7. Ehrsucht II

Dazu regt er einen auch noch an, an die Klerikerwürde zu denken. Ich erinnere mich nämlich an einen Altvater, der, als ich mich in der Sketis aufhielt, zur Zelle eines Bruders ging, um ihn zu besuchen. Als er sich seiner Tür genähert hatte, hörte er ihn drinnen sprechen. Und da der Altvater glaubte, er lese laut aus der Schrift, blieb er lauschend stehen. Da merkte er, daß jener aus eitler Ehrsucht von Sinnen war, sich selbst zum Diakon erklärte und die Katechumenen entließ. Als nun der Altvater dies hörte, klopfte er an die Tür und trat ein. Der Bruder ging ihm entgegen, grüßte ihn dem Brauch gemäß ehrerbietig und bat ihn, von ihm erfahren zu dürfen, ob er bereits lange Zeit vor der Türe stehend verbracht habe. Der Altvater aber antwortete ihm scherzhaft: "Ich bin eben gekommen, als du die Entlassung der Katechumenen vornahmst." Als der Bruder dies gehört hatte, fiel er dem Altvater zu Füßen und bat ihn, für ihn zu beten, daß er von diesem Wahn erlöst werde.

Ich habe dies erwähnt, da ich zeigen wollte, zu welch großer Empfindungslosigkeit dieser Dämon einen führt. Wer also vollkommen kämpfen und sich den Kranz der Gerechtigkeit vollkommen umbinden will, der soll auf jede Weise danach trachten, diese vielgestaltige Bestie zu besiegen. Er soll dabei stets den Ausspruch Davids vor Augen haben: "Der Herr zerstreut die Gebeine derer, die Menschen zu gefallen suchen." Er soll nichts tun im Hinblick auf das Lob der Menschen. Vielmehr soll er allein den von Gott stammenden Lohn erstreben und sich vor Gott für nichts achten, indem er stets die Gedanken abschüttelt, die in sein Herz dringen und ihn loben. So nämlich wird er sich mit der Hilfe Gottes vom Geist der eitlen Ehrsucht befreien können.

 

(Johannes Cassianus der Römer, "Über die acht Gedanken der Lasterhaftigkeit")

Kommentar schreiben

Kommentare: 0