1. Beherrschung des Magens I

Johannes Cassianus der Römer (ca. 360 bis 423 n. Chr.), "Über die acht Gedanken der Lasterhaftigkeit" - an den Bischof Castor:

Nachdem wir als erstes die Abhandlung über die Gestalt der Klöster verfaßt haben, haben wir es nun - auf euer Gebet gestützt - auch noch unternommen, über die acht Gedanken der Lasterhaftigkeit zu schreiben, d. h. über die Völlerei, die Unzucht, die Habsucht, den Zorn, die Traurigkeit, die Unlust, die eitle Ehrsucht und den Hochmut.


Über die Beherrschung des Magens

 

Zuallererst werden wir also von der Beherrschung des Magens sprechen, welche im Gegensatz steht zur Völlerei; ferner über die Art und Weise des Fastens und über die Beschaffenheit und Menge der Speisen. Doch werden wir dies nicht von uns aus sagen, sondern wir werden erwähnen, was wir von den heiligen Vätern übernommen haben.

Jene also haben weder eine einzige Norm des Fastens noch eine einzige Art und Weise des Genusses der Speisen noch auch ein und dasselbe Maß überliefert, und zwar deshalb, weil nicht alle dieselbe Kraft besitzen, sei es aufgrund des Alters, aus Kränklichkeit oder infolge einer zarten körperlichen Verfassung. Ein einziges Ziel jedoch haben sie allen anheimgestellt, nämlich den übermäßigen Genuß zu meiden und abzustehen von der Sättigung des Magens. Sie waren auch der Ansicht, daß das tägliche Fasten nützlicher sei und mehr zur Reinheit beitrage als das an drei oder vier Tagen geübte oder bis zu einer Woche ausgedehnte Fasten. Es heißt nämlich bei ihnen, daß der, welcher das Fasten unmäßig ausdehnt, nicht selten die Speise danach übermäßig zu sich nimmt. So kommt es, daß bald durch das Übermaß des Hungers der Leib schlaff ist und für den geistigen Gottesdienst allzu träge wird, oder er bald - durch die Menge der Speisen beschwert - der Seele Unlust und Liederlichkeit einflößt. Ebenfalls waren die Väter der Meinung, daß der Genuß von Gemüse nicht für alle angebracht sei, auch nicht der Verzehr von Hülsenfrüchten, noch meinten sie, alle könnten sich mit trockenem Brot ernähren. Einer, so sagten sie, ißt zwei Pfund Brot und hat immer noch Hunger, und ein anderer ißt nur ein Pfund oder sechs Unzen (ein halbes Pfund) und wird satt.

Allen haben sie also, wie gesagt, nur eine einzige Richtschnur für die Enthaltsamkeit anvertraut, nämlich sich nicht von der Sättigung des Magens täuschen, noch sich durch den Genuß des Gaumens verlocken zu lassen. Denn nicht allein die mannigfache Qualität der Speisen, sondern auch ihr mengenmäßiger Umfang setzt gewöhnlich die feurigen Pfeile der Unzucht in Brand. Mit welcher Art von Speise sich der Magen nämlich auch anfüllt, er gebiert den Samen der Ausschweifung. Und wiederum ist es nicht nur die Trunkenheit des Weines, welche das Denken für gewöhnlich berauscht, sondern auch der übermäßige Genuß des Wassers und das Übermaß aller möglichen Speisen lassen es am Ende betäubt und schläfrig werden. Den Sodomiten wurde nicht der Rausch des Weines und verschiedenartiger Speisen zur Ursache ihrer Vernichtung, sondern der übermäßige Genuß von Brot, wie der Prophet sagt.

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Kommentare: 1
  • #1

    Clemens (Sonntag, 07 März 2021 11:05)

    Ich meine, den zweiten Absatz der "Beherrschung" habe ich vor einer Weile schon einmal eingestellt...