Über den Geist der Unzucht und der Begierde des Fleisches
Einen zweiten Kampf haben wir gegen den Geist der Unzucht und der Begierde des Fleisches zu bestehen. Diese Begierde beginnt den Menschen von Jugend an zu belästigen. Gewaltig und schwer ist
dieser Kampf, er beinhaltet ein zweifaches Ringen. Denn das Gefecht gegen die anderen Schwächen spielt sich nur in der Seele ab; dieser Kampf aber ist ein zweifacher, da er in der Seele und im
Leib stattfindet; und deswegen müssen wir das Ringen in zweifacher Weise auf uns nehmen.
Denn das körperliche Fasten allein ist nicht ausreichend zum Erwerb der vollkommenen Sittlichkeit und wahren Keuschheit, wenn nicht auch die Zerknirschung des Herzens vollzogen wird sowie
inbrünstiges Gebet zu Gott, häufige Betrachtung der Schrift, anstrengende Tätigkeit und Handarbeit. Dies vermag die launischen Triebe der Seele zurückzudrängen und letztere aus den unzüchtigen
Vorstellungen zurückzurufen. Vor allem aber ist die Demut der Seele förderlich. Ohne sie wird niemand der Unzucht oder auch der anderen Laster Herr werden können. Zuallererst also müssen wir mit
aller Wachsamkeit das Herz vor schmutzigen Gedanken bewahren. Aus ihm nämlich kommen, nach dem Wort des Herrn, böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht und das übrige hervor. Denn auch das Fasten
ist uns nicht nur dazu aufgetragen, um dem Leib übel zuzusetzen, sondern auch im Hinblick auf die Nüchternheit des Geistes. Die Seele soll nicht, durch die Fülle der Speisen verdunkelt, unfähig
sein zur Bewachung der Gedanken. Wir müssen also nicht nur im körperlichen Fasten jedweden Eifer an den Tag legen, sondern auch in der Aufmerksamkeit auf die Gedanken und in der geistlichen
Betrachtung. Fern davon ist es unmöglich, zur Höhe der wahren Keuschheit und Reinheit emporzugelangen. Es gebührt sich also, daß wir gemäß dem Wort des Herrn zunächst das Innere des Bechers und
der Schüssel reinigen, damit dann auch das Äußere rein werde.
(Johannes Cassianus der Römer, "Über die acht Gedanken der Lasterhaftigkeit")
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