Rechtfertigung 6

51 Wenn der Geist das Ziel der Frömmigkeit vergißt, dann wird das offenkundige Werk der Tugend unnütz.

52 Wenn schon für jeden Menschen die Unbesonnenheit schädlich ist, dann noch viel mehr für jene, die den gewissenhaften Weg der Vollkommenheit auf sich genommen haben.

53 Philosophiere durch die Tat über die Gesinnung des Menschen und die Vergeltung Gottes. Die Überlegung ist nämlich nicht weiser oder nützlicher als die Betätigung.

54 Auf die Anstrengungen der Frömmigkeit wegen folgt die Hilfe. Dies muß man erkennen durch das Gesetz Gottes und das Gewissen.

55 Einer erhielt Einsicht und hielt sich unbedacht daran. Ein anderer erhielt sie und verglich sie mit der Wahrheit. Muß man fragen, wer von ihnen gewissenhafter handelte?

56 Wahre Erkenntnis besteht im Erdulden der Bedrängnis und darin, daß man nicht den Menschen die Schuld an den eigenen Widerwärtigkeiten gibt.

57 Wer Gutes tut und nach Vergeltung trachtet, dient nicht Gott, sondern dem eigenen Willen.

58 Unmöglich kann jemand, der gesündigt hat, der Vergeltung entgehen, es sei denn durch Umkehr, die dem Fehltritt gebührt.

59 Manche sagen: "Wir sind außerstande, das Gute zu tun, wenn wir die Gnade des Heiligen Geistes nicht wirksam empfangen."

 

60 Jene, die in ihrer Gesinnung stets auf die Begierden erpicht sind, weichen dem aus, was in ihrer Kraft liegt, als werde ihnen nicht die nötige Hilfe zuteil.

61 Die Gnade ist zwar den in Christus Getauften auf mystische Weise geschenkt, doch ist sie wirksam entsprechend der Verwirklichung der Gebote. Und einerseits hört die Gnade nicht auf, uns im verborgenen zu helfen, andererseits aber liegt es an uns, das Gute nach Kräften zu tun.

62 Zunächst regt die Gnade das Gewissen auf göttliche Weise an. Darum sind sogar Übeltäter nach ihrer Bekehrung Gott wohlgefällig geworden.

63 Außerdem ist sie in der Belehrung des Nächsten verborgen. Manchmal aber folgt sie auch bei der Lesung dem Denken und lehrt den Geist durch natürliche Schlußfolgerung ihre Wahrheit. Wenn wir also das Talent dieser begrenzten Folgerung nicht vergraben, werden wir tatsächlich in die Freude des Herrn eingehen.

 

(aus Markos der Asket, 226 Kapitel über jene, die meinen, aus Werken gerechtfertigt zu werden)

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Kommentare: 2
  • #1

    C. (Sonntag, 26 September 2021 18:20)

    Nummer 60 fehlt nicht, sondern ist mir in die 59 hineingerutscht:

    Jene, die in ihrer Gesinnung stets auf die Begierden erpicht sind, weichen dem aus, was in ihrer Kraft liegt, als werde ihnen nicht die nötige Hilfe zuteil.

  • #2

    Linda (Sonntag, 26 September 2021 22:08)

    Vielleicht war ich deshalb mit Punkt 59 nicht ganz grün. Getrennt in Punkt 59 und 60 erscheint es mir logischer zu sein! :-)