Praktiken

Ein Mann namens Khalil sagte: «Ich wartete Jahre auf die Erlaubnis, an den Zeremonien, dem heiligen Tanz und sogar auch dem Musizieren der Derwische teilnehmen zu können. Aber Arif Anwar, der Murshid (Führer) ließ mich nie zu. Ich gelte als weiser Mann. Aber ich bin nie richtig in der Schule gewesen.»

Afifi, der Nachfolger des Murshid Anwar, sagte ihm: «Es war aus Mitleid mit dem Menschen und aus Liebe zu dir, da Arif dich vor diesen Dingen beschützt hat.»

Khalil fragte: «Wie kann das ‹Schutz› sein, wenn einem die Gesellschaft der Auserwählten versagt wird? Wie kann das ‹Liebe› sein, von den Dingen ausgeschlossen zu werden, die nur Feinde des Pfades schmähen?»

Afifi antwortete: «Du verwechselst die Kapriolen der Exhibitionisten, die Nachgiebigkeit der Ästheten sich selbst gegenüber und die Selbsttäuschung der eingebildeten Schüler und eingebildeten Meister mit dem Weg zur Wahrheit, wie ihn die Lehre zeigt. Kein Lehrer wird irgend jemand von irgend etwas ausschließen, für das er geeignet ist; doch er mag dessen Teilnahme aufschieben, wie das mit Eseln geschieht, die man durch einen Zaun von den Mohrrüben fernhält. Für Leute, die noch nicht soweit sind, ist die Gesellschaft der Auserwählten eine Last, die sie nicht tragen können. Je mehr sie es sich ersehnen, desto weniger vermögen sie es - gleich einem Durstigen - zu verkraften.

Es ist himmlische Gũte, die ‹aufrichtige Nachahmer in Hülle und Fülle zuläßt. Sie bilden Gruppen und werden mit Nachahmungen zufriedengestellt. Der noch nicht verbesserte Mensch wird, wohnt er Wahren Praktiken in Gegenwart eines Wahren Lehrers bei, in Stücke gerissen. Anwar beschützte dich in deinem Rohzustand davor, dieser Belastung ausgesetzt zu sein.»

 

(aus Idries Shah, Das Zauberkloster)

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