Die gewaltigste persönliche kosmische Tat und gleichzeitig die unerhörteste persönliche Selbstoffenbarung Gottes ist das weltgeschichtliche Ereignis der Erscheinung Jesu, alles dessen, was in
und durch ihn geschah, was er in seiner Persönlichkeit verkörperte und in seinem Wirken erfahren ließ, der Anbruch des Reiches Gottes mitten in der verlorenen gottlosen Menschheit.
Wenn uns die Augen aufgehen darüber, was damals in der Tiefe der Dinge geschah, z. B. über den kosmischen Umschwung im Lebensgefühl der Menschheit von dem Urgefühl der Angst zu einem
unbedingten rückhaltlosen Glauben, zu der unerschütterlichen elementaren Zuversicht auf Gott oder über die Erfüllung aller Erlösungssehnsucht durch die wirkliche Befreiung der Menschen aus Bann
und Verhängnis, oder über die Erfahrung und Entdeckung der Seele als Sproß Gottes, werden wir davon überwältigt, daß hier der Herr des Alls durch das geschichtlich Gewordene und naturhaft
Wirkende hindurchbrach und in die Menschheit einen ganz neuen Samen warf, der in ihrem Acker aufgehen und eine Neuordnung aller Dinge hervorbringen sollte.
Das Reich Gottes ist dem Erdenlos von allem, was schöpferisches Walten von Gott in der Welt ist, unterworfen, daß es eingehen muß in das Vorhandene und darin seine neue schöpferische Kraft,
bald überlegen, bald unterliegend, in aller Verborgenheit des Wirkens Gottes entfalten muß, um sich allmählich durchzusetzen und zu verwirklichen.
Das letzte Gericht, das mit dem Weltkrieg anbrach, zeigt uns überwältigend, daß Gott im Regiment sitzt und die ganze Menschheit erfuhr in überwältigender Anschaulichkeit und Eindringlichkeit
die Worte des Paulus: "Irret Euch nicht! Gott läßt sich nicht spotten! Wer auf sein Fleisch säet, der wird vom Fleisch das Verderben ernten."
Wer sich aber auf Grund seiner immer neu und immer stärker aufdrängenden Erfahrungen, traut, auf Grund der Vorsehung Gottes zu leben und blindlings auf sie hin seinen unbekannten Lebensweg zu
gehen, der weiß dann ganz genau, daß der am weitesten kommt, der nicht weiß, wohin er geht, daß der am klügsten ist, der auch immer anders kann, als er vorhatte, sobald ihm andres geboten wird,
daß der am meisten erreicht, der gar keine Ansprüche macht und Aspirationen hat, sondern sich selbstvergessen von Gott gebrauchen läßt, daß Gott den in Anspruch nimmt, der sich selbst bescheidet,
daß die eigene Schwäche kein Hindernis auch für das Größte ist, daß wir immer die nötige Kraft für jeden Lebensanspruch von Gott empfangen, wenn wir mit ganzer Seele uns selbstvergessen
hingeben.
Er sorgt sich nicht und fürchtet nichts, weil ihm alles zufällt und zum Besten dienen muß.
Man kann nicht von Gott und seinem Wirken sprechen, ohne zu scheitern.
Es ist für uns unfaßbar und unsagbar.
Man kann nur davon zeugen.
(aus Johannes Müller, "Das Urgeheimnis")
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C. (Mittwoch, 26 Mai 2021 20:14)
Manchmal auch eher lächerlich: "Das letzte Gericht, das mit dem Weltkrieg anbrach..." Aber okay, wer nicht?
R.G. (Donnerstag, 27 Mai 2021 06:49)
"daß wir immer die nötige Kraft für jeden Lebensanspruch von Gott empfangen, wenn wir mit ganzer Seele uns selbstvergessen hingeben."
Wir brauchen unerschütterliches Vertrauen, besonders in Lebenssituationen, in denen wir uns überfordert fühlen. Uns selbstvergessen hingeben meint nicht, fatalistisch zu sein sondern ganz im Gegenteil handlungsfähig zu bleiben.
Linda (Donnerstag, 27 Mai 2021 13:35)
Das ist so sehr beruhigend, diesen Text zu lesen. Das macht richtig Mut und rückt kurz mal alles wieder zurecht, was die AP sich so zusammengewürfelt hat, finde ich.