Einen vierten Kampf haben wir gegen den Geist des Zornes zu bestehen. Wir müssen sein todbringendes Gift unbedingt mit der Hilfe Gottes aus der Tiefe unserer Seele tilgen. Solange es nämlich in unserem Herzen festsitzt und die Augen des Herzens mit seinen finsteren Wirrnissen blendet, vermögen wir weder die Unterscheidung dessen zu erwerben, was uns förderlich ist, noch die Erlangung der geistigen Erkenntnis zu erfahren, noch die Vollkommenheit einer guten Absicht festzuhalten, noch Teilhaber des wirklichen Lebens zu werden, noch wird unser Geist aufnahmefähig für die Schau des göttlichen und wahrhaften Lichtes werden. Denn "es wurde", so heißt es, "mein Auge vor Zorn verwirrt." Wir werden zudem nicht Teilhaber der göttlichen Weisheit werden können, wenn uns auch alle ihrer Meinung nach für äußerst weise halten. Es steht ja geschrieben: "Der Zorn wohnt in der Brust der Toren." Doch vermögen wir nicht einmal die heilbringenden Ratschläge der Unterscheidung zu erhalten, wenn wir auch bei den Menschen als verständig gelten. Denn es steht geschrieben: "Der Zorn richtet selbst Verständige zugrunde." Noch werden wir imstande sein, die Leitung der Gerechtigkeit in einem nüchternen Herzen festzuhalten. Es steht nämlich geschrieben: "Der Zorn eines Menschen vollbringt die Gerechtigkeit Gottes nicht." Noch können wir uns die von allen gelobte Schicklichkeit und Anständigkeit erwerben, da geschrieben steht: "Ein jähzorniger Mensch kennt keinen Anstand."
(Johannes Cassianus der Römer, "Über die acht Gedanken der Lasterhaftigkeit")
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C. (Sonntag, 28 März 2021 18:44)
"Solange es (das Gift des Zorns) nämlich in unserem Herzen festsitzt und die Augen des Herzens mit seinen finsteren Wirrnissen blendet, vermögen wir weder die Unterscheidung dessen zu erwerben, was uns förderlich ist, noch die Erlangung der geistigen Erkenntnis zu erfahren, noch die Vollkommenheit einer guten Absicht festzuhalten, noch Teilhaber des wirklichen Lebens zu werden, noch wird unser Geist aufnahmefähig für die Schau des göttlichen und wahrhaften Lichtes werden."
Johannes Cassianus bringt diese Dinge - wie eine Reihe recht weiser Männer aus der Philokalie - teilweise unglaublich nachvollziehbar und präzise beobachtet auf den Punkt. Möglicherweise ein Grund, warum dem kommentarmäßig wenig hinzuzufügen ist. Ich höre auch auf anderen Wegen von einigen, dass diese Schriften als sehr inspirierend empfunden werden... Ich bitte aber, nicht mit Offenheit zu geizen, wenn das als laaaangweilig empfunden wird. Von mir aus werde ich vielleicht sonst nicht so schnell mit solchen Zitaten aufhören! ^^
Linda (Freitag, 02 April 2021)
Langweilig? Nein, im Gegenteil! Durch dieses verständlich Geschriebene habe ich ein gutes Handwerkszeug für den Alltag!