Gotteserkenntnis V

Die Äußerung dieser Erfahrung Gottes im Leben ist aber nicht nur individuell verschieden und persönlich eigentümlich, und darum von unendlicher Mannigfaltigkeit der Gestalt und der Seinsweise, sondern auch nach den Zeiten ganz verschieden geartet:

Sie trägt immer den Charakter der Kultur und der Rasse, der Zeitverhältnisse und Menschenschicksale, in der sich die göttliche Weltordnung zu verwirklichen sticht.

Auf diese Weise ist durch die Lage der Dinge gründlichst dafür gesorgt, daß man keinen menschlichen Wahn über Gott und seine Offenbarung für die Wahrheit ausgeben kann.

Wenn es doch geschieht, so ist das ein Beweis, daß man Gott garnicht kennt, sondern nur über ihn phantasiert und nachdenkt.

Die Mystik hat es ebenso mit Nachtgesichten des Wahns zu tun wie die religiösen Gedankengespinste und den einen wie den anderen müssen wir den Rücken kehren, wenn wir durch das Leben Gott erfahren und den Anbruch seines hellen Tags erleben wollen.

 

(aus Johannes Müller, "Das Urgeheimnis")

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Kommentare: 3
  • #1

    C. (Montag, 10 Mai 2021 10:22)

    Zumindest den letzten Absatz müssen wir präzisieren, denke ich.

  • #2

    C. (Montag, 10 Mai 2021 10:24)

    Darauf bezog sich auch mein Blogbeitrag vom 1. Mai.

  • #3

    R.G. (Dienstag, 11 Mai 2021 20:07)

    Wir dürfen nicht automatisch eine Form mit dem assoziierten Inhalt gleichsetzen.
    Demütiges Verhalten beinhaltet nicht automatisch Demut.
    Wirkliche Demut findet aber immer Ausdruck in einer Form. Hier sei noch einmal an die Geschichte mit den zwei Mönchen erinnert, die beide auf die gleiche Art das Bambusrollo hochzogen. Der eine hatte es, der andere nicht. So erklärt sich auch, weshalb in der Religion auch Spiritualität zu finden sein kann, aber in der Spiritualität keine Religion.