Gotteserkenntnis I

GOTTESERKENNTNIS

Ungefähr in der selben Art, wie wir Gott entdecken, ebenso zufällig, von selbst, unbeabsichtigt, allmählich, bald deutlicher und stärker, bald blitzartig, bald stetiger werden wir den Sinn für das, was dahinter liegt, gewahr, in dem ganz ursprünglich ein unmittelbares lebendiges Verständnis für Gott aufwacht voll sehnsüchtiger Unruhe, voll Fragen und Spüren nach ihm, das wie ein ungekanntes Lebensgefühl in uns aufblüht und unser Bewußtsein mit seinem Duften und Leuchten erfüllt.

Es ist das, was ich unter „Glauben" verstehe.

Es wäre das größte Verhängnis, wenn wir das, was uns seine Gnade an Klarheiten und Gewißheiten gibt, mit unseren Erkenntnismethoden, mit Logik und Dialektik bearbeiten wollten.

Wenn ich mit ganzer Seele bei der Sache bin, kann ich nicht an Gott denken, sonst schweife ich von Gott ab, der sich mir darin naht.

Das Geheimnis bleibt, aber es lebt und äußert sich. Dadurch wird es erfahren.

Sein Wirken hängt in seiner Wirklichkeit nicht davon ab, ob Menschen seiner bewußt und darüber klar werden, es fassen und definieren können, sondern allein von ihm, ob er den Menschen begnadet.

In, mit und durch Lebendigwerden des Sinns für Gott und seine Entfaltung wacht die Seele auf, und in dem Maße, als sie erwacht, wird die Erfahrung Gottes bewußt.

 

(aus Johannes Müller, "Das Urgeheimnis")

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Kommentare: 3
  • #1

    Jonas (Mittwoch, 05 Mai 2021 07:28)

    wunderbarer Text, durchdrungen von Wahrheit und Ausdruck persönlicher Erfahrung. Johannes Müller hat´s echt drauf.

  • #2

    Jonas (Mittwoch, 05 Mai 2021 07:30)

    In dieser Klarheit selten zu finden - bin begeistert.

  • #3

    C. (Mittwoch, 05 Mai 2021 08:52)

    Ja, Müller gibt was her. Finde ich auch.