DAS ELEMENTARE UND DAS PERSÖNLICHE WIRKEN GOTTES
Von dem elementaren Wirken Gottes war mit das Erste und Erstaunlichste der unbedingte, unausgesetzte, unerschütterliche und unverwüstliche Lebensdrang,
der durch die ganze Welt geht, sie bewegt, beseelt und treibt, der die Menschen wie alle Lebewesen, ihnen selbst unbewußt, so beherrscht, so leidenschaftlich durchdringt, so mächtig und
überlegen in ihnen waltet, daß er durch nichts angefochten und zurückgeschlagen wird, sondern immer nur das eine Urverlangen durch alles Widrige entflammt wird: unter allen Umständen
leben!
Dieser unüberwindliche Lebensdrang, der in allem Sein waltet, ist der göttliche Wille zum Leben.
Wir erfahren ihn an uns selbst in den beiden stärksten Trieben, die der Mensch kennt: im Selbsterhaltungstrieb und Geschlechtstrieb, von denen jener den Einzelnen, dieser die Gattung
erhält.
Wer aber die Lebensfülle, die aus diesen Tiefen quillt, durchschaut, der bekennt, daß wir in diesem göttlichen Willen zum Leben die elementare Liebe Gottes
zu reiner Menschheit erfahren.
Die Liebe Gottes ist eine unbedingte, unverbitterliche, unaussetzbare Liebe ohne Wahl und Grenzen, die in göttlicher Souveränität ganz unabhängig davon ist, wie die Wesen beschaffen sind und
was aus ihnen geworden ist, wie sie sich zu Gott stellen und zum Leben, wie sie das, was von ihm in ihnen quillt und andauernd zuströmt, leben lassen und verwerten.
Jesus nennt diese Liebe vollkommen, weil Gott seine Sonne aufgehen läßt über Böse und Gute und regnen läßt über Gerechte und Ungerechte.
So elementar und naturhaft aber dieser göttliche Lebensstrom ist und wirkt, so sehr individualisiert er sich in jedem einzelnen Wesen.
Darum erfahren wir das Leben von Gott als eine persönliche Liebe zu seinem Geschöpf, Sproß und Kind und merken es allenthalben, daß er uns kennt und sich um uns kümmert, uns begabt und
betreut.
Noch erstaunlicher als dieser naturhafte Lebensstrom ist der gewaltige Wiederherstellungsdrang, der durch die ganze Natur geht.
Überall wo Leben beschädigt, gestört, beeinträchtigt, verletzt oder vergiftet wird, beginnt sofort in jedem Organismus eine geheimnisvolle Tätigkeit, um die Wunde zu schließen, den Schaden
auszuheilen, das Zerstörte zu ersetzen, den Körper zu reinigen, den Feind einzukapseln und so unschädlich zu machen.
Seine Grenzen hat dieser Wiederherstellungsdrang nur dort, wo das Leben selbst auf Abbau und Zerfall aus ist.
(aus Johannes Müller, "Das Urgeheimnis")
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