Großer Glaube - großer Zweifel
Was ist nun die Erkenntnis des Großen Vollkommenen Spiegels? Wenn du darin Einblick erhalten willst, sollst du zuerst große Entschlusskraft und großen Glauben entwickeln, damit du die
ursprünglich eingeborene erwachte Natur erkennen kannst. Nachdem Entschlusskraft und Glaube geweckt sind, solltest du dich fortwährend fragen: „Wer ist eigentlich derjenige Gastgeber, der sieht
und hört?“ Beim Gehen, Stehen, Sitzen und Liegen, in Aktivität und Ruhe, in angenehmen wie widrigen Umständen, widme dich ganz der Frage, was das ist, das hier und jetzt wahrnimmt. Was hört? Was
sieht?
Letztlich frage dich: Was ist dies? Wenn du diese Art des Zweifels kontinuierlich aufrecht erhältst und dabei von kühnem Geist und einem Gefühl von Scham angetrieben wirst, wird sich dein
Bemühen von selbst zu einer einzigen festen Zweifelsmasse vereinen, deine Vitalität wird sich erdrückt fühlen, dein Geist beunruhigt, so wie ein Vogel im Käfig oder eine Ratte, die sich in einem
Bambusrohr gefangen findet.
Wenn du dann weitermachst, ohne nachzulassen, wirst du dich irgendwann fühlen, als würdest du in eine kristallene Welt eintreten: Die ganze Welt, innen wie außen, Böden und Decken, Häuser und
Gefährte, Felder und Berge, Gräser und Bäume, Menschen und Tiere, Dinge und Güter – all dies wird dir wie Illusionen, Träume, Schatten, wie Rauch vorkommen. Öffnest du dann deine Augen in
Klarheit und in Geistesgegenwart, dann erkennst du mit Gewissheit eine unfassbare Wirklichkeit, die zugleich zu existieren und nicht zu existieren scheint. Dies ist der Zeitpunkt, wo die Essenz
der Erkenntnis manifest wird.
(aus "Die vier Arten der Erkenntnis (Weisheit) eines Erwachten" von Hakuin Ekaku)
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