6 Von den Gedanken beeinträchtigen die einen, die anderen werden beeinträchtigt. Und zwar beeinträchtigen die schlechten die guten, und von den guten werden wiederum die schlechten beeinträchtigt. Also richtet der Heilige Geist seine Aufmerksamkeit auf den ersten gefaßten Gedanken und verurteilt oder bestätigt uns im Hinblick auf ihn.
Was ich meine, ist folgendes: Ich habe einen Gedanken an die Gastfreundschaft, und zwar des Herrn wegen. Er wird aber beeinträchtigt, weil der Versucher herangekommen ist und mir eingibt, um
der Ehre willen gastfreundlich zu sein. Wieder habe ich einen Gedanken an die Gastfreundschaft, um von den Menschen gesehen zu werden. Aber auch dieser wird dadurch beeinträchtigt, daß ein
besserer Gedanke herbeigekommen ist, der unsere Tugend vielmehr auf den Herrn ausrichtet und uns nötigt, dies nicht der Menschen wegen zu tun.
7 Wir haben durch viel Beobachtung erkannt, daß zwischen den engelhaften, menschlichen und dämonischen Gedanken folgender Unterschied besteht:
Fürs erste erforschen die engelhaften Gedanken das Wesen der Dinge aufs genaueste und spüren ihre geistlichen Bedeutungen auf; zum Beispiel, weshalb das Gold geworden ist, warum es wie Sand
irgendwo unten zwischen die Schichten der Erde eingesät ist und man es nur mit viel Mühe und Anstrengung findet, wie es aber - einmal gefunden - im Wasser gewaschen, dem Feuer ausgesetzt und so
in die Hände der Handwerker gegeben wird, welche dann den Leuchter des Zeltes, den Rauchopferaltar, die Räucherpfannen und Schalen daraus verfertigen, aus denen durch die Gnade des Erlösers jetzt
nicht mehr der König von Babel trinkt. Kloopas trägt ein Herz, welches von diesen Geheimnissen brennt.
Der dämonische Gedanke aber weiß dies weder, noch versteht er es. Allein den Erwerb des sichtbaren Goldes gibt er einem auf schamlose Weise ein und sagt einem die daraus erwachsende Speise
und Ehre voraus.
Der menschliche Gedanke jedoch erstrebt auch nicht den Erwerb, noch forscht er nach, was das Gold symbolisiert, sondern bringt dem Denken nur die bloße Form des Goldes nahe, frei von
Leidenschaft und Habgier.
Dieselben Worte kann man auch auf die übrigen Dinge beziehen, wenn man sie nach dem vorliegenden Muster im mystischen Sinn anwendet.
(Evagrios Pontikos - 23 Kapitel über die Unterscheidung der Leidenschaften und Gedanken 6-7)
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