Hingabe

Wenn ihr einer Seele begegnet, die alles, alles verlassen hat, um sich mit all ihrer Kraft dem Ewigen Worte Gottes hinzugeben und nur noch für das Ewige Wort Gottes ganz und gar zu leben, nur noch von Ihm bewegt und geleitet zu sein, nur noch in Erwartung und Empfängnis dessen lebt, was das Wort Gottes in ihr zeugen mag und was sie Ihm gebären soll - so daß sie mit Recht ausrufen darf, »Christus ist mein Leben und der Tod ist mir Gewinn« - dann wisset, daß eine solche Seele dem Ewigen Worte Gottes wie eine echte Gemahlin ist: sie hat sich Ihm im Geiste vermählt.


Ja, eine solche Hingabe an den Willen Gottes vermählt die Seele mit Ihm, und dann erst wird sie im Geiste Ihm ähnlich, und Ihm nicht weniger ähnlich auch im Willen, und ebenso in der Liebe, mit der sie vollkommen und grenzenlos nur Gott und Gott allein liebt: so ist sie Ihm also eine Gemahlin.

 

Der Name der Liebe kommt aber vom Lieben und nicht vom ehrfürchten oder bewundern. Man ehrt, wenn man staunt und bewundert, oder wenn man fürchtet und bewundert - aber alles Staunen und Fürchten verschwindet, verdampft in der reinen Flamme, geht auf im reinen Jubel bewundernder Liebe. Nur die Liebe genügt sich selbst vollkommen. Und der Geliebte ist die Unendliche Liebe Selbst.

(Bernhard von Clairvaux, aus den Predigten zum Hohen Lied Salomonis)

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