Das Grundlegende und Entscheidende ist, daß wir unmittelbare Fühlung mit der Wirklichkeit suchen, weil der lebendige, unmittelbare Kontakt mit ihr es allein ermöglicht, daß sie direkt auf uns
wirkt.
Es ist ein Unterschied, ob der Gedanke an den Vater oder gar nur die Idee des Vaters auf ein Kind wirkt oder ob seine lebendige Gegenwart es unmittelbar beeinflußt. Dort wird es von einem
Gedankending bewegt, hier aber wird es von der Wirklichkeit selbst ergriffen.
Der Wirklichkeit ins Auge zu schauen und uns auf den Boden der Wirklichkeit stellen zu können - will durch das unbedenkliche und unreflektierte Eingehen auf das Leben gelernt sein.
Dann lebt man ohne Vorstellungen und Vorurteile z. B. unmittelbar auf Grund innerer Fühlung mit den Menschen, wie man mit ihnen auf kürzer oder länger zusammengeführt wird, ohne sich ein Bild
von ihnen zu machen.
Man nimmt sie, wie sie sind, geht unbedingt auf sie ein und gibt sich selbstvergessen hin, so daß man förmlich in ihnen aufgeht.
Dasselbe gilt aber genau so von unseren Schicksalen und Verhältnissen, von unserer Ehe und Vaterschaft, von unserem Lebenswerk, ja von uns selbst, von unserer Verfassung und
Entwicklung.
Erst wenn die Eindrücke der Wirklichkeit durch alles Subjektive bis auf den Grund unserer Seele durchschlagen, werden sie von ihr empfangen, von Glauben ergriffen, und was dann von dem in
allem wirksamen Gott erzeugt wird, das „ist aus Glauben".
(aus Johannes Müller, "Das Urgeheimnis")
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R.G. (Montag, 26 April 2021 20:12)
Wunderbarer Text!
Wir dürfen nur nicht vergessen, dass wir uns für das Ziel entschieden und den Kurs gesetzt haben müssen. Die Innenschau sollte unser treuer Begleiter sein.
Jonas (Mittwoch, 28 April 2021 07:32)
Vielen Dank Clemens für den Text, der vor Wahrheit nur so strotzt und einen Weg aufzeigt, der sich auch bei anderen Autoren/Geisteschulen finden lässt. Hier von Müller sehr treffend, klar und nachvollziehbar formuliert. Man merkt, er spricht aus eigener Erfahrung.