1. Ich liebe Gott nicht. Denn hätte ich ihn geliebt, so hätte ich ununterbrochen und mit innerer Freude über ihn nachgesonnen. Jeder Gedanke an Gott hätte mir ein inneres Entzücken
bereitet.
Ich dagegen denke viel häufiger und viel lieber an weltliche Dinge. Das Denken an Gott ist für mich mit Anstrengung und Trockenheit verbunden. Wenn ich ihn geliebt hätte, so wäre das
Zwiegespräch mit ihm im Gebet mir Nahrung gewesen, hätte mir Freude bereitet und mich zur ununterbrochenen Verbundenheit mit Ihm geführt. Ich dagegen empfinde nicht nur keine Freude beim Gebet,
sondern wenn ich mich damit abgebe, spüre ich nur die Anstrengung, nur das Mühsame und habe mit Unlustgefühlen zu kämpfen. Die Trägheit lähmt mich, und ich bin gern bereit, mich mit etwas
Nebensächlichem zu beschäftigen, nur um das Gebet abzukürzen oder gar ganz aufzugeben. Während der eitlen Beschäftigungen verfliegt die Zeit für mich unmerklich, aber wenn ich mich mit Gott
beschäftige, beim Wandel in seiner Gegenwart, kommt mir jede Stunde wie ein Jahr vor. Wer jemanden liebt, der denkt im Laufe des Tages ununterbrochen an ihn, stellt ihn sich vor Augen, ist um ihn
besorgt und bei all seinen Beschäftigungen weicht der geliebte Freund nicht aus seinen Gedanken. Ich aber nehme mir im Laufe des Tages kaum eine volle Stunde Zeit, um mich tiefer in die
Betrachtung Gottes zu versenken und mich an seiner Liebe zu entzünden. Dreiundzwanzig Stunden lang dagegen opfere ich gern und eifrig den Götzen meiner Leidenschaft! Bei den Unterhaltungen über
nichtige Gegenstände, über die Gegenstände, die für den Geist eigentlich zu niedrig sind, bin ich munter und habe mein Vergnügen; bei Unterhaltungen über Gott aber bin ich trocken, gelangweilt
und träge. Wenn ich unwillkürlich von anderen in ein Gespräch über göttliche Dinge verwickelt werde, trachte ich danach, bald das Gespräch auf Themen zu lenken, die meinen Leidenschaften
schmeicheln. Ununterbrochen bin ich auf Neuigkeiten erpicht, auf Anordnungen der Behörden, auf politische Ereignisse. Gierig suche ich die Befriedigung meiner Wißbegierde in weltlichen
Wissenschaften, Künsten und Erfindungen. Die Belehrung über die Gebote des Herrn dagegen, über die Gotteserkenntnis, über die Religion überhaupt, macht auf mich keinen Eindruck; sie nährt meine
Seele nicht. Ich betrachte diese Beschäftigung nicht nur als unwesentlich für einen Christenmenschen, sondern als einen so abseitigen und nebensächlichen Gegenstand, daß ich mich damit nur in der
freien Zeit, in Mußestunden also befassen sollte. Kurz zusammengefaßt: Wenn die Liebe zu Gott sich in der Erfüllung seiner Gebote zeigt - Wenn ihr mich liebt, so haltet meine Gebotes, - spricht
Jesus Christus - und ich seine Gebote nicht nur nicht erfülle, sondern mich darum überhaupt nur sehr wenig kümmere, so muß man wahrhaftig den Schluß ziehen, daß ich Gott nicht liebe.
Das behauptet auch Basilios der Große, wenn er sagt: "Ein Beweis dafür, daß der Mensch Gott und seinen Christus nicht liebt, besteht darin, daß er seine Gebote nicht beachtet."
(russischer Pilger ab Seite 151)
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