Vier Tore II

Das Tor der Praxis
 
Zunächst erleuchte alle Welten mit der strahlenden Einsicht, die du durch deine eigene Erkenntnis gewonnen hast. Wenn du etwas siehst, durchleuchte es; wenn du etwas hörst, durchleuchte es; durchleuchte die fünf skandha , die sechs Bereiche der Sinneswahrnehmung von allen Seiten, die sieben Arten des Unheils, die acht Verhängnisse, und werde eins mit der strahlenden Schau des ganzen Körpers. Durchschaue alle Dinge, innere wie äußere, und erleuchte sie. Wenn dies zur Gewohnheit wird, wird die Wahrnehmung der Realität merklich klar, so als würdest du deine eigene Handfläche betrachten.


Während du nun die Anwendung dieser klaren Erkenntnis ausweitest, durchleuchte auch das Erwachen, wenn du in Erwachen eintrittst. Befindest du dich in angenehmen Umständen, durchleuchte diese; in unangenehmen Situationen, durchleuchte diese. Kommen Gier und Verlangen auf, durchleuchte Gier und Verlangen. Desgleichen tue mit Hass, Wut, Unwissenheit. Sind die drei Geistesgifte verschwunden und ist dein Geist rein, dann durchleuchte diesen reinen Geist. Zu jeder Zeit und an jedem Ort, durchleuchte mit deinem ganzen Körper, ob es sich um Begierden, Sinneseindrücke, Gewinn, Verlust, richtig, falsch, Buddha- oder Dharmavisionen handelt. Wenn du dabei nicht nachlässt, wird das Karma, das durch deine früheren Handlungen entstanden ist, sich von selbst auflösen, und du wirst auf unvorstellbare Weise befreit werden.


Deine Art zu handeln wird den Grad deiner Erkenntnis bestätigen. Gastgeber und Gast werden sich vollständig vereinen, Körper und Geist nicht länger zwei sein, und das, was du bist, und die Art, wie du erscheinst, werden sich nicht länger behindern. Das Stadium wahren Gleichmuts zu erlangen nennt man die Erkenntnis der Gleichheit als Natur der Wirklichkeit.


Diese Art der Erkenntnis wird mit der Richtung Süden assoziiert und als Tor der Praxis bezeichnet. Es ist wie mit der Sonne, die im Süden steht und mit voller Kraft alle versteckten Orte im tiefen Tal erhellt und selbst das festeste Eis schmilzt und den feuchtesten Boden trocknet. Obwohl ein Bodhisattva das Auge zur Erkenntnis der Wirklichkeit besitzt, musst du durch dieses Tor der Praxis gehen, um jedwedes Hindernis zu beseitigen, das von Verstrickungen und Handlungen herrührt, um diesen Zustand der Befreiung und Freiheit zu erreichen.

 

(aus "Die vier Arten der Erkenntnis eines Erwachten" von Hakuin Ekaku, übers. v. Gi Do)

 

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