02. Oktober 2017
Erheben über die "Spur"

Für den Menschen nach seiner Anlage ist die Gesamtheit des Geschaffenen eine Leiter, um zu Gott hinanzusteigen. Da sind „Spuren“ und da sind „Bilder“, da ist Körperwelt und da ist Geisteswelt, da ist Zeitliches und da ist Ewiges, da ist Äußeres und ist Inneres, und alles soll uns hinführen zur Betrachtung des ersten Ursprungs und Prinzips, des durchaus Geistigen und Ewigen über uns.
Darum aber müssen wir uns erheben über das, was nur „Spur“ ist, über Körperwelt und Zeitliches und Äußeres…
Aus dem Sichtbaren erhebt sich der Geist, zu betrachten die Macht, Weisheit und Güte Gottes, des Unendlichen, Lebendigen, Erkennenden, des Geistigen, Unsterblichen, Unwandelbaren.
(Giovanni di Fidenza "Bonaventura", um 1221-1274)


05. Oktober 2017
Gottsuche

Gott suchen ist ein hohes Gut. Ich möchte es keinem anderen Gut der Seele hintansetzen. Die erste ist es unter den Gaben, der letzte unter den Fortschritten. Keiner unter den Tugenden muss es den Vortritt lassen; denn Gottsuchen ist der Anfang aller Tugenden. Und keiner muss es in die Fußstapfen treten, da alle in ihm ihre Vollendung finden.
Welche Tugend könnte man überhaupt jemandem zuschreiben, wenn ihm das Gottsuchen mangelte? Und wo ist die Grenze für den, der das Gottsuchen übt? Heißt es doch im Psalm: „Sucht sein Angesicht allezeit!“
Ich glaube, selbst wenn einer seinen Gott gefunden hat, wird er nicht ablassen, ihn zu suchen. Suchen – nicht mit flüchtigem Fuß, sondern mit der Sehnsucht des Herzens.
Die Seligkeit des Findens löscht die heilige Sehnsucht nicht aus, sondern entfacht sie von Neuem. Oder sollte doch die Fülle der Freude das Ende des Verlangens sein? – Im Gegenteil! Sie ist Öl auf die Flamme, welche da Sehnsucht heißt.
So ist es: Die Freude wird einmal voll sein. Aber des Verlangens und somit des Gottsuchens wird ewig kein Ende sein.
(Bernhard von Clairvaux, 1090-1153)


05. Oktober 2017
Hildegard von Bingen

http: //www. 3sat. de/mediathek/
Kommentare: 1
#1
Jonas (Freitag, 06 Oktober 2017 20: 29)
Viriditas - die "Grünkraft", ist ein interessanter Begriff, den Hildegard verwendet und der in unserer Terminologie ziemlich exakt der ätherischen Vitalität entsprechen würde. Ich finde es bemerkenswert, dass Hildegard zu dieser Zeit das schon so deutlich erkannt und darauf aufbauend ihre Naturheilkunde entwickelt hat.

Zitat zu dieser Grünkraft: "Grün ist die Lebenskraft der Elemente, die sich im Blattgrün, im Grün der Gewässer und der Flamm zeigt, auch im Blut, im Zeugungssaft, in den geistigen Kräften der Seele, in der Gnadenkraft des Heiligen Geistes, besonders im Charisma der Jungfräulichkeit. “

Weitere Übersetzungen des Begriffes sind: "Grünende Kraft, grünende
Lebenskraft, grünende Lebensfrische, Lebensgrüne, Grünkraft, das Grün, Keimkraft, Lebensfrische, Fruchtbarkeit, Leben, das lebendige Grün"

Hildegard beschreibt in ganz klaren Worten, dass diese Kraft ihren Ursprung außerhalb des Menschen und der Natur hat, dass sie von Gott selbst kommt:
Auszugsweise Zusammenfassung aus einem Aufsatz dazu:
Viriditas kommt aus der vis aeternitatis, aus der Kraft der Ewigkeit
Viriditas kommt direkt aus Gottes Hand
Viriditas kommt durch das Licht in die Welt
Viriditas lebt in der Luft, die die Erde umgibt
Der Heilige Geist ist die Quelle der Viriditas usf.

Darauf basierend baut sie ihre Gesundheitslehre auf. Der Ansatz wäre heute genau so aktuell wie im zwölften Jahrhundert - sehr beeindruckend, die Frau, und ihrer Zeit weit voraus.


06. Oktober 2017
Freiheit

Die system-innere Freiheit ist durch die system-innere Unfreiheit beschränkt.
Es könnte system-innere Freiheit nicht ohne system-äußere Freiheit geben.
Letztere ist absolut und liegt allem zugrunde.
Die system-äußere Freiheit hat allerdings nicht die Macht,
die system-innere Unfreiheit zu verwandeln.
Bildet sie sich aber ausreichend stark in einer system-inneren Freiheit ab,
so vermag sie über die system-innere Unfreiheit hinwegzugehen.
Man ist also frei und kann sich dadurch frei machen. Nicht umgekehrt.
Mehr Freiheit kann es nicht geben, ohne das System zu zerstören.
(Ludwig)


Kommentare: 9
#1
Clemens (Freitag, 06 Oktober 2017 09: 52)
Mal ein seltenes wörtliches Zitat von L. das von Simon bereitgestellt wurde. Mit "System" meint L. übrigens "die Trennungswelten" - soweit ich weiß. Man muss sich in diesen Spruch schon ziemlich reinarbeiten, finde ich. Aber ich finde auch, dass es sich um ein schönes Stück spiritueller Aussage handelt. Danke, Simon. Und gerne mehr! ^^
#2
Ruth Finder (Freitag, 06 Oktober 2017 12: 53)
Das ist ein Theorem, das bei uns in der Gesamtheit seiner Axiome an Evidenz erst gewinnen muss. Und wahrscheinlich auch eine Matrix! Warum? Versucht das selbst herauszufinden.

"Mehr Freiheit kann es nicht geben, ohne das System zu zerstören":

Rabbi Dow Bär von Mesnitsch sagte: "Bevor ein Ei zu einem Hühnchen heranwachsen kann, muss es zuerst ganz aufhören, Ei zu sein. Jedes Ding muss seine ursprüngliche Identität verlieren, bevor es etwas anderes werden kann. Bevor also etwas in etwas anderes transformiert wird, muss es auf die Ebene des Nichts kommen. "
#3
L. (Samstag, 07 Oktober 2017 17: 41)
Was ist weiß und steht hinter einem Baum? Schüchterne Milch!
Was ist schwarz und steht hinter einem Baum? Schmollende Milch!
Was ist grau und steht hinter einem Baum? Unentschlossene Milch!
#4
Clemens (Samstag, 07 Oktober 2017 19: 37)
Im Ernst jetzt? Milch ...ein fein verteiltes Gemisch zweier normalerweise nicht mischbarer Flüssigkeiten. Als kolloidale Dispersion gesehen nicht nur gültig für Flüssigkeiten, sondern auch beziehbar auf fein verteilte Stoffe, Teilchen oder Tröpfchen in Feststoffen oder Gasen. Ich denke dabei an die Verkörperungen in den Trennungswelten - und das sich in den Trennungswelten Verkörpernde. Milch gleich AP/HS?

Und die Farben? Weiß/schüchtern? Reinheit ohne Meisterschaft! Anfangszustand?

Schwarz/schmollend? Anfangszustand ohne Reinheit? Schmollend aufgrund der Erkenntnis "die Welt ist gegen mich"? Gekränktheit des nicht allmächtigen, sterblichen Egos?

Und grau/unentschlossen? Halbe Strecke zwischen wiedererlangter, schlußendlicher Reinheit und anhaltender Gekränktheit? Punkt der Entscheidung: Wie soll es weitergehen, welche Ausrichtung wähle ich?

Und warum das alles in einen Antiwitz verpackt? Weil ALLES ein Antiwitz ist? Und man trotzdem drüber lachen muss?

Was ist grün und rennt durch den Wald? Ein Rudel Gurken.
#5
Ruth Finder (Samstag, 07 Oktober 2017 20: 26)
Ich mag Rätsel. ^^

Der erste Satz ist eigentlich ein bekannter Anti(Flach)witz. Sinngemäß absurd. Die zwei folgenden "Witze" sind irgendwie noch absurder.

Es sollte aber wahrscheinlich damit gesagt werden, dass Schmollen und Unentschlossenheit einen bei der Entwicklung nicht weiterbringen und deswegen absurd sind.
#6
Jonas (Samstag, 07 Oktober 2017 20: 53)
Alle drei Milcharten trauen sich nicht oder wollen nicht hinter dem Baum hervorkommen, sie verbergen sich dahinter, wollen aus verschiedenen Gründen nicht gesehen werden. Das ist nicht gerade entwicklungsfördernd, wie RF schon festgestellt hat. Vielleicht ist der Witz als Spiegel für uns Kreisler gedacht, wobei jeder von uns gewisse Anteile an den drei Milcharten aufweist, die sich hinderlich auswirken.
Der Mut, hinter dem Baum hervorzukommen und sich dann sichtbar mit Hilfe der Anderen seinen inneren Dingen zu stellen, würde allen dreien weiterhelfen.
#7
Jonas (Montag, 09 Oktober 2017 11: 47)
"Die system-äußere Freiheit hat allerdings nicht die Macht, die system-innere Unfreiheit zu verwandeln. " - Dies wäre eine Begründung, warum Christus - sofern wir ihn als Inkarnation des Logos sehen wollen - als Mensch Jesus auf der Erde inkarnieren musste, um wirken zu können.
#8
Ruth Finder (Dienstag, 10 Oktober 2017 10: 39)
"Die system-äußere Freiheit hat allerdings nicht die Macht, die system-innere Unfreiheit zu verwandeln. "

In der Tat, ein interessanter Satz.

Dazu ein paar Gedanken aus einigem Lesestoff (in eigenen Worten):

Für Gott wäre es ein Leichtes, solch eine Verwandlung durchzuführen. Aber seine Allmacht besteht eben nicht darin, anstatt unserer etwas zu tun, und schon gar nicht uns etwas aufzuzwingen oder von uns etwas zu verlangen. Viel mehr besteht seine Macht in all-liebendem Freilassen - immer und immer wieder. Er weist auf sich hin, er zeigt uns, sozusagen, seinerseits unverlangte Möglichkeiten auf. Wir haben die Wahl, dem zu folgen oder nicht.
#9
Jonas (Dienstag, 10 Oktober 2017 12: 06)
Hallo RF, ich denke auch, dass Gott uns in den Trennungswelten die Möglichkeit bieten möchte, uns frei für oder gegen ihn entscheiden zu können. Wobei letzteres eigentlich gar nicht wirklich möglich ist, wenn wir uns unsere eigene Struktur vor Augen halten (AP/HS). Wir würden uns dann ja gegen uns selbst entscheiden ...

Ein direktes Eingreifen seinerseits in die trennungsweltlichen Freiheiten, die Gott für uns ja so eingerichtet hat, kann er gar nicht machen, da er nicht gegen sich selbst (seine eigenen Gesetze) handeln kann (dann wären seine Gesetze ja nicht vollkommen). Ansonsten wäre das das Ende der Trennungswelten, es würde diese zerstören, wie L. das ausgeführt hat. Aus diesem Grund wird das auch nicht geschehen.

Außer vielleicht das Entwicklungsmodell "Mensch" wird nicht länger benötigt. Dann hätte Gott aber auch keine "freien", scheinbar unabhängigen Selbste mehr, über die er sich selbst betrachten und damit an sich und seiner Schöpfung Freude haben könnte.

Uns wird es ja scheinbar zugestanden, uns innerhalb der Trennungswelten über die unterschiedlichsten Beschränkungen hinwegzusetzen, wenn wir eins mit ihm sind und ihm über uns ermöglichen, sich auszudrücken - im Rahmen des göttlichen Plans. Dann können wir auch auf dem Wasser gehen, an mehreren Orten gleichzeitig sein, auf unbegrenztes Wissen zugreifen, durch die Zeit reisen usf, wenn es der göttliche Plan erfordert. Das könnte man hieraus ableiten: "Bildet sie sich aber ausreichend stark in einer system-inneren Freiheit ab, so vermag sie über die system-innere Unfreiheit hinwegzugehen. "


06. Oktober 2017
Leben

Engel und Erzengel sind uns nahe. Aber Gott ist uns näher. Er ist nicht nur bei uns, sondern in uns. Freilich ist mir nicht unbekannt, dass auch Engel uns einwohnen, kenne ich doch das Wort: „Ein Engel hat in mir gesprochen, freundliche Worte, tröstliche Worte“ (Sach 1, 14).

Doch ist auch hier zu unterscheiden. Ein Engel kann durch seine Einwohnung uns Gutes nahelegen, aber er kann es uns nicht einflößen. Er kann zum Guten mahnen, aber er kann es nicht schaffen.

Gott hingegen wohnt so in uns, dass er uns anregt und uns zugleich eingießt. Oder besser, dass er selbst sich uns eingießt und uns Anteil von sich gibt, sodass einer es wagte zu sagen, Gott sei dann eins mit unserem Geist, wenn auch nicht eins der Person oder dem Wesen nach.

So wird der Engel der Seele zum Zeltgenossen, Gott aber wird ihr zum Leben. Wie die Seele in den Augen sieht, im ganzen Körper empfindet, so wirkt auch Gott verschieden in den verschiedenen Geisteswesen. Dem einen erweist er sich als belebende Kraft, dem anderen als Licht der Erkenntnis, jedem in anderer Weise, wie einem jeden die Offenbarung des Geistes zum allgemeinen Nutzen gegeben wird.
(Bernhard von Clairvaux, 1090-1153)


06. Oktober 2017
Schauung

Einmal, da meine Seele erhoben wurde, erblickte ich Gott in einer Klarheit und Fülle, wie ich ihn nie zuvor geschaut hatte. Ich sah hier nicht nur nicht Liebe, sondern ich verlor zugleich jene Liebe, die ich früher gehegt hatte, und ward versetzt in einen Zustand des Nichtliebens.

Danach erblickte ich ihn in einer Finsternis – Finsternis, sage ich, weil er ein Gut ist über alles Denken und Fassen, und möchte man fassen und begreifen was immer, es reicht nicht an ihn hinan.

Und die Seele empfand einen unverrückbaren Glauben und eine sichere, starke Hoffnung und eine Zuversicht in Gott, so unbedingt, dass alle Furcht zu Ende ist …

Bei solcher Schauung ist die Seele nicht einmal des Gedankens fähig, dass sie jemals jenes höchste Gut verlassen oder von ihm verlassen werden könnte. Sie wird in diesem Allgut unsagbar entzückt. Sie sieht kein Mittel, es mit dem Munde zu sagen oder auch nur mit dem Herzen zu fassen – sie sieht nichts und sieht doch alles in allem. …

Es ist ein Schauen der Seele, nicht des Leibes. Der Leib ruht und schlummert, die Zunge ist gelähmt, die Rede verstummt. Alle Liebeserweise, deren Gott mir so viele und unsagbare erwiesen hat, und alle zärtlichen Worte, die er an mich gerichtet, sind ein Geringes, gegen jenes hohe Gut, das ich in Finsternis erschaue.
(Angela de Foligno, 1248-1309)


Kommentare: 2
#1
Clemens (Freitag, 06 Oktober 2017 11: 25)
Und mit Angela de Foligno endet heute die Reihe vornehmlich mittelalterlicher Mystiker aus dem Angebot der erwähnten Kontemplationsseite ...;o(

(Gibt es eigentlich ein traurig zwinkerndes Emoticon? Na, jetzt jedenfalls schon. )
#2
Jonas (Sonntag, 08 Oktober 2017 10: 10)
Vielen Dank für Deine Mühe, Clemens, dass Du die Texte gesichtet und für uns aufbereitet hast. : -)


11. Oktober 2017
Baum

Vor ca. 2 Jahren hat mir H. das Büchlein "Ich und du" von Martin Buber geschenkt. Was sich so harmlos anhört, hat sich als nicht leicht verständliche philosophisch-spirituelle Lektüre erwiesen. Ich bin damals beim Lesen nicht weit gekommen. Ich habe aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass mir irgendwann ein neuer Versuch gelingt. ^^

Eine Passage aus dem Kleinod hat mich jedoch gleich sehr angesprochen - wegen dem Sinn, der mir wichtig und richtig erschien, und doch schwer zu fassen, zu erfahren und zu leben ist (ich spreche hier von mir). Aber auch wegen der, aus meiner Sicht, in hohem Maße reichen, bildhaften, ja, den Leser mitnehmenden Sprache.

Beurteilt das selbst:

Ich betrachte einen Baum.
Ich kann ihn als Bild aufnehmen: starrender Pfeil im Anprall des Lichts, oder das spritzende Gegrün
von der Sanftmut des blauen Grundsilbers durchflossen.
Ich kann ihn als Bewegung verspüren: das flutende Geäder am haftenden und strebenden Kern,
Saugen der Wurzeln, Atmen der Blätter, unendlicher Verkehr mit Erde und Luft - und das dunkle
Wachsen selber.
Ich kann ihn einer Gattung einreihen und als Exemplar beobachten, auf Bau und Lebensweise.
Ich kann seine Diesmaligkeit und Geformtheit so hart überwinden, dass ich ihn nur noch als Ausdruck des Gesetzes erkenne - der Gesetze, nach denen ein stetes Gegeneinander von Kräften sich stetig schlichtet, oder der Gesetze, nach denen sich Stoffe mischen und entmischen.
Ich kann ihn zur Zahl, zum reinen Zahlenverhältnis verflüchtigen und verewigen.
In all dem bleibt der Baum mein Gegenstand und hat seinen Platz und seine Frist, seine Art und Beschaffenheit.
Es kann aber auch geschehen, aus Willen und Gnade in einem, dass ich, den Baum betrachtend,
in die Beziehung zu ihm eingefasst werde, und nun ist er kein Es mehr.
Die Macht der Ausschließlichkeit hat mich ergriffen.
Dazu tut nicht not, dass ich auf irgendeine der Weisen meiner Betrachtung verzichte. Es gibt nichts, wovon ich absehen müsste, um zu sehen, und kein Wissen, dass ich zu vergessen hätte. Vielmehr ist alles, Bild und Bewegung, Gattung und Exemplar, Gesetz und Zahl, mit darin, ununterscheidbar vereinigt.
Alles, was dem Baum zugehört, ist mit darin, seine Form und seine Mechanik, seine Farben und seine Chemie, seine Unterredung mit den Elementen und seine Unterredung mit den Gestirnen, und alles in einer Ganzheit.
Kein Eindruck ist der Baum, kein Spiel meiner Vorstellung, kein Stimmungswert, sondern er lebt mir gegenüber und hat mit mir zu schaffen, wie ich mit ihm - nur anders.
Man suche den Sinn der Beziehung nicht zu entkräften: Beziehung ist Gegenseitigkeit.
So hätte er denn ein Bewusstsein, der Baum, dem unsern ähnlich? Ich erfahre es nicht. Aber wollt ihr wieder, weil es euch an euch geglückt scheint, das Unzerlegbare zerlegen? Mir begegnet keine Seele des Baums und keine Dryade, sondern er selber.
(Ruth Finder)


12. Oktober 2017
Gotteserkenntnis und Selbsterfahrung

Jonas (Mittwoch, 11 Oktober 2017 21: 46)
Gotteserkenntnis und Selbsterfahrung
"Eine Gottesbegegnung besteht immer aus Gotteserkenntnis und Selbsterfahrung. Gott in sich zu erkennen und sich in Gott zu erkennen, sind zwei Seiten einer Münze. Man kann sie nicht trennen. Es gibt keine Begegnung mit Gott, die nicht zu gleicher Zeit eine Begegnung mit sich selbst wäre. Es kann auch keine Selbsterfahrung geben, die nicht gleichzeitig eine wachsende Gotteserkenntnis schenken würde. "
(Franz Jalics in "Kontemplative Exerzitien)


Kommentare: 2
#1
Clemens (Donnerstag, 12 Oktober 2017 14: 17)
Der Spitzfinder hat einen Spitz gefunden. Nehmen wir ihn als ergänzende Überlegung. Die Sache mit der Münze und den zwei Seiten ist ja geläufig und wird auch von uns häufiger herangezogen. Von unserer Herkunft als in den Trennungswelten verirrte Wesen sind wir ja durch und durch dualistisch. Daher neigen wir dazu, bei der Formulierung mit der Münze vor allem auf die ZWEI SEITEN zu schauen - und vergessen allzuleicht, dass eben auch von EINER MÜNZE gesprochen wird.

"Gott in sich erkennen und sich in Gott erkennen" ist eben das Erkennen beider Seiten. Zu den MeditationsVERTIEFUNGEN (also tieferen Versenkungen als die von Jalics erwähnte) zählt aber in verschiedenen spirituellen Ansätzen eben gerade die Überwindung der Wahrnehmung der Trennung. Zwischen Subjekt und Objekt wird nicht mehr unterschieden, zwischen Individuum und Gott, zwischen Innen und Außen. Die MÜNZE wird als MÜNZE wahrgenommen - oder noch weitergehender: nicht einmal mehr als das. Münze und Nicht-Münze werden eins/keins.
#2
Clemens (Donnerstag, 12 Oktober 2017 14: 25)
"Es kann auch keine Selbsterfahrung geben, die nicht gleichzeitig eine wachsende Gotteserkenntnis schenken würde. " Ich würde das unterschreiben. Es ist jedoch eine weitreichende Hypothese - im Gegensatz zu dem Satz davor, da dort der Selbst-Beleg zumindest graduell eingebunden ist.

Die Frage wäre ja dann: Wenn es keinen Gott gäbe (was wir in den Trennungswelten ja nicht ganz ausschließen dürfen, da es hier praktisch keine Hundertprozentigkeiten gibt) - könnte es dann keine Selbsterfahrung geben? Das würde ich stark bezweifeln! Allerdings könnte man bei der Selbsterfahrung eines Atheisten/Agnostikers behaupten, dass er lediglich die Gotteserfahrung ausblenden würde ...Aber wie schon angedeutet, zweifelsfrei belegen ließe sich das nicht.


12. Oktober 2017
Wo ist das Tao?

Ein Mönch fragte den Meister: "Wo ist das Tao?"
"Unmittelbar vor uns, " antwortete der.
Der Mönch: "Weshalb sehe ich es dann nicht?"
Der Meister: "Wegen deiner Selbstsucht kannst du es nicht sehen. "
Der Mönch: "Wenn ich es wegen meiner Selbstsucht nicht sehen kann, vermag dann Euer Ehrwürden es zu sehen?"
Der Meister: "Solange es ein Ich und ein Du gibt, erschwert dies die Lage, und kein Schauen des Tao ist möglich. "
Der Mönch: "Wird es geschaut, wenn es weder Ich noch Du gibt?"
Der Meister: "Wenn es weder Ich noch Du gibt, wer sollte es dann hier sehen können?"
(Zen-Geschichte)


15. Oktober 2017
Bennett-Zitate

"Bhagvad Gita, 35. Vers der 3. Adhyaya: 'Besser das eigene Leben leben, selbst wenn es nicht sehr verdienstvoll ist, als das eines anderen, und mag es noch so gut gelebt sein. Der Weg eines anderen steckt voller Gefahren – das Heil liegt nur darin, dem eigenen Weg zu folgen. '" (S. 228)

„Die Geschichte der Religionen und spirituellen Bewegungen zeigt, dass immer dann das Todesgeläut einsetzt, wenn das Suchen und Weitergehen vom Bewahren des Erreichten verdrängt wird. “ (S. 255)

„Es ist schwer, das preiszugeben, das man gern los wäre“ (S. 261)


Kommentare: 5
#1
Ruth Finder (Sonntag, 15 Oktober 2017 19: 17)
Noch ein paar Zitate zum ersten Zitat:
Der Baalschem sagte: "Jedermann soll seiner Entwicklung entsprechend seinen eigenen Weg gehen. Geschieht dem aber nicht so und einer schaut darauf, wie weit es ein anderer auf seinem Wege gebracht hat, und ihm nachzutun trachtet und seinen eigenen Weg fahren lässt, dann werden nicht dieser und nicht jener durch ihn verwirklicht werden. " "Könnten wir, " sagte einmal Rabbi Nachum von Stepinescht zu den Chassidim um ihn, "unsere Leiden an den Nagel hängen, und stünde es uns frei, die zu wählen, die uns am besten gefielen, jeder holte sich die seinen wieder, denn alle anderen würden ihn noch schlimmer bedünken. "
Vor dem Ende sprach Rabbi Sussja von Annipole: "In der jenseitigen Welt wird man mich nicht fragen - 'Warum bist du nicht Mose gewesen?', man wird mich fragen. 'Warum bist du nicht Sussja gewesen?'"
#2
Clemens (Montag, 16 Oktober 2017 16: 17)
Zu Spruch 2: Das geschieht, wenn man nicht mehr den Weg beschreitet, sondern daneben eine Herberge baut - und sie dann im falschen Geiste betreibt: Nicht den Reisenden dient, damit sie erfrischt weiterziehen können, sondern sie zum Bleiben zu zwingen versucht, um eine immer größere und prächtigere Herberge bauen zu können ...
#3
Diana (Montag, 16 Oktober 2017 21: 16)
zum 1. Zitat:
Lange beschäftigte mich die Frage, wie man ist, wenn man spirituell ist, wie man werden soll, wenn man sich spirituell entwickelt. Da der spirituelle Prozess ein ablegen und ein mehr-werden ist und das nicht immer leicht ist, läuft man da vielleicht Gefahr, nach einer Art spiritueller Matrize (Gussform) zu suchen. Auch können falsche Vorstellungen von Spiritualität und Entwicklung, Lücken im Prozess oder Widerstände zum Versuch einer solchen „Lösung“ führen. Das wäre so, wie wenn eine Ringelblume versucht, eine Rose, eine Linde oder ein Adler zu werden und unglücklich ist, weil ihr daran keine rechte Annäherung gelingt.
Jetzt weiß ich, und diese Freude möchte ich mit Euch teilen, dass die größte Gnade die ist, dass wir durch die spirituelle Entwicklung gerade das werden dürfen, was wir im Innersten, in unserer Reinform, bereits sind. Dass die größte Gnade Gottes die ist, dass wir uns durch die spirituelle Entwicklung gerade in unserer jeweiligen Individualität Ausdruck verleihen können. Und so das Göttliche in unserer ureigenen Form und Art ausdrücken. Deswegen sind Vergleiche mit spirituellen Weggefährten – neben anderen Aspekten – problematisch. Die Kunst und das Ziel der Wegarbeit besteht darin, das reine klare Licht in uns zu finden und leuchten zu lassen. Da sind die Möglichkeiten sicher unendlich groß, aber man muss seinen eigenen Weg suchen und gehen – und sich gleichzeitig an der Buntheit und Vielfalt der Welt erfreuen.
Und über den Blogeintrag von Jonas zu Gotteserkenntnis und Selbsterfahrung (12. 10. 17) hat sich noch ein anderer Aspekt für mich deutlicher herausgeschält: Dass wahre Individualität als Ergebnis spiritueller Entwicklung immer mit einer Annäherung an Gott, einem Eins-Werden einhergeht. Dass der spirituelle Entwicklungsprozess letztlich ein Heil- und Ganz-Werden ist, und wir mit/ in Gott voll bewusst eins sind. Und das wiederspricht sich nicht, der Selbstausdruck der bewussten Individualität und die bewusste Einheit mit Gott.
#4
Jonas (Dienstag, 17 Oktober 2017 13: 57)
zum Spruch 3:
Auch wenn bereits intellektuelle Einsicht vorhanden ist wehrt sich die Alltagspersönlichkeit mit allen Mitteln gegen notwendige Veränderungen. Das führt mitunter zu recht zwiespältigen Reaktionen in uns. Beispielsweise wenn von uns unerwünschte Gefühle, wie etwa Neid, Mißgunst etc. auftreten und wir zeitgleich intellektuell erkennen, dass das eigentlich so nicht richtig ist. Was jetzt tun mit diesem Gefühl, das wir nicht wollen? Selbstverurteilung und - vorwürfe sind der falsche Weg, damit umzugehen, dadurch verstärken wir es nur. Wesentlich zielführender ist es, diese Gefühle sanft(!) durch die bereits gewonnene intellektuelle Einsicht zu belehren. Also das Gefühl als solches einmal zu akzeptieren (in der Form, dass es nun einmal da ist) und sich dann intellektuell damit auseinanderzusetzen mit dem Ziel, das negative Potential des Gefühles zu erkennen und ihm beim nächsten Anlass möglichst nicht mehr Ausdruck zu verleihen.
Wenn wir das wiederholt so machen, wirken wir schrittweise in die richtige Richtung und schaffen es letztendlich auch, durch die wiederholte Selbst-Belehrung die gewünschte charakterliche Änderung herbeizuführen und zu festigen. Die göttliche Vorsehung ist hier ein sehr verlässlicher Partner, um uns in dieser Hinsicht zu trainieren, da sie uns immer wieder in Situationen bringt, wo wir daran arbeiten und uns bewähren können. Charakterliche Änderungen bedürfen der Zeit und gehen nicht von heute auf morgen. Da ist viel Weg-Arbeit notwendig.
#5
Ruth Gabriel (Samstag, 21 Oktober 2017 17: 31)
Zum ersten Zitat noch ein Zitat aus dem Buch "Der Weg des Menschen" von Martin Buber (Danke R. F. ):
Dieses Einzige und Einmalige ist es, was jedem vor allem auszubilden und ins Werk zu setzen aufgetragen ist, nicht aber, noch einmal zu tun, was ein anderer, und sei es der größte, schon verwirklicht hat. Der weise Rabbi Bunam sagte einmal im Alter, als er schon erblindet war: "Ich möchte nicht mit Vater Abraham tauschen. Was hätte Gott davon, wenn der Erzvater Abraham wie der blinde Bunam würde und der blinde Bunam wie Abraham?"


17. Oktober 2017
Bennett-Zitate

„Er [Ouspensky] sprach über Methoden, die in den esoterischen Schulen Asiens und Osteuropas angewendet werden, um die Aufmerksamkeit zu sammeln und zu verhindern, dass der Geist in fruchtlose Fantasien abschweift. Diese Methoden beruhen auf der Tatsache, dass unser Erinnern, unser Innesein nur eingleisig funktioniert. Erinnern wir uns einer Sache, so vergessen wir andere. Beschäftigen wir unseren Geist mit dem Erinnern von etwas Bestimmtem, so ist der immerwährende Strom beiläufiger Gedanken unterbrochen. Zwei der gebräuchlichsten Methoden sind Auswendiglernen und Repetition.
Das leuchtete mir ein, denn ich hatte mich schon oft gefragt, weshalb Hindus, Muslime und Christen ihre heiligen Schriften immer noch auswendig lernen, nachdem die Notwendigkeit, sie mündlich weiterzugeben, schon tausend Jahre lang nicht mehr besteht. Mein Sanskritlehrer Kanhere hatte mir die Methode gezeigt, nach der die Brahmanen Indiens die Vedas und Brahmanas auswendig lernen. Ich war den Hafiz - den Bewahrern - begegnet, die den ganzen Koran im Kopf hatten und ihn mit sämtlichen grammatischen Fehlern des Propheten wiedergeben konnten. In griechisch-orthodoxen Klöstern lernen manche Mönche die ganze Bibel auswendig, und auch in der westlichen Christenheit waren solche Unternehmungen bis ins 19. Jahrhundert nichts Ungewöhnliches. Ich hatte dergleichen immer als sinnlose Überbleibsel aus einer Zeit betrachtet, in der Lesen und Schreiben noch etwas Besonderes waren und die wenigen Handschriften leicht verlorengehen oder entstellt werden konnten. Jetzt verstand ich, dass die Praxis des Auswendiglernens der Schriften tatsächlich ein Überleben bedeutete - aber nicht einer analphabetischen Epoche, sondern einer Zeit, in der die Menschen noch wussten, wie gefährlich es ist, zu sehr in den Gedanken zu leben .... Er [Ouspensky] beschrieb das immerwährende Herzensgebet - das beständige Wiederholen der Anrufung: „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner. “ Als diese Praxis vor über tausend Jahren in den griechisch-orthodoxen Klöstern eingeführt wurde, erlangten bald Tausende von Mönchen und Nonnen die Erleuchtung, indem sie der Anweisung des Apostels Paulus folgten, ohne Unterlass zu beten .... Er schlug deshalb vor, dass einige von uns die Bergpredigt oder sogar alle Evangelien auswendiglernten. Andere sollten es mit der beständigen inneren Wiederholung des Vaterunsers versuchen, aber er empfahl uns, die griechische Version zu lernen, da in anderen Sprachen der ursprüngliche Rhythmus verlorenging ...Von diesem Tag an und für die nächsten fünf Jahre machte ich es mir zur Aufgabe, tagsüber so oft wie möglich das Vaterunser auf Griechisch zu wiederholen. Ich sprach es innerlich, während ich las oder mich mit anderen unterhielt. Nach drei Jahren vereinigte es sich mit meinem Atem und ging selbst dann weiter, wenn ich nicht mehr darauf achtete. Mein Tagebuch der Jahre 1931 bis 1935 ist voller Bemerkungen zu dieser Übung. Ich lernte zum Beispiel, das Gebet gleichzeitig und mit verschiedenen Geschwindigkeiten auf Griechisch und Lateinisch zu wiederholen, und für kurze Zeit konnte ich auch noch die deutsche oder russische Fassung einbeziehen. Das erzeugte einen Zustand kontrollierter Abspaltung: Die gewohnte Verbindung zwischen intellektuellen, emotionalen und instinktiven Vorgängen war aufgehoben, und an die Stelle trat etwas Neues - reines Bewusstsein - das sie zusammenhielt. “ (S. 220f)


Kommentare: 7
#1
Jonas (Dienstag, 17 Oktober 2017 14: 53)
Meine edlen Freunde, ich hab das mit dem Herzensgebet immer noch nicht verstanden, vielleicht könnt ihr mir auf die Sprünge helfen.
Wird mit dem automatisierten Ablaufen des Gebetes nur der Verstand beschäftigt, um vor ihm Ruhe zu haben, um besser in die Stille eintauchen zu können? Das widerspricht ein wenig meiner Erfahrung, da bei diesem automatischen Ablaufen sich eine neue Gedankenebene ausbildet, die der Verstand wiederum für seine Gedankenketten benutzt. Das läuft dann parallel ab. Bennett beschreibt das ja auch so im Text, dass im Hintergrund das Gebet läuft und er sich gleichzeitig mit anderen unterhält oder ein Buch liest.
Da läuft - technisch betrachtet - meines Erachtens nur ein Elemental im Hintergrund, wie eine Schallplatte, die sich ständig wiederholt. Was ist der spirituelle Nutzen daraus? Dass man sich der drei Ebenen Gedanken, Gefühle, Körperelementale getrennt bewusst wird, wie das im Text postuliert wird? Ist für mich schwierig nachvollziehbar.
Ich könnte mir noch vorstellen, dass man durch die ständige Wiederholung eine Verbindung zu den Inhalten der Wiederholung aufbaut, wie etwa zu Gott oder Christus. Und dass diese Verbindung durch das sich permanent wiederholende Elemental präsent gehalten wird und man sich dessen jederzeit gewahr werden kann. Oder man empfindet es als ein Gefühl der Verbundenheit, das immer gegenwärtig ist. Und auf dieser Basis entwickelt sich dann das im Text erwähnte "reine Bewusstsein".
#2
Clemens (Dienstag, 17 Oktober 2017 15: 13)
Also dann mal ran, edle Freunde!! Ich bin gespannt.
#3
Simon (Dienstag, 17 Oktober 2017 23: 09)
Ich vermute, dass am Anfang die Bedeutung eines Gebetes bei einer Repetition, inhaltlich erfasst und nicht losgelassen werden darf, dies erfordert ein hohes Maß an Konzentration und Achtsamkeit. Wird die Wiederholung in den Autopilot-Modus verschoben fällt die Ausrichtung weg, es entsteht eine Form der Einrichtung. Entsteht diese Form, können parallel dazu andere unerwünschte und störende Gedanken entstehen.
Nach endlosen Wiederholungen, wird die A. P schlicht mürbe.
Verstand und Identifikation treten in den Hintergrund.
Der Verstand kann nach einiger Zeit keine Identifikation mehr herstellen.
Aus dem Inhalt wird dann Rhythmus. Aus dem Rhythmus wird Tanz und Tanzen verträgt sich nicht mit Denken.
Tritt man vom Inhalt in den Rhythmus und vom Rhythmus in den Tanz über, würde ich meinen, dass aus dem anfänglichen Elemental (Inhalt) eine Veredelung hervorgeht, es wird sozusagen transzendiert.
Außerdem vermute ich, dass wenn diese Technik beherrscht wird, unterschiedliche Grade der Anwendung zur Verfügung stehen. Gleichzeitig ablaufend erlaubt es einem, bei anderen Aktivitäten, Zentriert und ausgerichtet zu sein.
Wird es zum alleinigen Inhalt, kann es alle störenden Einflüsse verdrängen und zum „reinen Bewusstsein werden“. (Vermute Ich;-)
#4
Ruth Gabriel (Mittwoch, 18 Oktober 2017 07: 31)
Ja, diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Ich denke auch, dass es nicht um die reine Mechanik als Methode gehen kann, da dann auf einer anderen Ebene der Gedankenstrom weiterläuft. Ich vermute wie Simon, dass es darum geht, durch den Inhalt eine Haltung zu etablieren. Ähnlich wie bei den Gelöbnissen, richten wir uns aus und ermöglichen, dass dieser "Zustand" andauernder wird.
#5
Ruth Gabriel (Mittwoch, 18 Oktober 2017 12: 14)
Ergänzung zum Kommentar 4:
Ich denke, dass es über die Haltungskultivierung noch hinausgeht. Irgendwann schwingt man mit und geht in Resonanz.
#6
Clemens (Mittwoch, 18 Oktober 2017 16: 37)
Clemens (Mittwoch, 18 Oktober 2017 16: 36)

Ja, in bestimmten Anweisungen zum Herzensgebet wird davon gesprochen, dass nach und nach das Gebet (Mantra) vom Kopf bzw. Mund "ins Herz hinabsinkt" und dort unablässig weitergeht. Ich verstehe das auch so wie von Simon und R. G. beschrieben. Es sinkt nicht in eine mechanische Wiederholung, sondern wird zu einer Art Bewusstseinsbasis, auf der alles andere aufbaut.
Das hat Jonas selbst ja auch schon in seinem Kommentar aus etwas anderen Winkeln angedeutet.
#7
Jonas (Donnerstag, 19 Oktober 2017 18: 14)
Vielen Dank für Eure Beiträge, da sind viele Aspekte drinnen, die mir ein tieferes Verstehen ermöglichen.


20. Oktober 2017
Bennett

„Angst und der Umgang mit ihr ist wohl das sicherste Erkennungsmerkmal für unseren wahren Zustand. Ich war schon immer von tiefer Angst verfolgt gewesen, weil ich nicht in meinem wahren Selbst lebte. Ich glaube, dass fast alle Menschen von dieser Angst beherrscht sind, wenn sie ihrem Wachbewusstsein auch meist verborgen bleibt. Wir leben in Angst, weil wir nicht wirklich leben, und die schrecklichste Vorstellung ist die, dass diese Unlebendigkeit vor uns selbst und anderen entblößt wird. „Aber er hat ja keine Kleider an“, das sind die Worte eines unschuldigen Kindes, die der Kaiser in uns am meisten fürchtet – und dieses Kind lebt auch in uns selbst. “ (S. 450)
„ ...ich selbst war noch so unreif, nach wie vor der Sklave meines Eigenwillens. Ich konnte zwar aufrichtig sagen: “Dein Wille geschehe“, aber ich konnte nicht mit der gleichen Überzeugung sagen: „Mein Wille werde im Willen Gottes vernichtet. “ Mir war durchaus bewusst, wie weit es vom Annehmen des Göttlichen Willens noch bis zur Aufgabe des eigenen ist. “ (S. 414)


Kommentare: 3
#1
Diana (Freitag, 20 Oktober 2017 20: 13)
Dieses Zitat verstehe ich so, dass es um das Aufgeben des Ego-Eigenwillens geht, nicht um die Willenskraft des Menschen überhaupt. Letztere ist ja ein wichtiges Mittel und Ziel der Wegarbeit. Wo sie nicht da ist, muss an der Willenskraft gearbeitet werden. Die Willenskraft steht bei der Wegarbeit lange unter dem Zepter des AP, ist zersplittert und wird unbewusst be-/ genutzt. Immer wieder ist es wichtig zu erforschen, wofür wir unseren Willen und Kraft einsetzen. Konzentration ist das Mittel, um diese Kraft zu bündeln, durch Ausrichtung lenken wir sie gezielt auf die gewünschten Ziele. Beides müssen wir kontinuierlich lernen.
„Dein Wille geschehe“ kann man so wie das Herz-Jesu-Gebet als Mantra nutzen, um aus der Zersplitterung in die Vereinigung zu kommen. Mit sich, mit dem Göttlichen - die Vorstellung der Trennung zwischen beiden löst sich nach und nach in Erkennen und Erfahren auf.
„Dein Wille geschehe“ verstehe ich nicht als passiven Wunsch an Gott, es für mich zu richten oder mich konsumierend zurückzulehnen.
„Dein Wille geschehe“, das verstehe ich zurzeit folgendermaßen (auch wenn es etwas schwierig ist, die richtigen Worte dafür zu finden, da es um ein hin-spüren und wahrnehmen geht):
- auf Gott, seine Allmacht, Liebe und Güte vertrauen, sie zu erspüren
- sich in seine Hände geben und die Dinge anzunehmen, wie sie kommen
- nicht mit seinem Ego gegen den göttlichen Willen zu arbeiten, z. B. unheilsame
Dinge leben und pflegen (auch wenn die göttliche Freiheit das ermöglicht)
- sich der Verbindung bewusst zu werden, sie bewusst zu erneuern
#2
Jonas (Montag, 23 Oktober 2017 09: 10)
Zum ersten Bennett Spruch: Viele Menschen haben von sich ein völlig falsches, verbrämtes Bild, indem sie sich als gut, edel, freundlich, ja fast schon perfekt sehen. Die eigene, dunkle Seite (the dark side) wird vollkommen ausgeblendet und damit einer Modifikation/schrittweisen Veränderung unzugänglich gemacht. Unsere hellen, prächtigen Kleider, in denen wir uns so gerne selbst sehen, gibt es so gar nicht, sie existieren bloß in unserer Fantasie. Für Außenstehende, die uns von einer unvoreingenommenen Warte aus betrachten (symbolisiert im Kind), ist das ohne große Schwierigkeiten erkennbar. Der Kaiser ist in Wahrheit nackt, auch wenn er es selbst bislang nicht gesehen hat. Das zu erkennen ist bitter, aber im Sinne einer Veränderung notwendig.
Wenn wir den Mut aufbringen, und den Deckel zu unserer persönlichen Schlangengrube, die ein Teil von uns ist, wegheben und hineinblicken, haben wir schon einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung getan. Es ist zwar zutiefst beängstigend, was wir darin erkennen können, aber wir müssen die Grube ja nicht sofort ausheben. Es genügt, anlassbezogen immer wieder hineinzuleuchten (Introspektion/Verstand), die jeweils erkannte Schlange herauszuholen, sie zu betrachten und sich dann von ihr zu trennen. Nur so kommen wir dann wirklich zu unserem leuchtenden, reinen Gewand.
Noch kurz zur Symbolik, die Bennett anspricht: Das Kind, das in uns selbst lebt, entspricht unserem höheren Selbst, der Kaiser ist das Bild für unsere Alltagspersönlichkeit mit ihrem Egoismus. Märchen greifen oft diese Beziehung auf, in den unterschiedlichsten Bildern.
#3
Clemens (Montag, 23 Oktober 2017 12: 27)
Beim zweiten Spruch finde ich die Frage interessant, WARUM es denn "weit vom Annehmen des Göttlichen Willens bis zur Aufgabe des eigenen ist. "
Vielleicht, weil "Dein Wille geschehe" selektiv ist? Wir müssen immer erst bemerken, dass irgendjemandes Wille tätig ist. Dann können wir zustimmen. Besser, wenn es Gottes Wille ist, dem wir zustimmen. Aber die Hintertür bleibt offen, die Zustimmung eben doch auch mal zu verweigern, oder auch nur einen (seinen) Willen einem Geschehen zugrundezulegen.
Das Aufgeben des Eigenwillens ist da absoluter - wenn wir auch zunächst noch mit einzelnen Willensregungen ringen und sie loslassen üben müssen, werden wir doch letztlich zu einem gänzlichen Aufgeben des Eigenwillens kommen.


20. Oktober 2017
Trinität

Wenn man sich mit den Irrungen und Wirrungen der Christologie und der Dreifaltigkeitslehre auseinandersetzt, dann kann man schnell an einen Punkt kommen, an dem man nur noch den Kopf schüttelt. Ich habe das für mich immer abgekürzt, indem ich für mich schlicht von einer Einheit und Ein-Heit Gottes ausgegangen bin, ohne mögliche Bestandteile abschließend durchdefinieren zu müssen. Eine (eigene) Überlegung - bezogen auf die christlichen Trinitätsvorstellungen - finde ich aber (für mich) interessant und schlüssig:
Gott hat die Trennungswelten in sich und aus sich geschaffen, um Kräften (Erzengelwesen) innerhalb seiner selbst "außerhalb" seiner selbst einen polaren (missverstanden "dualen") Übungs- und Schulungsraum zur Erlangung von Individuation und Selbstbewusstsein zur Verfügung zu stellen. Notwendigerweise, und um das Konstrukt nicht durch seine göttliche, unpolare Einheit gleich wieder zu zerstören, konnte Gott sich nur als polares Spektrum in die Trennungswelten projizieren. Die Endpunkte dieses Spektrums sind der Christus-Logos und der Heilige Geist. Dualistisch gesehen scheinen das dann zwei einzelne, losgelöste Einheiten einer Trinität zu sein, deren dritte eben der außerhalb der Offenbarung in den Trennungswelten verbleibende, ungeoffenbarte, unnennbare, unerkennbare Gott ist.


Kommentare: 4
#1
Diana (Samstag, 21 Oktober 2017 19: 53)
Die im 1. Abs. angesprochen Schwierigkeiten im Umgang mit der Trinität kenne ich auch gut. Die im 2. Abs. formulierte Überlegung finde ich interessant und erhellend, muss sie aber noch in mir bewegen.
#2
Jonas (Sonntag, 22 Oktober 2017 15: 56)
Lieber Clemens, ich stimme Deinen Darstellungen weitestgehend zu.
 Die Überlegung, den Christus Logos und den Heiligen Geist nur als Endpunkte eines polaren, göttlichen Spektrums innerhalb der Trennungswelten zu betrachten, fühlt sich für mich aber nicht ganz stimmig an. Christus Logos und hl. Geist sind (für mich) wesentlich mehr als nur ein Punkt in einem Spektrum, sie repräsentieren jeweils einen ganz konkreten, von einander unterscheidbaren Ausdruck Gottes, obwohl sie natürlich beide Gott SIND ("Der Vater und ich sind eins").
 Der hl. Geist als der alles beLEBENde, dynamische Aspekt Gottes, das Erschaffende und Abbauende. Der Christus Logos als die Gesamtheit der "Selbste", der sich selbst-gewahren und selbst-ausdrückenden Erzengelwesen, die in die Welten der Trennung eingetaucht sind um sich selbst kennenzulernen und sich selbst zu erfahren. Und dadurch gleichzeitig Gott die Möglichkeit geben, dass er sich selbst in sich wiederspiegeln kann und so an sich selbst Freude haben kann.
Wenn also beide polaren Ausdrucksformen Gottes über ein polares Spektrum (und nicht nur über Gott "Vater" außerhalb) miteinander verbunden sind, dann sind sie meines Erachtens nicht nur jeweils ein (End)-Punkt in diesem Spektrum, sondern zwei konzentrierte, verdichtete Gipfelpunkte darin, wie eine Zweispitzigkeit, eine zweifache Kulmination ein- und desselben. Und damit - wie Du ausgeführt hast - Gottes eigene Anpassung an die von ihm geschaffene Polarität (Dualität).
 Leider kann ich es nicht besser in Worte fassen. Was (freudig) klar und eindeutig war, ist in mir wieder verblasst und unzugänglich.
#3
Ruth Gabriel (Sonntag, 22 Oktober 2017 21: 08)
Vielleicht geht es weniger um die Endpunkte des Spektrums und dass sie durch ein Spektrum miteinander verbunden sind, sondern darum, dass sie ein Spektrum BILDEN.
#4
Clemens (Montag, 23 Oktober 2017 12: 18)
Hi Jonas, deutlich überzeugender in Worte gefasst als ich ...Und nächstes Mal auf Erzengelnaturebene gleich mitschreiben. ^^
Das Dilemma scheint mir übrigens ziemlich gleichartig zu sein - also wie das, was auch Gott als Licht von außerhalb der TW (Trennungswelten) innerhalb der TW hat. Was auf der Erzengelnaturebene in der Einheit sofort freudig und schlüssig erkennbar ist, ist in den TW mit den polaren/dualen Mitteln, die uns hier zur Verfügung stehen, vor allem mit unserem derzeitigen Entwicklungsstand nicht recht auszudrücken ...


23. Oktober 2017
Och menno ...

"Nothing matters very much, and few things matter at all. "
Bisher dachte ich immer, dass der Spruch aus dem braunen (heute grünen) Buch von Daski ein Originalzitat von ihm wäre, da er ohne Quellenangabe wiedergegeben ist. Leider muss ich mich wohl von der Vorstellung verabschieden - leider, weil es eines meiner Lieblingszitate von ihm war. Mich mit dem Zitat auf einen britischen Politiker und Premierminister namens Arthur Balfour (1848-1930) zu berufen, fällt mir deutlich schwerer.


25. Oktober 2017
Wasserquali

Jonas (Mittwoch, 25 Oktober 2017 09: 36)
Unsere Fließgewässer werden nicht nur von der industriellen Landwirtschaft mit Pestiziden verschmutzt, sondern zu einem erheblichen Teil auch direkt von uns selbst, und zwar aus Bereichen, die man vielleicht nicht so auf dem Radar hat: Medikamente, Kosmetika, Körperpflegemittel. Das war mir bislang so nicht bewusst.
Falls Euch das Thema interessiert, hier der zugehörige Artikel in der "Zeit":
http: //www. zeit. de/2017/43/trinkwasser-vergiftung-oekotoxikologin-interview


Kommentare: 2
#1
Clemens (Donnerstag, 26 Oktober 2017 14: 51)
Ja, auch das sind Gründe, sich zu reduzieren. Weggelassene Produkte verschmutzen gar nichts. Ansonsten kann man auch Körperpflegeprodukte, Waschmittel, Seifen im Biofachhandel erwerben und dort davon ausgehen, dass sie, wenn nicht schlicht unschädlich, so doch deutlich schadstofffreier sind.
Bei Medikamenten kann man beispielsweise "Antibabypille Grundwasser" in seine Suchmaschine eingeben und wird zahlreiche Artikel finden. Etwa über Verweiblichung von Amphibien oder allgemeiner:
http: //www. spiegel. de/wissenschaft/mensch/rueckstaende-die-grundwasser-zeitbombe-aus-dem-arzneischrank-a-465079. html
und:
http: //wasser-infos. com/medikamente-im-trinkwasser/
#2
Ruth Finder (Donnerstag, 26 Oktober 2017)
"Ab jetzt nur noch Kernseife;-)" gilt mindestens aus zwei Gründen durchaus ernster zu nehmen. Zum einen würden die Gewässer und Wasser entlastet. Zum anderen aber würde der zum großen Teil unsinnige Trend (leider auch im Biosegment) zur Vielfalt der Kosmetik- und Körperhygieneprodukte gestoppt. Wir brauchen (fast) keine Kinder-, Frauen-, Männer-, Senioren - Produktlinien oder extra Mittel für jeden Körperteil und Anlass. ;-)


26. Oktober 2017
Der Tanz

zu "Was fehlt" vom 20. 10. 17:
"Das Risikogesetz besagt auch, wodurch Kompensation möglich ist; grundsätzlich durch das Zusammenwirken mit Prozessen unabhängigen Ursprungs. "
Dass dieses Zusammenwirken über einen Zugang zum HS geschieht, ist eine gute Schlussfolgerung von Simon. Das ist der Tanz der Meister.
In diesem Zusammenhang kam mir eine Geschichte in den Sinn:
Es wurde unter den Chassidim davon gesprochen, dass Rabbi Jakov die Kunst des meisterlichen Tanzes beherrsche. Er sei derjenige, der mit dem Teufel tanze: Ungeachtet dessen, ob der gehörnte Grobian aus dem Takt gerate, den Rabbi zu fest an sich drücke, dazwischengrätsche oder ihm auf die Füße trete, wisse der Zaddik ihn einzubinden und den Tanz elegant fortzuführen. Es wurde auch achtungsvoll geflüstert, der Allmächtige selbst sei sein Tanzlehrer.
(Ruth Finder)

Kommentare: 1
#1
Simon (Freitag, 27 Oktober 2017 16: 15)
Ein Schuh:
Ein Meister des Tanzes lässt sich führen, indem er führt.
Ein Meister des Tanzes führt, indem er sich führen lässt.


27. Oktober 2017
Geschickter Weinberg

Obwohl die Chassidim in Schargorod ein hartes Leben mit vielen Mühen lebten, fanden sie doch auch Zeit zum Feiern. Dabei saßen sie einmal zusammen und sprachen nach dem Essen über die Fabel vom Fuchs, der in einen ummauerten Weinberg gelangen wollte, um dort die süßen Trauben verzehren zu können.
In der Geschichte fand sich nur ein so kleiner Spalt in der Mauer, dass der Fuchs drei Tage fasten musste, bevor er hineingelangen konnte. Drinnen schlug er sich dann mehrfach den Bauch voll und genoss das lustvolle Fressen. Als er aber schließlich hinaus wollte, passte er wieder nicht durch den Spalt und musste erneut lange hungern, bis er den Weinberg verlassen konnte. Draußen verfluchte er den ummauerten Garten, weil man nur genauso ausgehungert herauskönne, wie man hineingelange - er also letztlich zu nichts nütze sei.
Jakov ben Katz fragte seine Chassidim nach möglichen Deutungen der Fabel, blickte alle an und wartete gespannt ...

Kommentare: 7
#1
Ruth Gabriel (Freitag, 27 Oktober 2017 20: 09)
Der kleine Schneur, ein sehr schmächtiger und schüchterner Junge, hustete leise bevor er anfing zu sprechen: „Rebbe, vielleicht kann die Geschichte so verstanden werden, dass wir so, wie wir in die Welt hineingehen sie auch wieder verlassen müssen. Wir können nichts mitnehmen, außer dem Geschmack der süßen Trauben. Diese entsprechen unseren Erfahrungen und dem, was wir auf unserem und durch unseren Weg gelernt haben. Der arme Fuchs. Er weiß davon noch nichts und ist deshalb voller Grimm. “
#2
Clemens (Samstag, 28 Oktober 2017 11: 54)
Der alte Moishe nickte nach diesen Worten vor sich hin. Dann begann auch er zu reden: "Der Fuchs steht hier für das unentwickelte Höhere Selbst. Er muss drei Tage fasten, um durch den schmalen Spalt in dem Weinberg zu gelangen. Das heißt: Er muss sich über drei Ebenen (noetisch, psychisch, grobstofflich) energetisch herunterschrauben, um aus der göttlichen Gegenwart heraus in den Trennungswelten Fleisch zu werden. Dort folgt er zunächst gänzlich ungehemmt seinen animalischen Impulsen.
Am Ende seiner Zeit im Weinberg, als der Fuchs wieder hinaus wollte - es also für das fleischgewordene Selbst ans Sterben ging - musste er wieder fasten. Er musste allen "Gewinn", den er aus dem zügellosen Leben in den Trennungswelten gezogen hatte, aufgrund ihrer weltbedingten Unbeständigkeit aufgeben, loslassen und beim Auszug aus dem Fleisch über den Rückzug aus den drei Ebenen sogar die Erinnerung an sie zurücklassen.
Dem Fuchs scheint es dann außerhalb des Weinberges (der Trennungswelten) aus seiner Perspektive als sinnlos, überhaupt im Weinberg gewesen zu sein. Das Höhere Selbst hat allerdings den göttlichen Vertrag für seine angestrebte Verwandlung schon unterschrieben und wird wieder und wieder in den Weinberg hineinmüssen, bevor es ihm ein Dürfen wird.
Und nach und nach wird das Höhere Selbst aus diesen Inkarnationen auch bleibende Gewinne mitnehmen, die freilich nicht über die animalische Ebene der Alltagspersönlichkeit als dauerhafte Genüsse angelegt sind, sondern in der Veränderung des Höheren Selbstes bestehen: Individuation, Bewusstwerdung als Höheres Selbst, Meisterung der Trennungswelten im Sinne einer zunehmenden Beherrschung ihrer Gesetze, zunehmende Freiheit. "
Dann brummelte Moishe noch ein wenig, nickte wieder und blickte versonnen auf die Tischplatte.
#3
Ruth Finder (Sonntag, 29 Oktober 2017 12: 08)
Levi saß mit rotem Kopf in der Ecke. Das entging dem Rabbi nicht. Von ihm darauf angesprochen, sprudelte es nur so aus dem jungen Mann heraus:
"Oh, dieser Fuchs! Als ob ich mir mich selbst angeschaut habe! Man hat doch alles, was man braucht, trotzdem schielt man immer auf etwas und begehrt es, und tut alles, um dieses auch zu kriegen. Da aber das Begehrte einem nicht zusteht, tut man das oft auf verstohlene Weise. Und bekommt man das Erwünschte, dann kriegt man nicht genug davon, und nimmt unentwegt ohne Sinn und Verstand. Und wird man in seiner Unbeständigkeit und Beschränktheit dessen überdrüssig, sucht man etwas anderes oder wieder das Alte, und lässt dafür alles fahren und schimpft undankbar auf das davor Willkommene und sieht keinen Nutzen mehr darin.
Unbeständigkeit, Begierde, Unehrlichkeit, Maßlosigkeit, Undankbarkeit, Unbelehrbarkeit - Gott allmächtiger, bewahre!"
#4
Ruth Finder (Sonntag, 29 Oktober 2017 12: 26)
Da seufzte Jakov, der schon länger bei dem Rabbi in die Lehre ging, und sagte:

"Der arme Fuchs! Durch Gnade und etwas eigenes Zutun hatte er was besonderes erlebt und wusste am Ende nichts damit anzufangen!

Wie oft kehren wir mit dem neu Gewonnenen zu den alten, dafür zu eng gewordenen Bahnen zurück - dies geschieht aber nicht ohne dieses Neue arg zu beschneiden, es verblasst und es wird nicht angewandt - statt uns mit Hilfe dessen auf die Suche nach anderen, breiteren, dem neu gekosteten Zustand entsprechend würdigeren Wegen aufzumachen!"
#5
Jonas (Sonntag, 29 Oktober 2017 14: 30)
Und irgendwann, nach unzählbaren Runden des Durchzwängens durch die Mauer, des lustvollen Fressens im Weingarten und des abgemagerten Verlassens desselben, erkennt der Fuchs, dass es ihm möglich ist, auch direkt über die Mauer zu springen und so jederzeit in den Weinberg hinein- und herauszuwechseln. Es geht ihm dann aber nicht mehr um die süßen Trauben, von denen er sich mittlerweile schon abgegessen hat. Es sind die anderen Füchse, die sich im Weingarten befinden, denen er helfen will und die er ermutigt, andere Wege zu gehen.
#6
Ruth Finder (Sonntag, 29 Oktober 2017 18: 53)
Von dem "fruchtigen" Gesprächsthema nichts ahnend, brachte Perle eine Schüssel Trauben aus dem eigenen Garten in die Schul vorbei.

Auf einmal herrschte ein betretenes Schweigen in der Runde und keiner der Schüler traute sich, von den saftigen Früchtchen zu kosten.

Perle wandte sich dem Rabbi zu und fragte ihn misstrauisch: "Jakov, du alter Fuchs! Was hast du denn hier wieder alles erzählt?"

Kurze Pause und dann ...ging das erlösende Gelächter los und das freudvolle Naschen begann.
#7
Simon (Sonntag, 29 Oktober 2017 22: 12)
Nach endlosem Hin und Her, hielt der Fuchs inne - verdrehte die Augen und lachte in sich hinein, denn er wusste nicht mehr mit Bestimmtheit zu sagen, bin ich jetzt der Fuchs oder der Weinberg.


30. Oktober 2017
Feuertod

Die erste dokumentierte "Ketzer"-Verbrennung im mittelalterlichen Europa fand 1022 in Orléans statt. Die Prälatenversammlung der sog. Synode von Orléans verdammte eine "gnostisch geprägte Gruppierung aus der Oberschicht, dem 'Intellektuellenmillieu'" (Karlheinz Deschner), zum Feuertod. Dreizehn "Personen aus Adel und Klerus, Laien, Kanoniker, Lehrer der Domschule, Nonnen" und Etienne, den ehemaligen "Beichtvater der Königin Konstanze von Arles, die ihm jetzt noch, so königlich wie katholisch, mit einem Stock das Auge ausstößt. "
Die Gruppe verwirft "Taufe und Kommunion, Priesterweihe, Messe, Sündenabsolution, die Ehe, das Fleischessen, auch Kirchenbauten und die Bischofsgewalt. Auf die Behauptung, Christi Auferstehung sei wirklich geschehen, entgegnen sie: 'Wir waren nicht dabei, und wir können nicht glauben, dass es wahr ist. ' Und sie bemerken zur Jungfrauengeburt: 'Was gegen die Natur ist, ist niemals in Harmonie mit dem Schöpfer. '"
Die "Gruppe bevorzugte (nach Wikipedia - "Häresie von Orléans") eine innere spirituelle Suche, begleitet von strenger Askese". (Askese heißt wie gesagt "Übung")
Nur zwei der Verurteilten, ein Kleriker und eine Nonne, schworen ab und entgingen so dem Tod. Die anderen wurden lebendig verbrannt ...
Unglaublich sowohl, dass sich die Gruppe verbrennen ließ, als auch, dass sie tatsächlich verbrannt wurde - eine dermaßen schlimme und bestialische Todesart, dass mir bei der Vorstellung schwarz vor Augen wird. Danach nutzte die Kirche diese saubere Methode praktisch sieben Jahrhunderte lang ohne zu zögern in ganz Europa und darüber hinaus.
Was für eine Konsequenz und Glaubensstärke (-verbohrtheit? -verblendung?) müssen "Ketzer" gehabt haben, dass es in den Folgejahren sogar eine beliebte Probe für die Ketzerverurteilung war, dass man von ihnen verlangte, dass sie ein Küken oder ein Huhn töten sollten. Sträubten sie sich, gingen sie ins Feuer! Und sie sträubten sich!

Kommentare: 1
#1
Ruth Gabriel (Mittwoch, 01 November 2017 10: 50)
Ich habe gerade einen historischen Roman aus der Zeit der Reformation in England unter Thomas Cromwell gelesen. Auch hier grausame Methoden und absolute Ansichten. Und letzten Endes ...“bleibt der Trog immer der gleiche. Nur die Schweine drumherum sind andere. “


30. Oktober 2017
Martin Buber - Zitate

"Trotz aller Ähnlichkeiten zwischen den Situationen des Lebens besitzt jede einzelne, wie ein Neugeborenes, ein eigenes, unverwechselbares Gesicht, das vorher nie da war und das nie wieder auftauchen wird. Sie fordert Dir eine Reaktion ab, die Du nicht vorbereiten kannst. Sie fordert nichts Vergangenes, sie fordert Gegenwart, Verantwortung ...Dich. " "Wenn es einen Teufel gäbe, dann wäre es keiner, der sich gegen Gott entschieden hat, sondern einer, der in aller Ewigkeit zu keiner Entscheidung kommt ...Das Böse ist ein Wirbelsturm, das Gute hat eine Richtung. " "Mit sich beginnen, aber nicht bei sich enden, bei sich anfangen, aber nicht sich selbst zum Ziel haben ...Jeder soll sich erkennen, soll sich vervollkommnen, aber nicht um seiner selbst willen - auch nicht um eines vorübergehenden Glücks willen oder um ewige Seligkeit zu erlangen - sondern um der Arbeit willen, die er auf dieser Welt ausführen muss. " "Der Mensch kann sich dem Göttlichen nicht nähern, indem er über das Menschliche hinausgeht: Er kann es erreichen, indem er selbst menschlich wird. Ein Mensch zu werden, ist das, wozu der einzelne geschaffen wurde. "

(Ruth Finder)

Kommentare: 1
#1
Diana (Dienstag, 31 Oktober 2017 13: 14)
zu Zitat 1:
Das ist die Herausforderung, der Weg und das Ziel, so wach und klar zu sein, dass man nicht schablonenhaft lebt und reagiert, sondern immer aus dem jeweiligen Moment, der Gegenwart heraus handelt. Jeder Moment ist ein frischer, neuer, so wie jeder Atemzug ein neuer ist. Das muss unbeschreiblich schön sein, wenn man alles sieht, wie es ist, in seiner Einzigartigkeit erkennt und sich nackt und bloß den Dingen stellen kann, ohne dass es ein „sich den Dingen stellen“ ist. Chögyam Trungpa beschreibt es (frei zitiert) mit einem zarten, lauteren und mutigen Herz, sich in seiner Verwundbarkeit zu zeigen (vor sich und allen anderen) und nichts zwischen sich und die Welt zu legen.


01. November 2017
Schrödingers Katze

Unsere Lage innerhalb der Trennungswelten ist eine Art umgekehrtes Schrödingers-Katze-Problem. Bei Schrödingers Katze - sie ist in einer Kiste eingesperrt, in der sich mit ihr eine zufallsgesteuerte Tötungsmaschine befindet - lässt sich von außen auf keine Weise feststellen, ob die Katze lebt oder tot ist. Sie befindet sich für den Betrachter in einem sowohl/als auch-Zustand.
Bei uns innerhalb der TW ist es anders herum insofern, dass wir, solange wir innerhalb gefangen sind, keinerlei absolute Gewissheiten über eine Unzahl von Fragen erlangen können: Ist das Universum sinnhaft oder nicht? Gibt es ein Weiterleben nach dem Tod? Existiert Gott? Ist jemand spirituell entwickelter als ein anderer? Alle möglichen Antworten sind gut begründbar anzweifelbar bzw. nicht zu beweisen.
Die Lösung ist auch (umgekehrt) ähnlich wie bei Schrödingers Katze. Bei ihr muss man in die Kiste hinein, um festzustellen, ob sie lebt oder tot ist.
Bei uns in den TW muss man aus den TW hinaus, um schrittweise die existenziellen Fragen beantworten zu können. Dies geschieht (wenn es denn geschieht, und das aufgrund des Basisproblems muss jeder einzelne für sich selbst herausfinden), indem man sich auf Ebenen des HS bewusst wird, die außerhalb der Trennungswelten liegen. Die dort gemachten/erlangten Erfahrungen/Eindrücke können dann auch innerhalb der TW sukzessive zu Gewissheiten werden und zu zunehmender Klarheit führen.
Vor der Erfahrung ist dies eine sinnvolle Arbeitshypothese. Die Erfahrung wird zum (subjektiven) Beweis.


02. November 2017
Was heißt denn das?

Uns geziemen drei Dinge:
Ein aufrechtes Knien.
Ein lautloser Schrei.
Ein unbewegter Tanz.

Macht Spaß, das einmal durchzudenken.

Kommentare: 3
#1
Clemens (Donnerstag, 02 November 2017 19: 13)
Uns geziemen drei Dinge:
Ein aufrechtes Knien.
Ein lautloser Schrei.
Ein unbewegter Tanz.
Mal eng am Wort:
Knien kann man u. a. demütig, flehend oder auch erschöpft. Aufrecht kann "ehrlich", "wahrhaftig" bedeuten. Oder "die Haltung bewahrend", "würdevoll".
Wahrhaftig demütig oder flehend sein - also nicht nur formal knien, sondern auch mit der entsprechenden inneren Haltung. Bei "würdevoll demütig" wird es interessant. Man kann nicht mehr leichthin "geht!" sagen. Aber auch nicht verneinen. Würdevoll demütig ist ein seltsamer Zustand. Die Würde wird gerade aus der Demut gezogen. Sogar freudige Würde ist denkbar.
Würdevoll erschöpft die Haltung bewahren. Geht auch. Ehrlich auch, aber nur, weil das Gegenteil "unehrlich erschöpft" gar nicht funktioniert. Klar, Erschöpfung kann simuliert werden, aber dann ist sie ja auch keine.
Und warum erschöpft? Vom Beschreiten des Weges? Seinen Schwierigkeiten? Fährnissen? Widerständen (auch eigenen)? Da kann man schon mal ehrlich und würdevoll in die Knie gehen! Aber die aufrechte Haltung treibt auch wieder auf die Füße. Erst "mors est quies viatoris" - für eine kleine Weile!
Unterm Strich: Uns geziemt vor allem innere Demut - möglicherweise mit der äußeren Form der Übung des Kniens. Oder auch mit der äußeren Botschaft des Kniens. Hier ist die Gefahr der Unehrlichkeit aber noch größer. Also noch mehr Selbst-Aufmerksamkeit nötig. Würdevoll als Zugabe darf gerne sein. Entsteht wohl sogar automatisch, wenn innere Demut mit der äußeren Form zusammenkommen.
Nach diesen Überlegungen kann man dann wieder kurz sagen: Uns geziemt ein aufrechtes Knien! Oder sogar: "Kniet!"
So kann man auch die nächsten zwei Zeilen angehen.
#2
Ruth Finder (Donnerstag, 02 November 2017 20: 22)
In der Tat geht es meines Erachtens im Spruch von Menachem Mendel von Worki allgemein um eine demütige Haltung. Darum, dass man sein Ego zum Schweigen bringt, dass man sich nicht exponiert. Es geht um "sehen, aber NICHT gesehen werden". Verwirklichen im und bewirken aus dem Verborgenen.
Und:
Der Mensch ist beides - menschlicher und göttlicher Natur. "Knien", "schreien", "tanzen" sind seine Aufgaben auf Erden, die mit göttlichen Attributen "aufrecht", "lautlos", "unbewegt" verbunden werden müssen bzw. in ihnen aufgehen.
Der folgende, ja schon bekannte Spruch kann AUCH als Kommentar zu Menachem Mendel gelesen werden (So wie ich seinerzeit M. Porete mit Menachem Mendel kommentierte):
"Ein sehr langer Weg führt aus dem Land der Tugenden, in dem die Verirrten sich aufhalten, zu demjenigen der Vergessenen und der vernichtigten Nackten oder der Verklärten, die sich im höchsten Zustand befinden, da wo Gott in ihm selbst, aus ihm selbst gelassen wird. Er wird dann von jenen Kreaturen nicht erkannt, nicht geliebt und nicht gelobt, einzig nur insofern man ihn nicht erkennen, nicht lieben und nicht loben kann: Das ist der Inbegriff ihrer ganzen Liebe und das letzte Stück des Weges. "
(Marguerite Porete)
#3
Jonas (Freitag, 03 November 2017 11: 24)
Ja Ruth und Clemens, ihr habt es wunderbar ausgedrückt -danke, es ist die "quies" oder "requies", die Ruhe, die Rast, die Wüste, das Nichts, das wir in uns finden und mit dem wir uns rück-verbinden müssen. Und aus dieser permanenten Verbindung heraus im Sein der Gegenwart Gottes aktiv in den Welten der Trennung handeln (knien, schreien und tanzen). Es ist (für mich) definitiv das letzte Stück des Weges, der hier zu gehen ist, in ihm münden vorher schon alle anderen Wege ein.


03. November 2017
Lukas 18. 29-30

"Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlassen hat um des Reiches Gottes willen, der nicht Vielfältiges empfangen wird in dieser Zeit und in dem kommenden Zeitalter ewiges Leben. "
Dieser Satz schien mir früher immer recht klar dem hinduistisch/buddhistischen "Zug in die Hauslosigkeit" zu entsprechen. Dem "Verschenke Dein Geld an die Armen und folge mir nach" Christi. Heute ist mir klar geworden, dass es auch bedeuten kann, dass wir uns innerlich von ihnen entfernen, wenn sie und ihre Belange dem spirituellen Pfad im Wege stehen bzw. sie andere Wege beschreiten. Das muss keineswegs bedeuten, dass man sich gar nicht mehr kümmert. Es bedeutet dann, dass man eine graduell passende Distanzierung nebst stärkerer Priorisierung der eigenen Belange vornimmt. Dazu der Verweis auf die damit verbundenen Segnungen, an denen man, wo gewünscht und/oder möglich und passend, auch wieder "Haus, Frau, Brüder, Eltern und Kinder" teilhaben lassen kann - so dass sogar deren scheinbarer Verlust durch den Gewinn mehr als aufgehoben wäre.


03. November 2017
Johanneskirche

Ich meine, ich habe mal bei einem Daskalosschüler (Paul S. ) gelesen, dass Daskalos zwischen der Paulus-Kirche und der Johannes-Kirche unterschieden habe.
Die Paulus-Kirche wäre die Weltkirche, die über die Form und das formale Genügen den Zugang zum Himmelreich erreichen/erzwingen/verwalten will. Die Johannes-Kirche (Johannes, der "Meistgeliebte") wäre da die "innere" Kirche des esoterischen Christentums.
Kulturkreisbedingt scheint mir Daskalos da von Christentum bzw. Paulus-Kirche gesprochen zu haben, wo wir von Religionen sprechen. Von esoterischem Christentum bzw. Johannes-Kirche sprach er, wo wir von Spiritualität sprechen würden. Oder enger oder höher gefasst von der ESG als "inmost Circles" (innerste Kreise) dieser Spiritualität.


04. November 2017
Gebote

Ein Witz kursierte scheinbar über Jahrzehnte oder länger unter den jungen Schülern in den Schulen der Chassidim. Vielleicht gab es ihn schon Jahrhunderte oder gar Jahrtausende, dachte Jakov ben Katz bei sich, und musste immer an seine eigene Jugend denken und innerlich lächeln - in diesem Fall natürlich bei strengem äußeren Gesichtsausdruck - wenn er in der Schul die Jüngsten unter sich tuscheln hörte: "Was passiert, wenn du eines der zehn Gebote brichst?"
"Dann sind es nur noch neun!"


04. November 2017
Funkengeschwister

Wie heißt es bei Matthäus 10. 7 und an anderen Stellen? „Das Himmelreich (in anderen Übersetzungen „das Reich Gottes“) ist nahe herbeigekommen. “ Was heißt das?
Es ist eine spirituelle Wahrheit mit verschiedenen Gültigkeitsebenen. Lukas 17. 21 gibt es auch unterschiedlich übersetzt: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch. “ Oder auch: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch. “
Inwendig in uns fühlbar ist es spätestens mit der Aspiranz zumindest im kleinsten als Fünklein – und kann dort je nach Entwicklung auch stärkere und größere Präsenz gewinnen.
„Zwischen uns“ ist es zumindest, wenn wir andere Aspis und die SpirGem als Realitäten erkennen – letztlich ohne Einfluss durch die Distanzen. Im weiteren erkennen wir sogar das Reich Gottes zwischen allen Menschen!
Im Höchsten bedeutet die Nähe des Reiches Gottes auch die Nähe Gottes selbst.
Das sind unvergängliche Schätze. Sie fordern aber alle auch eine gewisse Disziplin(ierung) der AP, die eben immer die Neigung hat, sich hängen zu lassen und diese Realitäten aus den Augen zu verlieren.
Eine freudvolle Grundhaltung wird wohl auch mal für eine Weile geschenkt, wenn der Vati (Abba) dem Kindchen unter die Arme greift und ihm das Gehen zeigt, aber er wird als guter Vati das Kindchen auch immer wieder loslassen, damit es lernt, alleine zu gehen.
Die freudvolle Grundhaltung muss also auch erworben, erarbeitet werden – sonst wird sie zu keiner eigenen, inneren Haltung und bleibt immer eine Bedürftigkeit.


09. November 2017
Wer's glaubt!

Gestern las ich eine erstaunliche Werbeaussage eines Billigdiscounters:
"Beste Qualität, niedrigste Preise. "
Das kann man doch wirklich nur glauben, wenn man es glauben will. Wenn man für ein Waffensystem werben wollte, könnte man es da auch mit "Maximale Wirkung, minimale Opferzahlen" tun. Oder für künstliche Befruchtung mit "Höchstmögliche Kinderzahl, geringste Schwangerschaftsprobleme. "


09. November 2017
Barmherzigkeit

Bei meiner Auseinandersetzung mit dem Begriff „Barmherzigkeit“ bin ich auf das folgende interessante Zitat gestoßen:

„Vom Standpunkt der Ewigkeit gilt: Die Hauptsache ist nicht, dass der Not auf jegliche Weise abgeholfen werde, sondern dass Barmherzigkeit geübt wird. “

(Kierkegaard, "Der Liebe Tun")

Das Wort „Barmherzigkeit“ kommt einer These zufolge aus dem Lateinischen und bedeutet so etwas wie „der ein Herz für die Armen hat“.
Einer anderen These zufolge leitet es sich vom althochdeutschen, altenglischen und altindischen ab und bedeutet Schoß, Busen, Unterhalt, Pflege, tragen, halten, erhalten, hegen, ernähren.
Allen gemeinsam ist, dass sie eine innere Haltung beschreiben, die den Anderen voller Liebe sieht und aus der wahrhaftiges Bemühen um das Wohlergehen des Anderen erwächst. Diese Haltung führt, im Gegensatz zur bloßen Abhilfe der Not, zu einer Veränderung des Wesentlichen. Und damit auch zu einem völlig anderen Tun.
Unter schlimmsten Bedingungen billig produzierte Kleidung, Vergeudung wertvoller Rohstoffe, Vernichtung von Lebensraum und Artenvielfalt, Massentierhaltung, Umweltverschmutzung, gnadenloses Wirtschaftswachstum ...- mit tief empfundener Liebe zu unseren Mitmenschen und unserer Umwelt nicht vereinbar.
Deshalb tun wir gut daran, unsere Liebesfähigkeit immer mehr zu erweitern und Barmherzigkeit zu üben, anstatt allein an den Symptomen unseres Egoismus' herumzudoktern.
„Reinige unsere Herzen, damit wir Deine Liebe zu Dir und zu all unseren Mitmenschen widerspiegeln können. “
(Ruth Gabriel)

Kommentare: 2
#1
Diana (Donnerstag, 09 November 2017 21: 48)
Barmherzigkeit erscheint mir auch als ein sehr zentraler Begriff, den es zu erfassen und zu leben gilt. Der Begriff verweist darauf, dass wir als Sünder in unserer Sündhaftigkeit angenommen werden müssen – wir müssen unsere Sündhaftigkeit erkennen, uns selbst damit annehmen. Vermutlich ist das aber nur durch die vorausgehende Barmherzigkeit und Annahme anderer möglich, die diese göttliche Eigenschaft schon mehr in sich verwirklicht haben, sozusagen als Stellvertreter Gottes, und natürlich durch Gottes Barmherzigkeit selbst. So wie wir dies dann auch bei anderen leben müssen. Erkennt man seine Sündhaftigkeit und sein leidvolles, erbarmungswürdiges Dasein, ist das ein sehr wichtiger Schritt, ein anfängliches und größer werdendes Erkennen seiner Sünden – Sünden im Sinne von Verfehlungen, Verblendungen, Egoifizierung - was so als Wegarbeit anliegt. Und das entblättert sich ja immer mehr und feiner.
Interessant ist bei dem Begriff Barmherzigkeit auch,
- dass Barmherzigkeit im jüdischen auf Mutterschoß/ Gebärmutter hinweist (verweist vielleicht auf Gott als unseren Ursprung, und dass er uns die Möglichkeit der Bewusstwerdung durch den Abstieg in die materielle Existenz gibt – Geburt)
- dass „Allerbarmer“ (Ar-Rahman, einer der Namen Allahs) zusammen mit Allbarmherziger (Ar-Rahim), der häufigste im Koran vorkommende Name Gottes ist. Beide Namen stammen von der gleichen Wortwurzel ab und beschreiben die immerwährende Liebe Gottes, die dem Menschen zuteilwerden kann, wenn er sie annimmt.
Das macht die hohe Bedeutung von Barmherzigkeit deutlich, da sie eine grundlegende Eigenschaft Gottes ist, d. h. wenn wir Barmherzigkeit verwirklichen, entwickeln und spiegeln wir direkt das Göttliche in uns.

Der Hinweis von R. G. bei Barmherzigkeit auf die immer katastrophaleren Auswirkungen von Konsum, Überbevölkerung und kapitalistischer Ausbeutung ist sehr interessant. Man könnte hier z. B. überlegen, was die sieben leiblichen und geistigen Werke der Barmherzigkeit der katholischen Kirche übertragen auf die heutige Situation bedeuten könnten.
Die sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit
• Die Hungrigen speisen.
• Den Dürstenden zu trinken geben.
• Die Nackten bekleiden.
• Die Fremden aufnehmen.
• Die Kranken besuchen.
• Die Gefangenen besuchen.
Die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit
• Die Unwissenden lehren.
• Den Zweifelnden recht raten.
• Die Betrübten trösten.
• Die Sünder zurechtweisen.
• Die Lästigen geduldig ertragen.
• Denen, die uns beleidigen, gerne verzeihen.
• Für die Lebenden und die Toten beten.
#2
Jonas (Montag, 13 November 2017 09: 43)
Vielen Dank an Euch beide für die Ausarbeitung, mir war nicht bewusst, wie weitreichend und tiefgehend die Bedeutung der Barmherzigkeit für unseren Weg ist. Gestattet mir noch zwei kleine Ergänzungen dazu:

Für alle Latein-affinen Kreisler (oder bin ich da etwa der Einzige? ^^), die das interessiert und die in die Wortbedeutung tiefer eintauchen/hineinspüren möchten:
Barmherzigkeit = misericordia, setzt sich zusammen aus miser = elender, unglücklicher, armer Mensch, und cor = Herz, Gemüt, Seele - also der Herzens-/Gemüts-/Seelenzustand, den ich einem leidenden Menschen entgegenbringe.
Das lateinische Wort cor für Herz könnte auf dem ägyptisches Wort für Liebe basieren, denn Daskalos schreibt im Buch "Symbol des Lebens" über den ägyptischen Adepten Kor Aton, dessen Name übersetzt heißt: der, den Gott liebt. Worauf ich hinaus will ist, dass der Begriff des Herzens auf die Liebe hinweist, die die Essenz der Barmherzigkeit ausmacht.
Punkt 7 der leiblichen Werke der Barmherzigkeit wäre noch, die Toten zu bestatten. Den Punkt könnte man aber auch ohne weiteres unter den geistigen Werken einordnen, in dem Sinne, dass man sich von den eigenen Toten - lebensverneinende, von Gott wegführende Elementale - dauerhaft trennt.


09. November 2017
Denken

Eines Vordenkers, der nicht zum Nachdenken und Weiterdenken anregt,
ist häufig mit Weitsicht, vielleicht mit Nachsicht und immer mit Vorsicht zu gedenken.


16. November 2017
Wiedergabe von Diana I

Shivapura Baba erzählt John G. Bennett folgende Geschichte:

Einmal lag eine Schlange auf dem Weg. Sie biß alle Leute. Ein Yogi ging vorüber. Die Schlange wollte auch ihn beißen. Der Yogi sagte: „Nein, das ist Sünde, beiß mich nicht. “ Die Schlange antwortete: „Was ist Sünde?“ Der Yogi erklärte es. Die Schlange war betroffen. „Was soll ich tun?“ fragte sie. Der Yogi sagte: „Beiß niemanden mehr, bleib ruhig an deinem Platz und nimm den Namen Gottes an. “ Mit diesen Worten ging er davon.

Die Schlange blieb an jenem Platz und begann den Namen Gottes zu wiederholen. Einige Kinder kamen auf jenem Weg entlang. Sie sahen die Schlange. Sie griffen Steine und warfen sie auf die Schlange. Einige boshafte Kinder faßten sie am Schwanz und schleuderten sie weg. Sie stand kurz vor dem Tod.

 Der Yogi kehrte zurück und die Schlange rief ihn. „Was für ein Mensch bist du. Was hast du mich gelehrt? Jetzt muß ich sterben. Warum hast du mir diesen Unsinn beigebracht?“ Der Yogi sagte: „Nein, nein. Es ist dein eigener Fehler. Warum bist du am gleichen Platz geblieben? Warum bist du nicht in dein Loch gekrochen? Niemand hätte dich gesehen. Ich sagte dir, du solltest die Leute nicht beißen. Wenn Leute kommen und dich belästigen, warum richtest du dich dann nicht auf und scheuchst sie davon? Ich sagte dir, du sollst nicht beißen, das ist alles. Sie werden weglaufen. Du konntest deinen Verstand nicht gebrauchen, deshalb bist du in Not geraten. “


16. November 2017
Wiedergabe von Diana II

Shivapura Baba erzählt John G. Bennett folgende Geschichte:

Es gibt die Geschichte eines Jungen namens Dhruva. Da er sehr empfindsam war, schickte ihn seine Stiefmutter fort; er ging in den Wald. Dann saß er unter einem Baum und er wollte Gott schauen.

Da kam ein Heiliger vorbei und sagte: „Du bist sehr jung, du wirst nicht zu Gott finden. “
Der Junge antwortete: „Nein, nein, sprecht nicht so. Sagt mir, wo ich Gott sehen kann. “
Der Heilige sagte: „Ich werde gehen und Gott fragen und dir seine Antwort geben. “

Der Heilige ging also und suchte Gott auf und sagte ihm, was der Junge gefragt hatte.
Dann sprach Gott: „Ich werde nicht zu ihm gehen, es wird lange dauern, bis ich zu ihm gehe. Er sitzt unter einem Baum. Sag ihm, er soll die Blätter an jenem Baum zählen. Ebenso viele Leben muß er hinter sich bringen, dann erst werde ich zu ihm gehen. “

Der Heilige kehrte zurück und sagte dem Jungen: „Es ist zwecklos, hier zu sitzen. So viele Leben wirst du abschließen müssen, dann erst wirst du Gott sehen. “

Der Junge sagte: „Gut, wenn ich all diese Leben hinter mich bringe, wird er zu mir kommen, diese Zusicherung hast du mir gegeben. Damit bin ich zufrieden. “

Er blieb dort sitzen.

Dann wollte Gott ihn prüfen. Er nahm die Form eines Löwen an und begann wild zu brüllen und näherte sich dem Jungen. Dieser sah den Löwen und sagte: „Oh Löwe, komm rasch her und friß mich auf. Ein Leben ist vorüber. Ich bin Gott näher. “

Keine Furcht, nichts dergleichen in ihm. Er wollte nur Gott, da offenbarte sich Gott ihm gleich.

Kommentare: 1
#1
Simon (Mittwoch, 22 November 2017 16: 28)
Spontan viel mir dazu dieser Spruch ein:
"Sich Hingeben ist fast immer auch ein Aufgeben,
ein Aufgeben aber selten ein Hingeben. "


21. November 2017
Schwer machen

Buch: "Wie man anderen das Leben schwer macht" von Dietmar Bittrich. Passender Name auch! Im Werk kurze Anmerkungen wie: "Es gibt keine angenehmere Ermunterung als das Missgeschick der besten Freundin" (Anne Bancroft).
Viele Sätze sind spontan erheiternd - obwohl sie offensichtlich auf eine Art falsch sind. Warum erheiternd? Weil sie Widerhall in uns finden. Obwohl man also (groß?)teils von manchen Blickwinkeln frei sein mag, ist man eben doch noch nicht ganz frei. Und diese Restelementale werden gekitzelt. Oder?
Lob macht schlechte Menschen noch schlechter und gute unerträglich. (Hermann Hesse)
Wer seinen Nächsten liebt, kommt beim Übernächsten schon ans Ende. (Robert Musil)
Egoist: Person minderen Geschmacks, mehr an sich interessiert als an mir. (Ambrose Bierce)
Um mit anderen in Harmonie zu leben, muss man sehr weit weg von ihnen wohnen. (Emily Bronte)
Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben so trübsinnig machen. (Jack London)
Guter Rat hilft immerhin demjenigen, der ihn erteilt. (Baltasar Gracian)


22. November 2017
Schwer machen II

Wie herrlich, dass es so viele Menschen gibt, an die man nicht zu denken braucht.
(Charles Dickens)
Man kann mit jedem Menschen reden. Die Kunst besteht darin, es zu vermeiden.
(Madame Pompadour)
Dein Schweigen ist so tiefsinnig, dass man wünscht, es möge niemals enden.
(Karl Valentin)
Tief in jedem Menschen steckt etwas, das noch uninteressanter ist als sein Äußeres.
(George Sand)
Wer zufrieden ist, macht etwas falsch.
Bernhard von Clairvaux)
Keiner soll hungern, ohne zu frieren.
(Claire Waldorff)
Des Nachbarn Garten wird verbessert, wenn dein Hund ihn täglich wässert.
(Wolfgang Neuss)


23. November 2017
Schwer machen III

Die charmanteste Art, auf Umweltprobleme aufmerksam zu machen, ist Abfall in die Natur zu streuen.
(George Burns)
Der Erfolg naher Freunde ist bitter - besonders, wenn man ihn hätte verhindern können.
(Howard Hughes)
Wirst du freundlich aufgenommen, musst du nicht gleich wiederkommen.
(friesisches Sprichwort)
Gastfreundschaft ist die Kunst, seine Besucher zum Aufbruch zu veranlassen.
(spanische Weisheit)
Hoffnung ist nicht die Erwartung, dass etwas gut ausgeht, sondern dass andere es ausbaden müssen.
(Walter Ulbricht)
Wer einmal von einem Seil gebissen wurde, traut keiner Schlange mehr.
(Zen-Spruch)
Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn mein Mann ihn begeht.
(Patricia Cornwell)


26. November 2017
Sagen

Wieder einmal trafen sich auf der Strasse die Schüler des Rabbi Jakov ben Katz und die der gegnerischen Seite. Die Mitnagdim fingen sogleich an, die Vorzüge ihres Rabbis zu preisen - im Besonderen dessen Redegewandtheit. Ihr Rabbi rede oft und gern nicht nur zu den Seinigen in der Schul, sondern auch zum einfachen Volke auf der Strasse, sagten sie. Rabbi Jakov ben Katz hingegen sei nur selten zu hören. Es sei nicht so, dass sie sein Sprechen vermissen würden, aber wie denn wohl die Grabesstille in seiner Schul auszuhalten wäre. So spotteten sie laut und frech.
Die Schüler des Rabbi Jakov antworteten kurz und knapp: "Reden schwingen kann jeder, aber wahrhaft etwas zu sagen, das haben nur einige wenige. "
(Ruth Finder)

Kommentare: 3
#1
Diana (Montag, 27 November 2017 17: 35)
So ist es. Mehr muss man dem eigentlich nicht mehr hinzufügen : -)
Außer vielleicht, dass man im Zuge der Wegarbeit lernen muss, wann es sinnvoll ist zu reden und wann zu schweigen. Und was man sagen sollte und was nicht. Und wieviel. Die unmodifizierte AP nutzt, wenn sie kann, alles für ihre Zwecke und definiert es dann nach Belieben zu dem, was ihr gerade dient. Nicht umsonst ist das Reden bei Daskalos eine Betrachtsebene bei der abendlichen Innenschau.
Und nicht zu unterschätzen ist neben der Bedeutung der Sachebene der Kommunikation (rechtes Reden, Richtigkeit des gesprochenen Wortes) auch die Beziehungsebene. Was wir reden, wie, wann und was nicht, vergrößert oder vermindert individuelle und gemeinsame Entwicklungsmöglichkeiten. Reden oder Schweigen muss einer Öffnung für- und zueinander ermöglichen, um sich wahrhaftig begegnen zu können.
#2
Diana (Dienstag, 28 November 2017 10: 18)
Oder wie Laozi sagte:
"Wissender redet nicht,
Redender weiß nicht. "
#3
Simon (Samstag, 09 Dezember 2017 00: 04)
Besser als tausend Worte ohne Sinn ist ein einziges vernünftiges Wort,
das dem, der es hört, Ruhe schenken kann.
(Buddha)


28. November 2017
Gedankenwünsche

Man präge Wunschelementale für sich und andere freilassend, wobei man keine feste Formulierung benutze, da man dann leicht in Mechanik hineinrutscht. Auf sich bezogen würde man etwa erst einmal den Wunsch formulieren und seinen Überlegungen entsprechend begründen. Dann würde man den Wunsch in den karmischen Kontext der Möglichkeiten und des göttlichen Willens und seiner Gnade stellen. Dann noch den Wunsch dahingehend relativieren, dass man seine Erfüllung nur für den Fall erbittet, dass die Erfüllung auch zu seinem Wohle (und seiner Mitmenschen etc.) geschehen kann.
Das Elemental kann immer wieder sowohl vitalisiert als auch partiell neu geprägt werden (da die Formulierung ja nicht ganz identisch sein kann, wenn man keine feste Formulierung benutzt - und auch die jeweilige innere Haltung wird immer zumindest leicht unterschiedlich sein).
Neuvitalisierungen sollten allerdings nicht zwanghaft werden und sich in einem gesunden Rhythmus ergeben. Wie beim Brot backen: kneten - und dann den Teig ein paar Stunden gehen lassen.
Intensiv- und Dauerprägungen gehen zwar auch, aber dann aus der Freiheit des Entschlusses heraus, eben dies zu tun. Nicht, weil man nicht davon loskommt.
Wünschen und loslassen - so verhindert man Anhaften und Enttäuschungen. Wir legen die Wünsche in Gottes Hand.

Kommentare: 1
#1
Clemens (Dienstag, 28 November 2017 15: 00)
Übrigens ist diese innere Haltung auch bei der Heilungsarbeit einzunehmen und auch dem "Patienten" zu vermitteln.


28. November 2017
Meine ganze Klage

Niemand kann Sankt Paulus' Schrift verstehen noch lehren, er habe denn den Geist in dem Sankt Paulus sprach und schrieb. Und dies ist immerfort und meine ganze Klage, dass grobsinnige Leute, die Gottes Geistes bar sind und nichts davon besitzen, nach ihrem groben menschlichen Verstand beurteilen wollen, was die hören oder lesen in der Schrift, die gesprochen und geschrieben ist vom und im Heiligen Geiste.
(Meister Eckhart "Buch der göttlichen Tröstung")


29. November 2017
Nonne des Tages

Eine Nonne sagte: Manche von denen, die in die Berge gingen, sind verloren, denn ihr Tun blieb in der Welt. Es ist besser, unter vielen zu sein und im Herzen ein einsames Leben zu führen, als allein zu sein und mit dem Herzen in der Menge zu leben.
("Christliche Mystik" hrsg. von Rubach und Sudbrak, München 1989)


30. November 2017
Vom Sein

Alles, was da war, ist nicht mehr und wird nie mehr sein,
also denke nicht daran.
Alles was da ist, ist die Schöpfung,
ewig und ganz in diesem Augenblick,
also denke nicht, sondern erkenne es.
Alles, was da sein wird,
ist noch nicht und wird nie gewesen sein,
also denke nicht daran.

Er kommt, er ist, er geht.
Er war, er ist, er wird.

"Ist" ist Sein ohne Attribute!
(Bruder Silvio)


02. Dezember 2017
Freiburg

Die Universität Freiburg bietet online ihre "Bibliothek der Kirchenväter" an. Dort finden sich in buntem Durcheinander spirituelle und weniger spirituelle Texte. Beispielsweise auch vom (Pseudo-)Dionysius Areopagita, ohne den abendländische, christliche Mystik kaum denkbar wäre (und der in seiner Anonymität gut ins Bild eines verborgen wirkenden ESGlers passt).
Die Texte sind auch im rtf-Format herunterladbar, falls man nicht online lesen mag. Danke UNIFR!
http: //www. unifr. ch/bkv/awerk. htm

Kommentare: 1
#1
Jonas (Dienstag, 05 Dezember 2017 11: 51)
Schöne Beschreibung des unbeschreibbaren Einen von Dionysius Areopagita in "Schriften über göttliche Namen":

 ...Jeglicher Denktätigkeit ist das über alles Denken erhabene Eine unausdenkbar, jeglicher Rede ist das alle Rede übersteigende Gute unaussprechlich, jene Einheit nämlich, welche jeder Einheit Einheitlichkeit verleiht, jene überwesentliche Wesenheit, jene keiner Vernunft zugängliche Vernunft und jenes durch kein Wort auszudrückende Wort, ein Nichtwort, ein Nichtwissen, ein Nichtname, alles das nach keiner Art von dem [ist], was ist;
 Grund des Seins für alle Dinge und doch selbst nicht seiend, weil über alle Wesenheit erhaben und so beschaffen, wie es nur selbst eigentlich und wissend über sich Kunde geben möchte.


04. Dezember 2017
Worte der Ermahnung über die Einsiedler

- von den Armenischen Vätern:

Es ist es nötig, Brüder, daß wir Eifer zeigen. Nehmen wir das Streben nach Heiligkeit in unsere Seelen, und werden wir ähnlich der zahlreichen Schar, die in Zurückgezogenheit von der Welt nach der Heimatstadt trachtet, die oben ist, und die frei ist vom Leid der Erdenbürger. Denn sie sind Genossen unserer Natur, welche die Schwachen kräftigt. Wolle nur, halte dich an den Glauben, hoffe, liebe und du kannst dieselbe Tugend erfahren. Denn die zeitlichen Leiden sind nicht zu vergleichen mit dem Leben, das diesen Anachoreten bereitet ist.  

Doch ich bin in großer Furcht wegen unserer Lauheit. Fast alle sehe ich hingegeben in die irdischen Besitztümer. Tritt uns nicht die Natur nun vorwurfsvoll entgegen? Nackt wurde ich erschaffen, nackt wurde ich ins Paradies versetzt, nackt kam ich aus demselben, nackt wurde ich geboren und nackt hinwieder kehre ich zur Erde zurück. Wenn wir nun nichts von hier mitnehmen können, wozu halten wir uns daran in dieser Welt. Mach’ dich los, schrecke zurück, o Einsiedler! werde nicht zur dicken Befestigung, die den neidischen Feind aufnimmt, sonst möchte er dir einen gefährlichen Hinterhalt legen, dich in dir selbst angreifen und dich ausplündern und um die himmlischen Schätze dich betrügen. Halte für genügend das Wort des Herrn: Keiner von den Erdenpilgern kann zwei Herren dienen, dies zeigt es dir offenbar. Es braucht keiner Vermittlung und keiner Erklärung. Ihr könnet nicht, so sagt es, mit Gott es halten und dem Mammon.

Nun sehe ich niemand in unserem Land von diesem Unheil frei. ( ...) Was wir ehren sollten, haben wir geringgeschätzt, und bei jenen, welche wir keine Gewalt hatten zu ehren, haben wir gar sehr die Leiden unserer Betrübnis gekostet. Wir sind befreit worden von den königlichen Abgaben, die man ohne Sünde zahlen kann, und haben uns gebeugt unter die Herrschaft der Besitztümer, die voll sind von törichtem Geize. Wir besteigen nicht das Bett einer heiligen Ehe, und bereiten uns einen hohen Sitz mehr als die Welt. Wir ergötzen uns auf wohlbereitem Lager und unsere herumflatternden Gedanken werden die ganze Nacht zu häßlichen Vorstellungen gerufen.  

Die Schuhe unserer Füße klagen uns an, weil unsere Wege nicht heilig sind. Unsere Kleider schreien über unsere Werke, weil wir entblößt sind vom himmlischen Gewand. Unsere Pferde offenbaren an uns, daß wir nicht hingerissen sind vor dem Angesicht Gottes über den Lüften. Die Bauten unserer Schlösser tun es kund, daß wir keinen Tempel haben im Himmel, der nicht von Händen gemacht ist, in den einzutreten berufen sind, alle Klassen derer, welche vor irdischem Leid sich fürchten. Die Besitzungen unserer Äcker werfen uns vor, daß wir unsern Anteil nicht haben am himmlischen Lose.  

Würdevergessen, unersättlich sind wir beim Essen, und ohne Maß trinken wir den Wein, der Gedanken und Geist verwirrt. Tiefem Schlaf überlassen wir uns alle, und der Traum dünkt uns Wahrheit. Das Auge unseres Geistes ist geschlossen für geistliche Gedanken und unersättlich gafft es hinein in das Treiben der Welt. Taub sind die Ohren für die heiligen Lesungen und gern horchen wir auf das Stimmgetön unserer Herden. Der Fremdling ist uns kein angenehmer Geruch im heiligen Geiste, weil wir liebgewonnen haben das Öl der weltlichen Leidenschaften. Der Gaumen unserer Seelen kostet nicht die himmlische Nahrung, weil wir fett geworden sind an mannigfaltigen Speisen. Die Farbe unseres Gesichtes ist dunkel, weil wir uns die Augen nicht ergötzen an heiligen Gedanken. Die Glieder unseres Leibes sind voll Schmerz, weil wir die Seele krank machen vor dem Leibe.

Kommentare: 3
#1
Clemens (Dienstag, 05 Dezember 2017 10: 22)
"unsere herumflatternden Gedanken werden die ganze Nacht zu häßlichen Vorstellungen gerufen" - schön formuliert. Allemfalls auf uns bezogen zu optimistisch, denn wozu werden sie tagsüber oft gerufen?
#2
Jonas (Dienstag, 05 Dezember 2017 10: 40)
- unsere Gedanken flattern tagsüber um all die Dinge herum, die wir begehren oder ablehnen, die uns Genuss oder Schmerz bereiten. Sie rufen uns noch dazu heraus aus der göttlichen Gegenwart zu traumhaften Vorstellungen über Vergangenes und Zukünftiges, sodass wir wie Traummännlein (und Traumweiblein^^) durchs Leben gehen.
#3
Jonas (Dienstag, 05 Dezember 2017 11: 09)
"Unsere Kleider schreien über unsere Werke, weil wir entblößt sind vom himmlischen Gewand. " - wunderbar formuliert. Man könnte es so auffassen, dass wir durch die Inkarnation unser "himmlisches Gewand" abgelegt und uns neue Kleider in Form unserer drei Körper zugelegt haben. Diese sind Ausdruck unserer Werke, da sie durch sie ja geformt werden. Einem Hellsichtigen, der den psychonoetischen Körper mit seinen Elementalen wahrnehmen kann, offenbaren sie alles, "schreien" über die getanen Werke. Im Wort "schreien" klingt für mich die beängstigende Vorstellung mit, all die Elementale sehen zu müssen und das nicht ausblenden zu können.


05. Dezember 2017
Ununterbrochener Dienst

Den Text von den "Armenischen Vätern" habe ich gestern als Beispiel für die Nützlichkeit des Freiburger Archivs eingestellt. Dort finden sich wirklich ein paar Perlen. Die armenischen Väter sagen in ihrer "Ermahnung" beispielsweise noch dies über die spirituelle Praxis. Erstaunliche Worte:

Zumal in der Ordnung regelmäßig wiederkehrenden, ununterbrochenen Dienstes bringen sie frohen Geistes dem Vater aller heilige Gesänge dar. Sie stehen einander gegenüber, die Augen niedergeschlagen, gegen die Spitzen der Fußzehen gerichtet, als ob sie alle auf einen Punkt blickten. Die rechte Hand halten sie über die Wange, die linke über die Brust, wie ich meine, belehrt von den eigenen Vätern. Zwar sind das Vornehmere im Leibe das Leben und das Denken. Mit beiden dienen sie beiden. Dem Leben ist das Zürnende entgegengesetzt, dem Denken die äußeren Dinge. Indem sie nun den linken Zügel in die Hand nehmen, soll die Anlage zum Zorn gezügelt werden; und indem man die rechte Hand über die rechte Wange legt, tut er den Dienst der Geisteswache an der Türe des Zugangs der Worte, damit nichts Fremdes die richtige Verehrung störe. Und mit diesen zwei Teilen beherrschen sie das ganze Sinnenvermögen, die Augen zum richtigen Sehen, die Ohren zum klugen Hören, den Geist für die heilige Weisheit, und das andere jedes nach seinem Teil. In dieser Ordnung und Bestimmung erheben sie alle gleich den sechsfach beflügelten Seraphim, rings bewehrt, ihre Stimme ohne Unterbrechung empor und vollbringen den dreifachen Lobpreis für das Geheimnis der Einheit ihres Schöpfers. Den ganzen Tag weihen sie dem süßen Gesange, gesättigt und begeistert, von himmlischer Stärkung erfüllt, harren sie bis zur Abendzeit. Und da sie einen Leib haben nach unserer sinnlichen Natur, essen sie nur, um nicht zu verhungern, und trinken sie nur, um nicht zu verdursten.

Kommentare: 3
#1
Clemens (Dienstag, 05 Dezember 2017 13: 28)
Und weiter: "Doch wenn du vom Essen hörst, sollst du nicht zu unserem abschweifen. Denn ihre Nahrung ist ohne Wohlgeschmack, das Kraut des Feldes mit Salz gewürzt und reines Wasser, das sie aus der Spende der Wolken in Zisternen sammeln. Doch auch dies nehmen sie nie untertags zu sich zur Stillung ihrer Leibesbedürfnisse, sondern einmütig fasten sie den langen Tag hindurch und gönnen es sich erst beim Untergang der Sonne. Den Abend ziehen sie hinaus, bis die Sterne an ihrem Standorte glänzen. Wie mit einem Munde sprechen sie das Dankgebet und sagen: Zur Zeit der Finsternis laßt uns dem Leib der Finsternis das Brot der Finsternis geben.
Indem sie dies sprechen, preisen sie mit lauter Stimme die heilige Dreifaltigkeit und sammeln sich freudigen Herzens jeder an seinem Ort. Wie wir gesagt haben, essen sie Brot und Hyssop und trinken sie kaltes Wasser. Wenn jedoch unter ihnen schwächliche Greise sind, dann nehmen sie warmes Wasser, was sie Gutmischung nennen. Jedoch Wein und irgend etwas anderes Besseres findet sich nicht bei diesen heiligen Mönchen. "
#2
Clemens (Dienstag, 05 Dezember 2017 13: 29)
"Wenn jedoch unter ihnen schwächliche Greise sind, dann nehmen sie warmes Wasser, was sie Gutmischung nennen. " !!! Hahahahaha! Sensationell! Das nenne ich mal Rücksichtnahme.
#3
Jonas (Dienstag, 05 Dezember 2017 14: 27)
Hört sich nicht nach einer einladenden Stätte an, dort seinen Lebensabend zu verbringen. ^^


05. Dezember 2017
Missverständnis

Manche Richtungen der Gnosis und auch der kirchlichen Spiritualität sind offensichtlich (oder scheinen es zu sein, denn vielleicht liegt der Fehler teils schon in der Interpretation der Vorgaben) sehr "leib- und weltfeindlich". Ich denke, dass die Ablehnung der Welt keine grundsätzliche sein kann, sondern sich immer nur auf unsere Haltung ihr gegenüber bezieht. Gemeint ist, dass ihre überzogene Abbildung in unseren Wünschen und unserem Trachten abgelehnt werden muss - nicht sie selbst. Ist sie doch in allem letztlich das Vehikel, das Medium unseres Wachsens, unseres Beschreiten des Weges, unserer Erleuchtung, unseres Erwachens.
Problematisch sind also wir als Selbste, als mit der AP verwickelte und identifizierte Selbste, und weder unsere APs, unsere Körper, die Körper anderer Menschen (also beispielsweise der "bösen, hübschen Frauen als Werkzeuge des Teufels" - oder auch pc-mäßig der bösen, strammen jungen Kerle!), unsere Sinneseindrücke, die vielen Dinge um uns herum oder auch der karmische, leidbehaftete Prozess in den Trennungswelten.

Kommentare: 3
#1
TvB (Mittwoch, 06 Dezember 2017 07: 25)
Leib- und Weltfeindlichkeit: Die Hintertür, durch die sich weltlicher Dualismus in die Spiritualität zurückschleicht.
#2
Clemens (Mittwoch, 06 Dezember 2017 11: 33)
Die Vordertür wäre in dem Bild die, durch die man erst "die Spiritualität" betreten hat - in (zunächst partieller) Abkehr und Überwindung weltlichen Dualismusses.
#3
TvB (Mittwoch, 06 Dezember 2017 12: 07)
Ja, durch diese Vordertür kann dann weltlicher Dualismus wieder eintreten, indem der Schüler des Weges über die an sich ja ganz richtige Nicht-Ablehnung von Welt und Körper der AP erneutes Anhaften (oder beibehaltenes Anhaften) an weltlichen Freuden gestattet. Was NICHT heißt, dass sie nicht genossen werden dürfen.


11. Dezember 2017
Mystik

Bernard McGinn, Professor emeritus für Kirchengeschichte und Geschichte des Christentums an der Universität Chicago schreibt im Band eins seines mehrbändigen Werk über die "Mystik des Abendlands" folgende Zeilen.
"Das mystische Element im Christentum ist der Teil seiner Glaubensinhalte und Glaubensvollzüge, der das betrifft, was man unmittelbare bzw. direkte Gegenwart Gottes nennen kann, und dies in einem dreifachen Sinn: als Vorbereitung auf sie, als Bewusstsein von ihr und als Reaktion auf sie.
Diese besondere Form der Begegnung mit Gott wurde auf vielerlei Weise verstanden. Einig waren sich alle christlichen Mystiker darin, dass sich diese Erfahrung einer Konzeptualisierung und Verbalisierung teilweise oder ganz widersetzt. Sie kann also nur indirekt, partiell, mittels einer Reihe sprachlicher Strategien dargestellt werden, in denen Sprache nicht so sehr informierend als vielmehr transformierend gebraucht wird. Es geht somit weniger um Inhaltsvermittlung; Ziel ist es, den Hörer oder Leser in dem Bestreben zu unterstützen, dasselbe Bewusstsein zu erlangen. Selbst jene Mystiker, die paradoxerweise besonderen Nachdruck auf Unaussprechlichkeit gelegt haben, nutzen alle Möglichkeiten der Sprache aus - und entwickeln oft sogar neue - um diesen Transformationsvorgang zu fördern. "


11. Dezember 2017
Ein Bruchteil

In seinem Büchlein "Nietzsche für Zeitgenossen" hat der Philosoph und Nietzsche-Biograf Rüdiger Safranski eine enge Auswahl von Aphorismen und Sentenzen seines berühmten Protagonisten zusammengestellt. Hier ist meine noch engere subjektive Auswahl von der ebenfalls auch subjektiven Auswahl des Biografen:
Du solltest Herr über dich werden, Herr auch über die eigenen Tugenden. Früher waren sie deine Herren; aber sie dürfen nur deine Werkzeuge neben andren Werkzeugen sein.
Man vergilt einem Lehrer schlecht, wenn man immer nur der Schüler bleibt.
Hauptmangel der tätigen Menschen. - Den Tätigen fehlt gewöhnlich die höhere Tätigkeit: ich meine die individuelle. Sie sind als Beamte, Kaufleute, Gelehrte, das heißt als Gattungswesen tätig, aber nicht als ganz bestimmte einzelne und einzige Menschen; in dieser Hinsicht sind sie faul.
Aus Mangel an Ruhe läuft unsere Zivilisation in eine neue Barbarei aus. Zu keiner Zeit haben die Tätigen, das heißt die Ruhelosen, mehr gegolten. Es gehört deshalb zu den notwendigen Korrekturen, welche man am Charakter der Menschheit vornehmen muss, das beschauliche Element in großem Maße zu verstärken.
Wert der Verkleinerung. - Nicht wenige, vielleicht die allermeisten Menschen haben, um ihre Selbstachtung und eine gewisse Tüchtigkeit im Handeln bei sich aufrechtzuerhalten, durchaus nötig, alle ihnen bekannten Menschen in ihrer Vorstellung herabzusetzen und zu verkleinern.
Die Mutter der Ausschweifung ist nicht die Freude, sondern die Freudlosigkeit.
Der beste Freund wird wahrscheinlich die beste Gattin bekommen, weil die gute Ehe auf dem Talent zur Freundschaft beruht.
Zwei Freunde. - Es waren Freunde, aber sie haben aufgehört es zu sein, und sie knüpften von beiden Seiten zugleich ihre Freundschaft los, der eine, weil er sich zu sehr verkannt glaubte, der andere, weil er sich zu erkannt glaubte - und beide haben sich dabei getäuscht! - denn jeder von ihnen kannte sich selber nicht genug.
(Ruth Finder)

Kommentare: 1
#1
Diana (Donnerstag, 14 Dezember 2017 19: 44)
Eine wunderbar getroffene Auswahl aus der Auswahl, vielen Dank, Ruth.
Da zuckt die AP Schlag um Schlag.


12. Dezember 2017
Eselin (4. Mose 22, 15-35)

15 Da sandte Balak noch mehr und noch mächtigere Fürsten, als jene waren.
16 Als die zu Bileam kamen, sprachen sie zu ihm: So lässt dir sagen Balak, der Sohn Zippors: Wehre dich doch nicht dagegen, zu mir zu ziehen;
17 denn ich will dich hoch ehren, und was du mir sagst, das will ich tun; komm doch und verfluche mir dies Volk.
18 Bileam antwortete und sprach zu den Knechten Balaks: Wenn mir Balak sein Haus voll Silber und Gold gäbe, so könnte ich doch nicht übertreten das Wort des HERRN, meines Gottes, weder im Kleinen noch im Großen.
19 So bleibt auch ihr nun hier diese Nacht, dass ich erfahre, was der HERR weiter mit mir reden wird.
20 Da kam Gott in der Nacht zu Bileam und sprach zu ihm: Sind die Männer gekommen, dich zu rufen, so mach dich auf und zieh mit ihnen; doch nur was ich dir sagen werde, sollst du tun.
21 Da stand Bileam am Morgen auf und sattelte seine Eselin und zog mit den Fürsten der Moabiter.
22 Aber der Zorn Gottes entbrannte darüber, dass er hinzog. Und der Engel des HERRN trat in den Weg, um ihm zu widerstehen. Er aber ritt auf seiner Eselin, und zwei Knechte waren mit ihm.
23 Und die Eselin sah den Engel des HERRN auf dem Wege stehen mit einem bloßen Schwert in seiner Hand. Und die Eselin wich vom Weg ab und ging auf dem Felde; Bileam aber schlug sie, um sie wieder auf den Weg zu bringen.
24 Da trat der Engel des HERRN auf den Pfad zwischen den Weinbergen, wo auf beiden Seiten Mauern waren.
25 Und als die Eselin den Engel des HERRN sah, drängte sie sich an die Mauer und klemmte Bileam den Fuß ein an der Mauer, und er schlug sie noch mehr.
26 Da ging der Engel des HERRN weiter und trat an eine enge Stelle, wo kein Platz mehr war auszuweichen, weder zur Rechten noch zur Linken.
27 Und als die Eselin den Engel des HERRN sah, fiel sie auf die Knie unter Bileam. Da entbrannte der Zorn Bileams, und er schlug die Eselin mit dem Stecken.
28 Da tat der HERR der Eselin den Mund auf, und sie sprach zu Bileam: Was hab ich dir getan, dass du mich nun dreimal geschlagen hast?
29 Bileam sprach zur Eselin: Weil du Mutwillen mit mir treibst! Ach dass ich jetzt ein Schwert in der Hand hätte, ich wollte dich töten!
30 Die Eselin sprach zu Bileam: Bin ich nicht deine Eselin, auf der du geritten bist von jeher bis auf diesen Tag? War es je meine Art, es so mit dir zu treiben? Er sprach: Nein.
31 Da öffnete der HERR dem Bileam die Augen, dass er den Engel des HERRN auf dem Wege stehen sah mit einem bloßen Schwert in seiner Hand, und er neigte sich und fiel nieder auf sein Angesicht.
32 Und der Engel des HERRN sprach zu ihm: Warum hast du deine Eselin nun dreimal geschlagen? Siehe, ich habe mich aufgemacht, um dir zu widerstehen; denn der Weg vor mir führt ins Verderben.
33 Und die Eselin hat mich gesehen und ist mir dreimal ausgewichen. Wäre sie mir nicht ausgewichen, wollte ich dich jetzt töten, die Eselin aber am Leben lassen.
34 Da sprach Bileam zu dem Engel des HERRN: Ich habe gesündigt; ich hab's ja nicht gewusst, dass du mir entgegenstandest auf dem Wege. Und nun, wenn dir's nicht gefällt, will ich wieder umkehren.
35 Der Engel des HERRN sprach zu ihm: Zieh hin mit den Männern, aber nichts anderes, als was ich zu dir sagen werde, sollst du reden. So zog Bileam mit den Fürsten Balaks.

Kommentare: 7
#1
Clemens (Dienstag, 12 Dezember 2017 20: 30)
Gott wirkt hier von 20-22 leicht persönlichkeitsgespalten. Doch die Eselin kennt diese Vorgeschichte nicht und ihr reicht der Bote.
Bileam trägt mit großer Fassung, dass seine Eselin ihn zur Rede stellt ...
Alles in allem: Was will mir diese Geschichte sagen?
#2
Jonas (Mittwoch, 13 Dezember 2017 08: 41)
Nimm lieber ein Pferd als eine störrische EselIN^^
Nein - im Ernst jetzt - wenn wir uns ein Urteil über eine Situation anmaßen und darauf basierend eine Handlung setzen (die Eselin schlagen), muss uns bewusst sein, dass wir auf unserem Entwicklungsniveau niemals alles wissen und deshalb mitunter auch falsch liegen können. Wir sehen den Engel halt nicht, wissen nicht, dass er im Weg steht und reagieren einfach auf das unserer Meinung nach störrische Vieh (auf nicht gerade feinfühlige Art und Weise).
Wichtig ist es, nach dem Erlangen zusätzlichen Wissens (der Engel wird sichtbar) dann auch den eigenen Standpunkt zu ändern und (egoismusmäßig) nicht in der falschen Sicht zu verharren, also Einsicht zu zeigen ("ich habe gesündigt; ich hab´s ja nicht gewusst") und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen ("Und nun, wenn dir's nicht gefällt, will ich wieder umkehren).
#3
Jonas (Mittwoch, 13 Dezember 2017 08: 52)
Die Geschichte spricht mich auch deshalb an, weil ich in meiner Jugend viel geritten und dabei mit der Gerte nicht gerade sparsam umgegangen bin (mea culpa!). Das tut mir im Nachhinein betrachtet schon etwas leid.
Also wenn ich davon nur 5% karmisch zurückbekomme, kann ich mich auf einige Peitschenhiebe des Schicksals gefasst machen. Gott sei Dank scheint mir eine Reinkarnation als Pferd oder Esel nicht sehr wahrscheinlich zu sein, auch wenn die Geschichte mit der sprechenden Eselin das nahelegen würde.
#4
Clemens (Mittwoch, 13 Dezember 2017 12: 08)
Ich habe hin und her überlegt: Die Widersprüchlichkeit Gottes könnte für seine Missverständlichkeit innerhalb der Trennungswelten (Dualität/Polarität) stehen, solange wir nur von innerhalb schauen. Bileam steht hier für das HS in diesen Trennungswelten, das zunächst den Boten (Engel) mit der klaren Weisung nicht erkennt. Die Eselin verkörpert dreifach das Vehikel (grobstofflich, psychisch, noetisch). Sie verweigert als AP auf allen drei Ebenen den falschen Wunsch des HS. Sie "sieht den Engel". Nur eine missbräuchliche Nutzung durch das bestimmende HS kann die AP letztlich zwingen.
Das würde hier bedeuten, dass die drei Körper eine innere, mitgegebene, relative Weisheit hätten - wenn wir nur auf die Signale hören würden, würde uns viel Leid erspart. Und auch der "Eselin".
Der noetische Esel weicht der Gefahr für das HS (Bileam) weit aus. Der psychische Esel versucht, sich vorbeizudrücken. Der grobstoffliche Esel geht zuletzt in die Knie - und wird die ganze Zeit vom HS missverstanden und geprügelt. Der Engel ist bereit, das missverstehende HS zu töten. So wie das HS bereit ist, die unwilligen AP-Aspekte zu töten.
Erst als Gott die Eselin für das HS hörbar sprechen lässt und dem HS auch noch die Augen öffnet, kann das HS den Boten schließlich endlich sehen und beginnt zu kooperieren. Und zwar sowohl mit der Eselin, als auch mit dem Engel. Und dadurch letztlich mit dem Gott außerhalb der Trennungswelten. Und den Gott innerhalb letztlich verstehend.
Von da an läufts ...
#5
L. (Mittwoch, 13 Dezember 2017 15: 07)
Koennte man genauer ausarbeiten. Waere schoen.
#6
Clemens (Mittwoch, 13 Dezember 2017 15: 59)
Meinst Du Jonas oder mich? ^^ Oder vielleicht beide? Die Hoffnung stirbt zuletzt ...
#7
Diana (Mittwoch, 13 Dezember 2017 22: 43)
Für die ganze Geschichte eine widerspruchsfreie (Be)Deutung zu finden, ist etwas schwer. Folgende Fragmente hätte ich anzubieten:
- Die Widersprüchlichkeit Gottes: Einerseits steht sie für sein Geschenk an uns, uns zu ermöglichen, in den Welten der Trennung Erfahrungen zu machen, Befreiung und Bewusstwerdung zu erlangen (uns ziehen zu lassen). Andererseits entsprechen die von uns verursachten leidvollen Erfahrungen und Konsequenz (für uns und andere) nicht dem Göttlichen, wofür sinnbildlich der Zorn Gottes steht.
- Die Eselin entspricht der Alltagspersönlichkeit, Bileam dem Höheren Selbst, der die Eselin (AP) für seine Reise in den Welten der Trennung nutzt. Das bildet auch (ohne die Eselin schmälern zu wollen) die Verhältnismäßigkeit zwischen den beiden Ebenen HS und AP ab. Die AP ist das Vehikel für das wahre Wesen, das darauf reist – auch wenn es noch nicht voll bewusst in den Welten der Trennung lebt.
- Bileam bedeutet „Volksverflucher, Volksverderber“ und zeigt den in die AP hineinragenden Teil des HS an, der in den Welten der Trennung nicht rein göttlich und noch nicht voll bewusst ist. Der Name deutet auch darauf hin, wie machtvoll unsere Taten auf Erden sind, im Positiven wie im leidverursachenden Sinne (das ganze Völker leiden und verdorben oder gesegnet werden können durch unser Tun. Hier z. B. auch eine Querverbindung zu den Folgen von Konsum und anderem leidverursachendem Lebensstil heute).
- Der Engel des Herrn ist das Karma, das uns auf unserer Reise begegnet. Der Engel steht für die Liebe und Schutz, das Schwert für die Konsequenz und Gerechtigkeit Gottes. Das Höhere Selbst, das noch nicht bewusst geworden ist, sieht den Engel des Herrn (Karma und seine Zusammenhänge) noch nicht. Die AP, die zwar auch nicht zwingend besser erkennt (außer durch den göttlichen Kern, der in ihr verborgen wirkt, wie ein Flüstern im Sturm), möchte aber den unangenehmen Konsequenzen von allem aus dem Weg gehen. Was nicht heißt, dass sie erkennt, sondern sie instinktiv Unangenehmem aus dem Weg zu gehen sucht. Dass sie anfangs dem Engel des Herrn (Karma) weit ausweicht, könnte auch ein Bild dafür sein, dass sich ihr Ursache und Wirkung des eigenen Tuns erst sehr spät erschließen (viel Raum und Zeit liegen zwischen Ursache und Wirkung). Oder dass sie große Umwege macht (Verblendung, Selbstbetrug, Nicht-Wissen-Wollen), um den Engel (der Konsequenz des eigenen Tuns) aus dem Weg zu gehen.
- Bei den nächsten beiden Malen werden AP/ HS aber immer direkter mit dem Karma und der Unausweichlichkeit des Handelns konfrontiert. Die Möglichkeiten des Ausweichens und Flüchtens immer geringer. Das bildet sich auch im äußeren Rahmen ab, wo jetzt Mauern sukzessive das Entweichen verhindern.
- Das Einprügeln der HS auf die AP (Eselin) könnte man als zusätzliches Karma sehen. Die AP bekommt durch das HS Prügel als entwicklungsfördernde Maßnahme, Hiebe aus Liebe, um einen anderen Weg zu wählen.
- Die Eselin beginnt zu sprechen – vielleicht das erste Erwachen/ Durchbruch innerhalb der AP, das Erkennen, dass es mehrere Ebenen gibt (HS/ AP) und der Frage, wer man wirklich ist (HS, göttlicher Kern). Sinnbildlich führt das sprechende Leid der Eselin (AP) dazu, dass die HS immer besser versteht.
- Bileam erkennt den Engel des Herrn – die nächste Stufe des Erwachens, der Einstieg in die bewusste Wegarbeit, Vertiefung des Erkennens, Anerkennen des göttlichen Gesetzes.
- Der Engel des Herrn hält Bileam nicht weiter auf, sondern lässt ihn weiter seinen Weg gehen, aber mit der Maßgabe, nicht anderes zu sagen (und zu tun), was ihm der Herr befielt. Ein Hinweis darauf, das Leben und Tun auf unsere göttliche Herkunft hin auszurichten. Da wir noch nicht wieder ganz Gott geworden sind, braucht Bileam immer wieder das Wort Gottes zur Orientierung und Ausrichtung.


12. Dezember 2017
Mystik II

In der Auseinandersetzung mit der christlichen Mystik können wir zwei vielleicht vertikal gegenüberstehende Ansätze benennen. Einmal die negative (apophatische) Mystik, die, kurz gesagt, Gott als letztlich für den Menschen unerkennbar, unbegreifbar und sogar unerreichbar ansieht, und andererseits die positive (kataphatische) Mystik, die von der Möglichkeit einer Einswerdung (unio mystica) mit Gott ausgeht.
Meines Erachtens sind diese Gegensätze nur trennungsweltliche Gegensätze, die man getrost als höhere Einheit ansehen kann. Beispiel dafür ist etwa "Die Wolke des Nichtwissens", bei der zwar auch eine anfängliche Unzugänglichkeit Gottes angenommen wird, aber dann davon ausgegangen wird, dass Gott selbst sich von sich aus dem sich in die Unzugänglichkeit hineinstürzenden Menschen offenbaren kann - er sich also erfahrbar macht.
In der Wikipedia lesen wir von einer anderen Unterteilung, die dann mehr horizontal zu sein scheint und sich auf den ersten Blick auf die positive Mystik allein bezieht. Unterschieden wird dort zwischen einer mehr intellektuellen Mystik und einer mehr sinnlichen (Liebes-)Mystik. Auch hier ist wieder leicht erkennbar, dass beide Seiten ein Spektrum umgrenzen und somit keine wirklichen Gegensätze sind.
Es gibt eine Reihe von mystischen Ansätzen, die sich unterschiedlich stark diesen und anderen Kategorisierungen zuordnen lassen. Ein weites Feld für interessierte Wahrheitsforscher.


15. Dezember 2017
Zum Hundertsten - wegen der Eselin

Die Sache mit dem HS und der AP ist so tricky eigentlich nicht. Als HS (Erzelgelwesen) außerhalb der Trennungswelten sind wir nicht individuiert, nicht frei, nicht in irgendeinem Widerspruch zum göttlichen Willen. Wir sind sozusagen direkter Ausdruck des göttlichen Willens. Richtig und falsch, gut und böse, Wollen und Nicht-wollen existieren in dem Kontext gar nicht.
In den Trennungswelten (nach der Erstinkarnation) geraten wir sofort in systemische Widersprüche und die Individuation beginnt. Ein Symptom ist beispielsweise die Getrenntheit vom göttlichen Willen. Auch die Identifikation mit der AP beginnt sofort. Wollen und Nicht-wollen mit allen egoifizierenden Folgen lassen Egoismus erblühen. Gut und böse entstehen zeitgleich, denn das HS ist eben nicht per se gut.
Die AP ist andererseits auch nicht per se böse. So wenig, wie ein Tier böse ist. Die Identifikation des HS mit der AP lässt sie böse wirken ("wirken" im Sinne von tun). Besonders, wenn auch noch die Funktion, die uns von den Tieren unterscheidet, in den Dienst der animalischen Ebene gestellt wird. Das Denken nämlich. Dieser logoische Aspekt ist uns eigentlich als Tür zur Freiheit, zur Überwindung des Egoismus, zur Heimkehr des verlorenen Kindes zum Vater mitgegeben, kann aber - und wird auch, und zwar leider noch hauptsächlich - im Dienste der animalischen Ebene zu etwas potentiell böse Wirkendem. Böser, als es ein Tier je sein könnte. Dies liegt aber eben an dem missverstehenden, AP-identifizierten HS. Nicht an der AP.


16. Dezember 2017
Letzter Brief

Thomas Merton (1915 - 1968)
-Das Innere Selbst ist so verborgen wie Gott
und entzieht sich wie Gott jedem besitzergreifenden Zugriff.
Es ist das Leben, das nicht ergriffen
und wie ein Objekt analysiert werden kann.
Eine normale geistige Erfahrung gibt in ihrer Tiefe
nur einen abgeleiteten Eindruck vom Inneren Selbst.
Sie erinnert nur an die verschütteten Tiefen
der Innerlichkeit unserer geistlichen Natur
und an unsere Hilflosigkeit, sie zu erforschen.

-Weil unser innerstes Ich das vollkommene Bild von Gott ist, findet man, wenn das Ich wach werde,
in sich selbst die Gegenwart von dem, dessen Bild es ist.
Gott und die Seele scheinen nur ein einziges Ich zu haben.
Sie sind, durch göttliche Gnade, derart, als wären sie eine einzige Person.
Sie atmen und leben und handeln als ein einziger.
Keiner, der zwei ist dem andern Objekt.

-Das mystische Leben
gipfelt in einer Erfahrung von Gottes Gegenwart,
die jede Beschreibung übersteigt und die nur möglich ist,
weil die Seele völlig in Gott umgeformt
und sozusagen ein Geist mit ihm geworden ist.
Es ist das Erwachen des Logos in uns:
eine gewaltige Bewegung des übernatürlichen und göttlichen Lebens.
"Weil Gott alle Dinge durch seine Kraft in Bewegung setzt,
tritt zugleich mit ihm alles, was er tut, zutage,
so dass er in ihnen und sie in ihm
fortwährend in Bewegung zu sein scheinen.
Die Seele hat den Eindruck, dass er sich bewege und erwache,
während sie bewegt und aufgeweckt wird".


(drei Texte aus "Letzter Brief")

Kommentare: 2
#1
Clemens (Samstag, 16 Dezember 2017 16: 53)
3 x Angelus Silesius (1624 - 1677)

Gott wohnt in einem Licht
zu dem die Bahn gebricht:
Wer es nicht selber wird,
der sieht ihn ewig nicht.

Halt an, wo läufst du hin
der Himmel ist in dir:
Suchst du Gott anderswo
Du fehlst ihn für und für.

Bist du aus Gott geboren
so blühet Gott in dir
und seine Gottheit ist
dein Saft und deine Zier
#2
Clemens (Samstag, 16 Dezember 2017 17: 38)
Dschalal ad-Din Muhammad Rumi (1207 - 1273)

Ich bin nicht Christ, nicht Jude,
Heide oder Moslem
nicht Osten noch Westen,
Land oder Meer
Ich bin nicht Natur, nicht Geist,
nicht aus Erde, Wasser, Luft oder Feuer
Ich bin kein Inder, kein Chinese,
kein Bulgare, weder Iraqi noch Khoraser
Ich bin nicht von dieser noch von jener Welt,
nicht Himmel, nicht Hölle
Ich bin weder Körper noch Seele
denn ER ist EINER,
Geliebter,
Erster und Letzter,
Innen und Außen.
Und ich rufe: EINER.
Und ich rufe: ER IST.

(Daniel Liebert, Rumi-Fragments, Ecstacies, Source Books/Missouri 1989, übersetzt ins Deutsche von Ricarda Moufang)


16. Dezember 2017
Flashtext von Diana:

"Einer fragte einen Pir (einen islamischen 'Meister des Weges') nach der sufischen Weisheit. Der Pir antwortete: "Sie besteht aus zehn Teilen. Einer davon ist wenig reden und neun schweigen. - Weil er schweigt, sitzt der Falke auf der Hand des Königs. Weil die Nachtigall singt, ist sie im Käfig eingesperrt .... Du warst lange genug Zunge, nun werde einmal ganz Ohr! Wie lange willst du wie die Quelle sprudeln (und murmeln)? Wenn du schweigst, wirst du zum Meer. Wer immer in dieses Meer taucht, um Perlen zu finden, der muß beim Tauchen den Atem anhalten. "
(aus: Hellmut Ritter, Das Meer der Seele, S. 11)

Kommentare: 2
#1
Simon (Sonntag, 17 Dezember 2017 16: 26)
"Jedes treffende Wort, mag es kommen von wem es will, gehört auch mir."
 Lucius Annaeus Seneca
#2
Jonas (Montag, 18 Dezember 2017 08: 36)
Deshalb hat Meister Eckhart seine ERSTE Predigt dem Thema Schweigen gewidmet ("Vom Schweigen"). http: //www. zeno. org/Philosophie/M/Meister+Eckhart/Predigten, +Traktate, +Spr%C3%BCche/Predigten


17. Dezember 2017
Frage die Dunkelheit

Bonaventura von Bagnoreggio (1221 - 1274)

Willst du aber wissen, wie das (Erleuchtung) geschieht,
dann frage die Gnade, nicht die Wissenschaft;
die Sehnsucht, nicht den Verstand;
das Seufzen des Gebetes, nicht das forschende Leben;
den Bräutigam, nicht den Lehrer;
Gott, nicht den Menschen;
die Dunkelheit, nicht die Helle;
nicht das Licht, sondern jenes Feuer,
das ganz und gar entflammt und durch mystische Salbung
und brennendste Liebe in Gott umgestaltet.
Dieses Feuer hat Christus in uns entzündet.
(Bonaventura, Itinerarium, zitiert nach "Christliche Mystik, Texte aus zwei Jahrhunderten", CH Beck, München, 1989).

Kommentare: 3
#1
Clemens (Sonntag, 17 Dezember 2017 15: 08)
Johannes vom Kreuz (1542 - 1591)

Diese Nacht, die mit der Kontemplation zusammenfällt, verursacht zwei Arten von Finsternissen oder Läuterungen in den Vergeistigten, entsprechend den beiden Teilen des Menschen, dem sinnlichen und dem geistigen. Und es wird die eine Nacht oder Läuterung dem Sinnenhaften gelten; darin wird die Seele in ihrem sinnengebundenen Teil geläutert und so dem Geist angepasst. Und die andere ist eine Nacht der geistigen Läuterung, darinnen die Seele nach ihrer geistigen Seite geläutert und entblößt wird, um sie für die Liebeseinigung mit Gott zu befähigen und vorzubereiten. Die Nacht der Sinne ist nicht ungewöhnlich und wird von vielen durchlitten, von den Anfangenden; und von ihr wollen wir zuerst sprechen. Die geistige Nacht wird nur von ganz wenigen durchlitten, und diese sind schon Erfahrene und Gottempfängliche; davon werde ich in der Folge sprechen.
Die erste Nacht der Läuterung ist für die Sinnlichkeit bitter und furchtbar, wie sich gleich erweisen wird. Die zweite ist mit nichts zu vergleichen, so grauenvoll und entsetzlich ist sie für den Geist.
Diese dunkle Nacht ist eine gnadenvolle Einwirkung Gottes auf die Seele, wodurch sie von ihrer Unwissenheit wie von ihren gewohnheitsmäßigen Unvollkommenheiten, von den natürlichen wie den geistlichen, geläutert werden soll: ein Vorgang, den die Kontemplativen eingegebene Gotterfahrung oder mystische Theologie nennen. In dieser mystischen Erfahrung lehrt Gott die Seele im geheimen und lenkt sie zur Vollkommenheit der Liebe, ohne ihr Zutun, ohne ihre Einsicht in solche eingegebene Kontemplation. Als liebevolle Weisheit wirkt Gott mit übergewaltiger Hoheit auf die Seele ein und schmeidigt sie durch Läuterung und Erleuchtung für die Liebeseinigung mit seiner Gottheit. Warum aber wird das göttliche Licht, das läuternd und erhellend in der Seele die Unwissenheiten tilgt, hier von dieser Seele dunkle Nacht genannt? Ich antworte: aus zwei Gründen ist diese göttliche Weisheit nicht nur Nacht und Finsternis für die Seele, sondern auch Peinigung und Marter. Nacht ist sie wegen ihrer Erhabenheit, die weit ¨über die Fassungskraft der Seele hinausgeht; als überwahrnehmbar ist sie dunkel. Zum andern ist sie Nacht wegen der Niedrigkeit und Unreinheit der Seele, und darum für sie peinvoll, schmerzhaft und gleichfalls dunkel.

(Johannes vom Kreuz, die dunkle Nacht der Seele, zitiert nach: www. hoye.de/mystik/kreuz.pdf)
#2
Jonas (Montag, 18 Dezember 2017 08: 27)
Die Farbe Schwarz wird in verschiedenen Systemen symbolisch als die Farbe Gottes (des Vaters) verwendet. Bei Franz Bardon etwa, ober auch bei Daskalos, wo man sie im Symbol des Lebens finden kann. Schwarz drückt dabei das Unmanifestierte, noch nicht ins Licht Getretene, den Urgrund aus. Im "Gegensatz" dazu Christus das Licht.
#3
Jonas (Freitag, 22 Dezember 2017 13: 47)
Dionysius Areopagita, mit dem wir uns erst unlängst schon etwas beschäftigt haben, über die Dunkelheit:

Laß fahren die Sinne und die Tätigkeit des Verstandes, auch alles, was Sinne und Verstand zu fassen vermögen, alles, was ist und nicht ist. Und durch das Nichtwissen hindurch strecke dich aus soweit als möglich, dem Einssein mit dem entgegen, der jenseits allen Seins und Wissens ist. Auf diese Weise wirst du - durch strenges, unbedingtes, reines Losgelöstsein von dir selber und von allen Dingen - alles durchdringen, und freigeworden von allem wirst du hinaufgeführt werden zu jenem Strahlen des Göttlichen Dunkels, das jenseits allen Seins ist.
Eintretend in das Dunkel, das alles Verstehen übersteigt, stockt uns nicht nur die Rede, sondern uns bleibt nur völliges Stillschweigen und Nichtwissen.
Alles Wissens entledigt, ist der Mensch vereinigt mit dem Höchsten, das er in sich hat, mit nichts Geschöpflichem, auch nicht mit sich selbst, noch mit einem anderen, sondern mit dem Einen, der gänzlich unerkennbar ist; und nichts erkennend erkennt er, auf eine Weise, die alles Begreifen übersteigt.


18. Dezember 2017
Stein

Edith Stein (1891 - 1942)

Wer bist du, süßes Licht, das mich erfüllt
und meines Herzens Dunkelheit erleuchtet?
 Du leitest mich gleich einer Mutter Hand,
und ließest du mich los,
so wüsste keinen Schritt ich mehr zu gehen.
Du bist der Raum, der rund
mein Sein umschließt und in sich birgt.
Aus dir entlassen, entsänk' es
in den Abgrund des Nichts,
aus dem du es zum Licht erhobst.
Du, näher mir als ich mir selbst
und innerlicher als mein Innerstes
und doch untastbar und unfassbar
und jeden Namen sprengend:
Heiliger Geist - ewige Liebe!

Kommentare: 2
#1
Clemens (Montag, 18 Dezember 2017 14: 26)
Teresa von Avila (1515 - 1582)

Wir wollen nun von der göttlichen und geistlichen Vermählung sprechen.
Diese geheime Vereinigung vollzieht sich
in der allerinnersten Mitte der Seele,
also an dem Ort, wo Gott selber weilt.
Was der Herr hier der Seele in einem Augenblick mitteilt,
ist ein so großes Geheimnis und eine so hohe Gnade,
und das Entzücken, das die Seele dabei empfindet,
ist so übermächtig,
dass ich es mit nichts anderem vergleichen kann
als der Seligkeit im Himmel.
Es lässt sich nichts weiter davon sagen,
als dass die Seele eins geworden ist mit Gott.
Hier ist es, wie wenn Wasser vom Himmel
in einen Fluss oder eine Quelle fällt,
wo alles nichts als Wasser ist,
so dass man weder teilen noch sondern kann,
was nur das Wasser des Flusses ist
und das Wasser, das vom Himmel gefallen;
oder es ist wie wenn ein kleines Rinnsal ins Meer fließt,
von dem es durch kein Mittel mehr zu scheiden ist;
oder aber wie in einem Zimmer mit zwei Fenstern,
durch die ein starkes Licht einfällt:
dringt es auch getrennt ein, so wird doch alles zu einem Licht.
Vielleicht ist es dies, was Paulus mit den Worten meint:
Wer sich mit dem Herrn nährt und an ihn sich hängt,
der wird ein Geist mit ihm.
Damit spielt er wohl auf diese erhabene Vermählung an,
die voraussetzt,
dass Gott durch eine Vereinigung zur Seele gekommen ist.
Darum sagt er: Für mich ist Christus das Leben.

(Teresa von Avila, Innere Burg, zitiert nach "Christliche Mystik, Texte aus zwei Jahrhunderten", CH Beck, München, 1989)
#2
Clemens (Montag, 18 Dezember 2017 14: 28)
Klara von Assisi (1193/1194 - 1253)

Stelle Dein Denken vor den Spiegel der Ewigkeit,
stelle Deine Seele in den Abglanz der Herrlichkeit,
stelle Dein Herz vor das Bild der göttlichen Wesenheit,
und forme Deine ganze Person durch die Beschauung in das Bild seiner Gottheit um,
damit Du empfindest, was seine Freunde empfinden,
wenn sie die verborgene Süße verkosten,
die Gott selbst von Anbeginn für die aufbewahrt hat, die ihn lieben. ( ...)
Liebe jenen mit ganzer Hingabe, der sich um Deiner Liebe willen ganz hin geschenkt hat.
Seine Schönheit bewundern Sonne und Mond,
seine Belohnungen sind unvergleichlich kostbar
und in ihrer Größe ohne Grenzen.

(Klara von Assisi, 3. Brief an Agnes von Prag, 12-16, zitiert nach Klara-Quellen, Zeugnisse des 13. und 14. Jahrhunderts der Franziskanischen Bewegung. Herausgegeben von Johannes Schneider und Paul Zahner, Butzon & Bercker, Kevelaer, 2013, S. 86)


18. Dezember 2017
Hierarchie

Beim Überfliegen der "Himmlischen Hierarche" des Pseudo-Dionysius ist mir seine Beschreibung der höchsten Engel-Hierarchien aufgefallen. Er nennt sie "rein, beschauend und vollendet":

"Für rein muß man diese Geister erachten, nicht nur insofern, als ob sie von unheiligen Flecken und Makeln befreit und materiell-sinnlichen Phantasievorstellungen unzugänglich wären, sondern in dem Sinne, daß sie ungetrübt über jede Schwächung und über alles minder Heilige hinaus entrückt sind; daß sie gemäß ihrer höchsten Heiligkeit vor allen gottähnlichsten Mächten einen höheren Rang besitzen und entsprechend ihrer unveränderlichen Gottesliebe den ihnen eigenen, von ständiger und gleichmäßiger Bewegung der Liebesglut erfüllten Stand unerschütterlich behaupten; in dem Sinne, sage ich, daß sie das Sinken zum Geringeren in irgend welcher Richtung ganz und gar nicht kennen, sondern die ungetrübteste Festigkeit ihrer entsprechenden, gottähnlichen Eigenart ohne Wanken und Wechseln immerdar bewahren.
Als beschauend muß man sie anerkennen, nicht als ob sie Beschauer von sinnlich wahrnehmbaren und geistig zu deutenden Symbolen wären und durch die bunte Fülle der auf heilige Bilder gestützten Betrachtung zum Göttlichen erhoben würden, sondern insofern, als sie mit einem Lichte erfüllt sind, das jegliche immaterielle Erkenntnis übertrifft, und mit der Beschauung jener Urschönheit, welche Schönes schafft, überwesentlich ist und in dreifachem Strahle leuchtet, soweit als möglich ersättigt werden. Man muß ferner annehmen, daß sie auf dieselbe Weise der Gemeinschaft mit Jesus gewürdigt sind, nicht vermittels heilig gestalteter Bilder, welche in äußeren Formen die Verähnlichung mit der Wirksamkeit Gottes ausprägen, sondern auf Grund des wahrhaften Nahetretens zu ihm, welches sich in der unmittelbaren ersten Anteilnahme an der Erkenntnis des Lichtes seiner Gottestaten vollzieht. Desgleichen ist zu glauben, daß ihnen das Nachahmen Gottes in der sublimsten Weise verliehen ist und daß sie, soweit es immer geschehen kann, in unmittelbarer Kraftwirkung an seinen in Gotteswerken und Menschenliebe betätigten Tugenden teilhaben.
Vollendet müssen wir desgleichen diese Engel erachten, nicht etwa, weil sie mit einer diskursiven, aus einer heiligen Mannigfaltigkeit von Symbolen gewonnenen Erkenntnis erleuchtet würden, sondern weil sie mit der ersten und vorzüglichsten Gnade der Vergottung erfüllt werden, sowie es der höchsten den Engeln möglichen Erkenntnis des göttlichen Waltens entspricht. Denn nicht durch andere heilige Wesen sondern unmittelbar von der Urgottheit werden sie hierarchisch vollendet, weil sie durch die ihnen eigene, alles übertreffende Kraft und Rangstellung unmittelbar zu ihr sich aufschwingen. Und demnach sind sie in der vollkommenen Heiligkeit und im höchsten Grade der Unerschütterlichkeit fest begründet, sie werden zur immateriellen und geistigen Schönheit, soweit es möglich ist, zum Zwecke beschaulicher Erkenntnis erhoben und, als der erste um Gott gebildete Kreis, in die ihrer Einsicht zugänglichen Pläne der Gottestaten unmittelbar von der Urquelle aller Weihevollendung eingeweiht und auf die erhabenste Weise hierarchisch vollendet."


Dabei ist mir erstmals etwas klar geworden. Gewöhnlich sehe ich (Erz-)Engel als in der göttlichen Vollmacht über uns Menschen stehend, aber als entwicklungsbezogen mangels Individuation hinter uns zurückfallend. Das kann aber auch als zu begrenztes Konzept betrachtet werden.
Wenn wir die Trennungswelten im buddhistischen Sinne als seit anfangsloser Zeit bestehend sehen und dies wie von hinduistischer Seite formuliert als einen Prozess des Werdens, Bestehens und Vergehens im Sinne der "Atemzüge Brahmas" als unausgesetzte Reihe von Schöpfungen annehmen, ja sogar, wenn wir nur die 14 Milliarden Jahre seit dem letzten (Schöpfungs-)Urknall nehmen, dann ist schon recht viel Entwicklungsspielraum gegeben.
Man könnte da die oben beschriebenen "Engel" auch als Endzustand einer Entwicklung unmittelbar vor der abschließenden Theose sehen. Möglicherweise sogar als Theose selbst - die Einheit mit Gott ist vollzogen, die Individuation bleibt bestehen. Diese Engel wären dann unsere älteren Geschwister, unsere Vor-Gänger im Sinne von Weg-Arbeit, die in den Milliarden Jahren oder zahllosen vorausgehenden Schöpfungen den Weg durch die Trennungswelten schon abgeschlossen hätten. Sie würden dann in allem unglaublich weit über uns stehen - was nicht heißen würde, dass sie nicht unsere Diener wären, ja, es wäre geradezu ein Zeichen ihrer Überlegenheit.
Eine geweitete Perspektive.


20. Dezember 2017
Chandogya-Upanishad

Die Sonne hat den Zenith erreicht,
sie sinkt nicht mehr, sie geht nicht mehr auf,
sie bleibt allein in der Mitte von allem.
Niemals ist sie gesunken, niemals aufgegangen
für den, der weiß.
Die Nacht ist taghell in der Brahman-Welt,
ein unvergängliches Licht.
Zwischen dieser Welt und jener,
ist der Atman die Grenze,
die Brücke zur Unsterblichkeit,
doch nichts überquert sie von dieser Welt,
weder Tod noch Leid, weder Gutes noch Böses,
nichts, das vergänglich ist.


21. Dezember 2017
Die Technik der HARTEN

Oder sagen wir, der Gefestigten. Denn sie wird nur denen empfohlen, die sich schon einigermaßen erkannt und angenommen haben und sich aushalten können.
Ich spreche von einer vierten spirituellen, mystischen Methode der Lösung von der Ego-Ebene und des Einstiegs in die (H-)Selbst-Erfahrung und Gottesschau.
Klassisch und allen bekannt sind Methoden wie:
1. Einspitzigkeit, Atemkonzentration etc.
2. Herz Jesu, Mantra etc.
3. Wolke des Nichtwissens, Hingabe an Gott etc.
Der vierte Weg ist auch ein Weg des ruhigen Sitzens. Dabei werden die aufsteigenden Gedanken, Gefühle und Impulse beobachtet. Auch das Schweifen in Vergangenheit und Zukunft ist legitim. Die jeweiligen inneren Bewegungen werden dann auf ihre egoistische Natur hin untersucht und entlarvt. Erschreckend kann da erst einmal sein, dass praktisch nichts anderes stattfindet.
Verbunden mit einem beständigen Loslassen der entlarvten Inhalte geschieht dann möglicherweise eine Annäherung an Wesentlicheres, an die Lücke zwischen den vordergründig/oberflächlichen Motivationen.
In der Lücke kann sich einiges ergeben. Sie kann zum Eigentlichen werden.

Kommentare: 2
#1
Ruth Finder (Donnerstag, 21 Dezember 2017 19: 48)
 ...und ihr Handeln: ^^
Ein Chassid von Kotzk, ein Anhänger des Rabbi Mendel von Kotzk, unterredete sich mit einem Chassid von Tschernobil über die beideseitigen Bräuche.
Der von Tschernobil sprach: "Wir durchwachen jede Nacht vom Donnerstag auf den Freitag, am Freitag geben wir Almosen nach unserem Vermögen, und am Sabbat rezitieren wir das ganze Buch der Psalmen. "
"Wir", erwiderte der von Kotzk, "wachen alle Nächte, solang wir können, Almosen geben wir, wenn uns ein Armer begegnet und wir Geld in der Tasche haben, und die Psalmen, über denen David sich siebzig Jahre abgerackert hat, sagen wir nicht hintereinander herunter, sondern sagen sie, wie's die Stunde erheischt. "
#2
Jonas (Freitag, 22 Dezember 2017 08: 01)
Der Pollundermann (Eckhart Tolle) hat auf die Bedeutung der Lücke auch immer hingewiesen, sie kann uns eine Tür zum Ausstieg aus der AP Ebene werden. Er sagte: "It´s not the words, it´s the gaps between the words. " (frei zitiert). Es kommt nicht auf die Worte an, sondern auf die Lücken zwischen den Worten.


22. Dezember 2017
Der letzte Satz ...

 ...wird normalerweise nicht mit erwähnt. Wohl weil er wirklich schwer zu deuten ist:

12 Er (Jesus) sprach nun: Ein Edelmann zog in ein fernes Land, um sich die Königswürde zu holen und dann wiederzukommen.
13 Und er rief zehn seiner Knechte, gab ihnen zehn Pfunde und sprach zu ihnen: Handelt damit, bis ich wiederkomme!
 14 Seine Bürger aber hassten ihn und schickten ihm eine Gesandtschaft nach und ließen sagen: Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche!
 15 Und es geschah, als er wiederkam, nachdem er die Königswürde empfangen hatte, da ließ er die Knechte, denen er das Geld gegeben hatte, vor sich rufen, um zu erfahren, was jeder erhandelt habe.
16 Da kam der erste und sprach: Herr, dein Pfund hat zehn Pfund dazugewonnen!
17 Und er sprach zu ihm: Recht so, du guter Knecht! Weil du im Geringsten treu gewesen bist, sollst du Vollmacht über zehn Städte haben!
18 Und der zweite kam und sprach: Herr, dein Pfund hat fünf Pfund erworben!
 19 Er aber sprach auch zu diesem: So sollst auch du über fünf Städte gesetzt sein!
 20 Und ein anderer kam und sprach: Herr, siehe, hier ist dein Pfund, das ich im Schweißtuch aufbewahrt habe!
 21 Denn ich fürchtete dich, weil du ein strenger Mann bist; du nimmst, was du nicht eingelegt, und erntest, was du nicht gesät hast.
22 Da sprach er zu ihm: Nach dem Wort deines Mundes will ich dich richten, du böser Knecht! Wusstest du, dass ich ein strenger Mann bin, dass ich nehme, was ich nicht eingelegt, und ernte, was ich nicht gesät habe?
 23 Warum hast du dann mein Geld nicht auf der Bank angelegt, sodass ich es bei meiner Ankunft mit Zinsen hätte einziehen können?
24 Und zu den Umstehenden sprach er: Nehmt ihm das Pfund weg und gebt es dem, der die zehn Pfunde hat!
 25 Da sagten sie zu ihm: Herr, er hat schon zehn Pfunde!
 26 Denn ich sage euch: Wer hat, dem wird gegeben werden; von dem aber, der nicht hat, von ihm wird auch das genommen werden, was er hat.
27 Doch jene meine Feinde, die nicht wollten, dass ich König über sie werde - bringt sie her und erschlagt sie vor mir!

(Lukas 19, 12-27)

Kommentare: 4
#1
Jonas (Samstag, 23 Dezember 2017 19: 30)
Ich versuch mal eine Interpretation, welche den letzten Satz erklärbar machen könnte:
Der Edelmann/der König entspricht Gott, der seinen Knechten, also den Menschen, die ihm dienen, Talente (Pfunde) gibt, also Fähigkeiten/Fertigkeiten/Anlagen, an denen sie arbeiten und die sie entwickeln sollen. Man könnte es so sehen, dass sie von einer gegebenen Basis aus ihre Tugendpyramide aufbauen und vollenden sollen. Je nach Veranlagung, Eifer und Gnade kommen sie dabei unterschiedlich weit, ausgedrückt in der unterschiedlichen Anzahl von Pfunden, die sie sich erarbeiten.
Die Bürger des Landes stehen in einem anderen Verhältnis zum König, sie dienen ihm nicht, ja hassen ihn sogar und möchten am liebsten in Ruhe gelassen werden. Sie könnten bildhaft für den gut eingerichteten, egoismuszentrierten Menschentypus stehen, die den König (Gott) ablehnen, um ungestört ihren weltlichen Vergnügungen nachzugehen. Im Gegensatz zu den Knechten, die sich in unterschiedlichem Ausmaß bewährt und sich dadurch für Größeres qualifiziert haben (ihnen werden Städte anvertraut), werden die Bürger vor Gott ihrem Richter gebracht und erschlagen. Dies könnte man als Bild für die karmischen Konsequenzen ihres Tuns auslegen, sie werden für ihren Verrat bestraft.
Das Erschlagen – Werden könnte man zusätzlich so auslegen, dass sie weiterhin im Kreislauf des erzwungenen Sterbens und Wiedergeboren-Werdens gefangen sind, im Gegensatz zu den Knechten Gottes, die sich bewährt und ihre Lernaufgabe erfüllt haben. Letztere werden mit einer neuen Aufgabe (das Verwalten von Städten) betraut, dies könnte man als eine Versetzung in Sinne des Zensusgeschehens deuten. Wir hätten in dieser Hinsicht also zwei Gruppen, diejenigen, die ihr Ziel erreicht haben und versetzt werden, und die anderen, die „erschlagen“ durch ihre karmische Schuld sich mit ihren Fehlern wiederholt auseinandersetzen müssen.
#2
Ruth Gabriel (Sonntag, 31 Dezember 2017 08: 10)
Die Feinde erschlagen könnte bedeuten, den Eigenwillen aufzugeben. So wie Margarete Porete sagte, selbst über die Tugenden hinauszugehen, sie aufzugeben. Oder mit Meister Eckhart: "Sich selbst zu lassen. "
#3
Ruth Gabriel (Montag, 01 Januar 2018 11: 53)
Hier noch einmal der Versuch einer etwas detaillierteren Beschreibung dessen, wie es zu meinem vorigen Kommentar gekommen ist.
Der Edelmann könnte als unsere Seele gedeutet werden, die sich auf den Weg macht zur Erkenntnis Gottes, zur „Erreichung“ der Königswürde. Die Knechte sind unsere Elementale, unsere AP, die während unserer Reise/Weg-Arbeit positiv modifiziert werden/wird, bzw. denen wir, wenn sie keine Frucht bringen, ihnen die Energie entziehen. Wenn wir uns die Königswürde geholt haben, uns vollständig Gott zugewandt haben, IHN erkannt haben und erkannt haben, dass wir Eins in dem Einen sind, so gehen wir über alle Tugend hinaus, erschlagen sozusagen die Bürger, die nicht von dem Einen beherrscht werden wollen.
Die Weg-Arbeit verleiht uns nicht die Königswürde, sondern allein die Hingabe zu Gott und SEINE Gnade, SICH in uns einzugießen. Dafür wiederum ist Weg-Arbeit unumgänglich, denn sie schafft das leere Gefäß dafür.
Mit Augustinus gesagt: Wenn des Menschen Seele sich vollends hinaufkehrt in die Ewigkeit, in Gott allein, so scheint auf und leuchtet das Bild Gottes; wenn aber die Seele sich nach außen kehrt, und sei's selbst zu äußerlicher Tugendübung, so wird dies Bild vollkommen verdeckt.
#4
Diana (Montag, 01 Januar 2018 14: 23)
Vielen Dank für die beiden hilfreichen Deutungen. Ich habe mir bisher nur den Kopf zerbrochen, aber ist nichts Schriftliches herausgekommen : -)


24. Dezember 2017
Reden und Schweigen

Noch eine kleine Motivationshilfe aus der Bibel zum Thema:
"Ich sage euch aber, daß die Menschen Rechenschaft geben müssen am Jüngsten Gericht von jedem unnützen Wort, das sie geredet haben." (Mt 12, 36)


27. Dezember 2017
Berühren des Gewandes

Mt 9, 20 Und siehe, eine Frau, die seit zwölf Jahren den Blutfluss hatte, trat von hinten an ihn heran und berührte den Saum seines Gewandes.
Mt 14, 36 und sie baten ihn, dass sie nur den Saum seines Gewandes berühren dürften. Und alle, die ihn berührten, wurden gesund.
Mk 5, 27 Da sie von Jesus gehört hatte, kam sie in der Menge von hinten heran und berührte sein Gewand.
Mk 6, 56 Und wo er in Dörfer, Städte oder Höfe hineinging, da legten sie die Kranken auf den Markt und baten ihn, dass diese auch nur den Saum seines Gewandes berühren dürften; und alle, die ihn berührten, wurden gesund.
Lk 8, 44 Die trat von hinten heran und berührte den Saum seines Gewandes; und sogleich hörte ihr Blutfluss auf.

Das Berühren des Gewandes kann auf zweierlei Weise gedeutet werden: Als positive (kataphatische) und als negative (apophatische) Annäherung an Gott.
Im ersten Fall sehen wir darin die Hinwendung zum wahrgenommenen Gott und die demütig sich annähernde Berührung mit einem klaren Anliegen. Hier wird Gott praktisch überrumpelt. Bei Markus 5. 27 spürt er (Jesus) Kraft von sich ausgehen und bemerkt dies mit Erstaunen - billigt es aber nachträglich.
Im zweiten Fall steht das Gewand für das, was Gott verhüllt. Diese Hülle gibt uns die Richtung vor. Ob wir aber über die Hülle hinaus einen Kontakt erfahren dürfen, müssen wir mangels Wissen über den Inhalt der Hülle offenlassen. Wir stürzen uns in die Wolke des Nichtwissens, hinein in das Nicht-Licht (Über-Licht) der dunklen Gottheit.
Allerdings: Auch hier scheint Gott nicht gänzlich frei zu sein - obwohl das natürlich eine unwahrscheinliche Annahme ist. Seine Freiheit besteht vielleicht mehr im Wann als im Ob seiner Offenbarung.


27. Dezember 2017
Assais Sohn

Des Assai Sohn sagte:
Eile zu einem leichten Gebot,
und flieh die Sünde!
Die eine Gebotserfüllung zieht die andere nach sich
und die eine Sünde die andere.
Der Lohn für die Gebotserfüllung ist weitere Gebotserfüllung,
und er Lohn der Sünde ist weitere Sünde.
(Sprüche der Väter - aus Kapitel 4)

Kommentare: 1
#1
Clemens (Montag, 01 Januar 2018 12: 02)
Besonders flashend finde ich den Lohn für Gebotserfüllung. Da klingt die Freude am Beschreiten des Weges an. Jeder Schritt macht den nächsten möglich.


28. Dezember 2017
Mischna, Awot 3, 22

Wessen Weisheit größer ist als seine Tat,
der gleicht einem Baum mit vielen Blättern und wenig Wurzeln:
Es kommt der Wind und reißt ihn aus und wirft ihn nieder.

Wessen Tat größer ist als seine Weisheit - wem gleicht er?
Einem Baum mit wenig Blättern und vielen Wurzeln.
Selbst wenn alle Winde der Welt kommen und auf ihn wehen
- sie können ihn nicht entwurzeln.


31. Dezember 2017
Reden und Schweigen II

Vimalkirti befragte Manjushri über die von Buddha gelehrte Nicht-Zweiheit.
Manjushri sagte: "Diese Lehre ist realisiert von einem, der über die Formen hinausblickt und ohne Beweisführung versteht. So sehe ich es, und du?"
Zur Antwort auf diese Frage schloß Vimalkirti den Mund und schwieg.
(Zen)


31. Dezember 2017
Reden und Schweigen III

Einst wollte ein Meister gerade zu einer Darlegung anheben, als ein Vogel zu singen begann. Der Meister sagte nichts, und alle lauschten dem Vogel.
Als dieser verstummte, sagte der Meister, die Darlegung sei bereits erfolgt – und ging seiner Wege.
(Zen)