Sakramente

Als die Schöpfung begann, da schuf Er zuerst das Licht, um alles andere danach im Licht zu schaffen. Also hat Er bedeutet, daß Er die Werke der Finsternis nicht liebe, weil sie böse sind. »Denn jeder, der Böses tut, haßt das Licht und kommt nicht ans Licht, damit er seiner Werke nicht geziehen werde, weil sie böse sind. Wer aber die Wahrheit tut, der kommt ans Licht, damit seine Werke offenbar werden, weil sie in Gott getan sind.« (Joh. 3, 20 f) Er, der Sich rüstete, die Wahrheit zu erschaffen, wollte Sein Werk nicht im Finstern tun, Er kam ans Licht, Er schuf das Licht, um durch das Licht Sich zu offenbaren. Es ist nicht so, als hätte Er das Licht erschaffen, um selbst kraft des Lichtes zu sehen, sondern Seine Werke wollte Er durch das Licht offenbaren, als Werke Gottes.

Manche sprechen so viel von der Liebe, daß sie die Liebe fast schon gegen die Wahrheit ausspielen. Und doch gibt es kein Lob der Liebe, wo man die Wahrheit in Nachteil setzt. Alles, was man da über die Liebe sagt, ist ein schöner Anfang zu einem richtigen Urteil. Wir wollen aber doch das Licht von der Finsternis scheiden und über das Dunkel lächeln, das ins Licht sich mengt, und wie gleich zu gleich sich daneben stellt. Ja, wenn die Liebe Licht ist, so sind doch Irrtum und Torheit Finsternis. Wo Liebe ist, da ist Helle, aber nicht in ihr ist ein Mensch, der mit süßem Getue einherkommt. Ein Mensch, der in der Liebe wandelt, überschreitet nicht den Gesichtskreis, der ihm verstattet ist. Solange er im Licht ist, kann er nicht irren, weil er sieht, wo er steht. Wer aber im dreisten Übergriff sich dorthin stürzt, wo er nicht sehen kann, verliert die klare Helle, weil er die Liebe nicht mehr hat. Wohin er weiter seine Schritte noch lenken mag: alles ist Irrtum. Also lügen jene Lobspender und wissen nichts von Liebe; sie sollten sich nicht dessen anmaßen, was sie nicht sehen konnten.

Das Wort wurde Fleisch, ohne etwas von Seiner Göttlichkeit zu verlieren, und konnte erst dadurch von den Menschen gesehen werden. Aber nur so wie ein Buch, das zugleich innerlich und äußerlich beschrieben ist, das heißt, mit sichtbarer, und zugleich auch mit unsichtbarer Tinte: die äußerlich sichtbare Schrift ist das menschliche Leben Christi, die innere, die erst sichtbar gemacht werden soll, ist Sein göttliches Leben. Die menschliche Schrift wird von uns durch unsere Bemühungen um unsere eigene Nachfolge Christi gelesen, die Schrift entziffern wir nur durch frommes Versenken in die Anschauung Gottes. Und wir lesen die menschliche Schrift, um uns zu heilen, die göttliche aber, damit wir zur Vollkommenheit geführt werden. So steht z.B. innen zu lesen: »Im Anfang war das Wort« und außen. »Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns«. Dies einzigartige Buch ist also doppelt geschrieben, seine innere Schrift ist einmalig, seine äußere geschah in zwei Ansätzen, das erstemal durch die Schöpfung der sichtbaren Welt und ein zweitesmal durch die Leibwerdung Christi. Das erstemal, um die Natur zu begründen, das zweitemal, um uns von der Erbsünde zu befreien.

(Hugo von St. Viktor, aus "De sacramentis")

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