3. Habsucht II

Dies haben wir gesagt, weil wir zeigen wollten, daß die Leidenschaft der Habsucht nicht aus dem natürlichen Bereich ihren Grund herleitet, sondern allein aus einer ganz schlechten und verdorbenen Gesinnung. Wenn diese Krankheit nämlich zu Beginn der Entsagung die Seele lau und mißtrauisch findet, gibt sie ihr so manche gerechte und ihrer Ansicht nach plausible Gründe ein, etwas von ihrem Besitz zurückzubehalten. Denn sie malt dem Mönch in Gedanken ein langes Greisenalter und Kränklichkeit des Leibes aus sowie, daß die vom Kloster verliehenen Gebrauchsgegenstände nicht genügten - nicht etwa einem Kranken, sondern nicht einmal einem Gesunden Erleichterung zu verschaffen. Es werde hier den Kranken nicht die gebührende Sorge erwiesen, ja sie werde sogar ganz und gar vernachlässigt. Habe er kein verstecktes Geld, werde er elend umkommen. Schließlich gibt sie ihm ein, er könne auch nicht auf lange Zeit im Kloster bleiben wegen der Schwere der Arbeiten und der knausrigen Strenge des Vaters. Und wenn sie das Denken mit derartigen Erwägungen dazu verführt, selbst auch nur einen einzigen Denar zurückzubehalten, überredet sie ihn daraufhin, auch eine Handarbeit ohne Wissen des Abtes zu erlernen, mit der er dann das von ihm eifrig erstrebte Geld vermehren kann. Und schließlich täuscht sie den armen Tropf mit unsicheren Hoffnungen, indem sie ihm Gewinn aus der Handarbeit und die daraus sich ergebende Erleichterung und Sorglosigkeit vor Augen stellt. Und ganz dem Gedanken an den Gewinn hingegeben, betrachtet er keine der entgegengesetzten Erscheinungen: den Wahnsinn des Zornes, wenn er einmal einen Schaden erleidet, und die Finsternis der Traurigkeit, wenn er um die Hoffnung auf den Gewinn gebracht wird. Vielmehr wird ihm, so wie anderen der Bauch, das Geld zum Gott. Daher bezeichnete auch der selige Apostel, da er dies erkannte, die Habsucht nicht nur als die Wurzel aller Übel sondern auch als Götzendienst.

Betrachten wir also, zu welch großer Schlechtigkeit diese Krankheit den Menschen herabzieht, daß sie ihn sogar in den Götzendienst stürzt. Hat nämlich der Habsüchtige seinen Geist Sinn von der Liebe Gottes entfernt, ist er in Gold eingeprägten Bildern von Menschen zugetan. Ist der Mönch von diesen Erwägungen verfinstert und treibt er es noch schlimmer, vermag er schließlich keinen Gehorsam mehr zu leisten. Vielmehr ist er ungehalten, regt sich über angeblich unwürdige Behandlung auf und murrt bei jeder Arbeit; er widerspricht, und, da er keine Vorsicht mehr bewahrt hat, stürzt er sich wie ein überaus störrisches Pferd den Abhang hinunter. Er begnügt sich auch nicht mehr mit der täglichen Kost und versichert nachdrücklich, dies nicht bis zum Ende ertragen zu können. Auch sagt er, Gott sei nicht nur dort im Kloster, noch sei sein eigenes Heil darin eingeschlossen. Gehe er nicht aus diesem Kloster, werde er zugrunde gehen. Und so hat er in dem aufbewahrten Geld einen Förderer dieser verdorbenen Gesinnung; er erhebt sich damit wie mit Flügeln und sinnt auf den Austritt aus dem Kloster. Darum antwortet er von jetzt an hochmütig und schroff auf alle Gebote, er betrachtet sich als einen Fremden und Außenseiter, und darum wird er nachlässig und verachtet und tadelt alles, was geschieht, wenn er etwas sieht, was der Verbesserung bedürfte. Dann sucht er nach Vorwänden, zornig oder betrübt zu werden, daß es nicht den Anschein hat, er gehe leichtfertig und ohne Grund aus dem Kloster. Kann er aber auch einen anderen aus dem Kloster treiben, nachdem er ihn mit Ohrenbläserei und leerem Geschwätz getäuscht hat, hält er sich nicht einmal davon zurück, da er einen Teilnehmer an seinem Fehltritt haben will.

 

(Johannes Cassianus der Römer, "Über die acht Gedanken der Lasterhaftigkeit")

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