4 Wir müssen uns fragen, wie die Dämonen durch die Vorstellungen während des Schlafes im führenden Teil unserer Seele Eindrücke hervorrufen und ihn beeinflussen. Derartiges nämlich scheint
dem Geist zu widerfahren, wenn er mit den Augen sieht, mit dem Gehör hört - oder es geschieht durch einen beliebigen Sinn; oder aber vom Gedächtnis her, welches ja dem führenden Teil der Seele
Eindrücke vermittelt, indem es in Bewegung versetzt, was es durch den Leib erhalten hat. Die Dämonen scheinen mir also dem führenden Teil der Seele Eindrücke zu vermitteln, indem sie das
Gedächtnis in Bewegung versetzen. Das Werkzeug der Sinne wird ja vom Schlaf in einem untätigen Zustand gehalten.
Wir müssen uns also abermals fragen, wie sie das Gedächtnis in Bewegung setzen. Geschieht es vielleicht durch die Leidenschaften? Dies ist daraus ersichtlich, daß die Reinen und
Leidenschaftslosen nichts Derartiges mehr erfahren. Es gibt aber auch eine gewisse natürliche Regung des Gedächtnisses, welche durch uns oder durch die heiligen Mächte erfolgt, bei der wir mit
Heiligen zusammentreffen und mit ihnen Mahl halten. Man muß jedoch beachten: Die Bilder, die die Seele mit dem Leib aufnimmt, erregt das Gedächtnis ohne Beteiligung des Leibes. Dies wird dadurch
deutlich, daß wir dies oft auch im Schlaf erleben, während der Leib ruht. Denn wie man an Wasser denken kann, ob man nun Durst empfindet oder nicht, so kann man auch an Gold denken, ob man nun
habgierig ist oder nicht. Bei den anderen Dingen verhält es sich ebenso.
Die Tatsache aber, daß man ständig auf unterschiedliche Vorstellungen stößt, ist ein Merkmal der hinterhältigen List jener Dämonen. Zugleich muß man auch folgendes wissen: Die Dämonen
benutzen gewöhnlich auch äußere Umstände, um eine Vorstellung hervorzurufen, wie zum Beispiel das Geräusch der Wellen bei Schiffsreisenden.
(Evagrios Pontikos - 23 Kapitel über die Unterscheidung der Leidenschaften und Gedanken 4)
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