23 Kapitel - 2

2 Alle dämonischen Gedanken geben der Seele Vorstellungen der sinnlich wahrnehmbaren Dinge ein, durch die der Geist geprägt wird und so die Formen jener Dinge in sich umherträgt. Und an eben diesem Gegenstand her erkennt er dann den Dämon, der sich ihm genaht hat.

Wenn mir zum Beispiel das Gesicht dessen zu Bewusstsein kommt, der mich geschädigt oder beleidigt hat, wird der Gedanke des alten Grolls als der entlarvt, der mir dies dargestellt hat. Wenn andererseits die Erinnerung an Reichtum oder Ehre aufkommt, wird man aus dem Gegenstand zweifellos den uns bedrängenden Gedanken erkennen. Und genauso wird man auch bei den anderen Gedanken vom Gegenstand her denjenigen herausfinden, der sich eingestellt hat und unsere Vorstellung beeinflusst.

Damit will ich aber nicht sagen, dass alle Erinnerungen an derartige Gegenstände von Dämonen herrühren; denn auch der Geist an sich bringt natürlicherweise Vorstellungen der geschaffenen Dinge hervor, wenn er vom Menschen bewegt wird. Es sind vielmehr nur alle jene Erinnerungen gemeint, die im Gegensatz zur Natur Zorn oder Begierde mit sich bringen. Aufgrund des Aufruhrs dieser Kräfte nämlich treibt der Geist in seinem Denken Ehebruch und kämpft, ohne dabei die Erscheinung Gottes, der ihm das Gesetz gegeben hat, erfassen zu können - wenn jener Glanz wirklich zur Zeit des Gebetes durch die Entblößung von den dinglichen Vorstellungen dem führenden Teil der Seele erscheint.

 

(Evagrios Pontikos - 23 Kapitel über die Unterscheidung der Leidenschaften und Gedanken 2)

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