Über die eitle Ehrsucht
Einen siebten Kampf haben wir gegen den Geist der eitlen Ehrsucht zu bestehen. Es ist dies eine vielgestaltige und sehr feinsinnige Leidenschaft, welche auch vom Versuchten selbst nicht
sogleich wahrgenommen wird. Denn die Angriffe der anderen Leidenschaften sind offenkundiger, und ihre Bekämpfung ist in gewisser Weise leichter, da die Seele ihren Gegner erkennt und ihn durch
Widerspruch und Gebet sogleich zurückschlägt. Da aber das Laster der eitlen Ehrsucht, wie gesagt, vielgestaltig ist, kann man es schwer bekämpfen.
Denn in jeder Tätigkeit, im Reden, im Wort und im Schweigen, in der Arbeit, im Wachen und im Fasten, im Gebet, in der Lesung, in der Ruhe der Einsamkeit und in der Langmut kann es sich
verbergen. Durch all diese Dinge nämlich versucht es, den Soldaten Christi niederzuschießen. Denn wen es nicht durch Aufwand in der Kleidung zur eitlen Ehrsucht verleiten kann, den strebt es
durch billige Kleider zu versuchen. Und wen es nicht durch Ehre stolz machen konnte, den erhebt es durch das augenscheinliche Ertragen von Schande zur Tollheit. Und wen es nicht dazu bringen
konnte, durch beredte Kenntnis der Wissenschaften eitel auf Ehre bedacht zu sein, den ködert es durch Schweigen als einen offensichtlichen Liebhaber der Ruhe. Und wen es nicht überreden konnte,
durch ausgesuchte Speisen aufgeblasen zu werden, den macht es durch Fasten schwach für das Lob. Geradezu jedes Werk, jede Tätigkeit verschafft diesem bösen Dämon Gelegenheit zum Krieg.
(Johannes Cassianus der Römer, "Über die acht Gedanken der Lasterhaftigkeit")
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C. (Montag, 12 April 2021 21:07)
Wie wir immer sagen: "Man kann (beinahe) alles auf die richtige und die falsche Weise tun!"
Gleichwohl wird es der Welt lieber sein, wenn ein ehrsüchtiger Mensch auf ihr wandelt, der aber nicht-extraktivistisch in den vielen möglichen Ausprägungen ist, als wenn es ein Ehrsüchtiger tut, der es in jeder denkbaren Richtung krachen lässt.
Ein nicht ehrsüchtiger Mensch, der es ordentlich krachen lässt, wäre der Welt aber interessanterweise wohl auch weniger lieb, als der nicht-extraktivistische Ehrsüchtige.
Damit wären wir wieder bei der Frage: "Tue ich das Falsche im Richtigen? Oder das Richtige im Falschen? Oder beides? Und an welchen Schrauben muss/kann ich drehen?"