15 Ich kann nicht alle bösen Umtriebe der Dämonen beschreiben und scheue mich, ihre üblen Ränke aufzuzählen, da ich um die Unbefangeneren unter den künftigen Lesern besorgt bin. Höre jedoch
die listigen Machenschaften des Geistes der Unzucht. Erwirbt sich jemand die Leidenschaftslosigkeit des begehrlichen Teils der Seele und kühlen die schamlosen Gedanken ab, dann läßt dieser Dämon
im Geiste Männer und Frauen auftreten, die miteinander ihren Schabernack treiben, und er macht den Anachoreten zum Zuschauer schamloser Handlungen und Gebärden. Doch diese Versuchung gehört nicht
zu denen, die lange bestehenbleiben. Inbrünstiges Gebet nämlich und kärglichste Kost, im Verein mit Wachen und Übungen in geistlicher Betrachtung, vertreiben sie wie eine wasserlose Wolke.
Manchmal aber läßt dieser Bösewicht auch das Fleisch in Flammen geraten, indem er es in den widervernünftigen Brand versetzt, und ersinnt dazu noch unzählige andere Dinge, die zu verbreiten und
aufzuschreiben nicht nötig ist.
Hinsichtlich derartiger Gedanken ist auch das Aufwallen des Zornes von Nutzen, wenn es gegen den Dämon gerichtet ist. Gerade diesen Zorn fürchtet er besonders, wenn er über die Gedanken in
Aufruhr gerät und seine Absichten zunichte macht. Dies ist gemeint, wenn es heißt: "Zürnt und sündigt nicht!" - eine Aussage, die der Seele in den Versuchungen wirksame Arznei liefert.
Aber auch der Dämon des Zornes ahmt diesen Dämon der Unzucht nach und läßt uns auch seinerseits Eltern, Freunde oder Verwandte sehen, wie sie von nichtswürdigen Menschen verdernütigt werden.
Und er erregt den Zorn des Anachoreten, denen gegenüber, die in seinem Denken erscheinen, etwas Böses zu sagen oder zu tun. Es ist nötig, auf diese Vorgänge aufzupassen und das Denken sofort
diesen Bildern zu entreißen. Es darf nicht lange bei ihnen verweilen, damit es nicht zur Zeit des Gebetes zu einem brennenden Holzscheit werde.
In diese Versuchungen geraten vor allem die Jähzornigen und jene, die sich leicht zum Ungestüm hinreißen lassen. Diese sind weit entfernt vom reinen Gebet und von der Erkenntnis unseres
Erlösers Jesus Christus.
(Evagrios Pontikos - 23 Kapitel über die Unterscheidung der Leidenschaften und Gedanken 15)
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