstehen, zunehmend durch heilsameres Tun zu ersetzen und Unheilsames zu lassen. Je mehr wir so Raum schaffen, umso mehr können höhere, göttliche Impulse für uns spürbar und wahrnehmbar werden. So kommt es im Zuge der Entwicklung dazu, dass diese Impulse nicht als etwas Äußeres, Fremdes oder Getrenntes erlebt werden, sondern als etwas Eigenes, Eines EMPFUNDEN werden, die sowohl „Ich“ als auch „Nicht-Ich“ sind. Wir sind dann in Teilen eins mit Gott, sein Klang tönt in uns, sein Takt schlägt in uns, sein Auge sieht in uns. Möglicherweise zeitlich nur sehr begrenzt und in sehr geringem Umfang, aber es ist und wird in uns immer spürbarer. Und wenn wir weiterarbeiten als Weg-Arbeiter, wird sich dies quantitativ und qualitativ immer mehr ausdehnen.
Wenn wir „Gott nicht fürchten“ bedeutet es, dass wir an irgendeiner Stelle fehlgeleitet und verblendet (blind) sind, uns das Bewusstsein für unser fehlerhaftes Handeln abhandengekommen ist. "Gott fürchten" bedeutet, dass wir die Folgen UNSERES Handelns fürchten. Nicht weil Gott uns dafür bestraft, sondern weil unser unheilsames Tun und Lassen leidvolle Auswirkungen hat: Auf uns, unsere Mitgeschöpfe und die Welt. Und diese werden mit zunehmender Entwicklung immer mehr IN UNS spürbar, qualitativ als auch quantitativ. Wenn wir Gott fürchten, sehen wir als Weg-Arbeiter unseren hohen Entwicklungsbedarf und sorgen uns, aus diesem Grund Leid zu verursachen. Diese Furcht ist realistisch, berechtigt und hilfreich, soll uns aber in der Entwicklung nicht hemmen. Es ist wichtig, diese Entwicklungsanforderungen nicht aus den Augen zu verlieren und kontinuierlich an einer Verbesserung zu arbeiten.
Da wir dieses Wissen und die rechte Ausrichtung immer wieder graduell verlieren können, brauchen wir dann unbedingt rechte Orientierung und Ausrichtung. Wir orientieren uns an einer Person, die diese Qualität lebt und uns durch ihr Vorbild oder Belehrung hilfreich sein kann. Im besten Fall unser Lehrer, sonst natürlich auch Weg-Gefährten, die an dieser Stelle gerade besser unterwegs sind als wir.
Es geht darum, die egoistische Empfindlichkeit abzulegen und die Sensitivität hin auf das Göttliche zu richten. Spirituell betrachtet steckt im Wort „empfinden“ weniger das Anhaften an Emotionen oder Gedanken, sich auf dem eigenen Befinden auszuruhen, sondern das fortwährende Suchen und FINDEN (Weg-Arbeit), alles zu tun, um von der Quelle rechten Empfindens und Seins nicht getrennt leben zu müssen.
R.G. (Sonntag, 28 Juli 2024 12:44)
Zu (4)
Wir können "Gottesfurcht" auch als "Ehrfurcht vor Gott" lesen.