Ursprung und Bedeutung II

Gewiß sollen sie auch die Menschen trösten in ihren Leiden und beruhigen in ihrer Angst, sie in Ordnung halten und ihnen Wege des Lebens zeigen. Aber das ist nur das eine.

Das andere ist, daß sie von Gott als dem Hort alles Heils zeugen - und die Sehnsucht nach Erlösung wachhalten, daß sie dem Menschen in seiner inneren Hilflosigkeit sich selbst, die Welt und das Leben deuten.

Die Religionen sind der Trost der Menschheit, der Notschutz gegen ihr Verhängnis, die Erzieher und Bewahrer des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens, aber immer "auf die Zeit hin", wo etwas anderes kommt.

Wir dürfen nicht vergessen, daß alle Religionen immer innerhalb des Wahns, des Bannes und der Verderbnis entstanden und aufgewachsen sind, worein die Menschheit durch den Abfall von Gott versunken ist, so daß sie vielfach die Verhängnisse der Menschheiten vermehrten, statt ihnen zu wehren und sie dagegen zu schützen.

Deshalb konnte und kann niemals den Menschen durch Religionen geholfen werden, sondern nur durch eine Erlösung, die sie frei und empfänglich macht für Gottes Walten und zu dem, wovon sie erlöst werden müssen, gehören grade auch die Religionen.

Sie haben vielfach aus dem Gottesdienst einen Götzendienst gemacht, vom Fetischismus der Steine und Hölzer bis zum Fetischismus der Begriffe und der Anbetung "der Kirche" oder des "Wort Gottes".

Die Religionen sind also nicht das lösende Wort für die Not der Menschen.

Sie sind nur der verzweifelte Schrei nach Gott, der in erschütternder Weise bezeugt, daß er allein die Menschheit aus dem Verderben erretten und ihr das Leben geben kann, das allein Leben ist: das Leben aus Gott.

Die Offenbarung Gottes als persönliches Handeln des lebendigen Gottes ist die weltumwälzende Bewegung Gottes auf die Menschheit zu um sein Reich zu schaffen.

Dieser Heilsweg Gottes, in dem sein Wille zum Leben und sein Wiederherstellungsdrang, sein Suchen der Menschheit und seine schöpferische Energie, sein Gericht und seine Gnade sich zu einem gewaltigen Unternehmen vereinigen, kam in Jesus zum Durchbruch und verwirklichte sich in dem Reiche Gottes, das er verkörperte, das in ihm und mit ihm auf die Erde kam.

 

(aus Johannes Müller, "Das Urgeheimnis")

 

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