Nichts-Nicht IV

Hüte Dich!

Gib acht, daß dich niemand höre, von denen, die nicht eingeweiht sind. Ich will sagen, von jenen Ahnungslosen, die noch irgendwo im Sein haften (oder gar: im Dasein!) - und die sich nicht vorstellen können, daß es über alle Wesen hinaus ein Nichtsmehr-Nichtsein geben muß, ein erst Wesenschaffendes, ein überhaupt, und die sich einbilden, auf den Wegen des Erkennens Dem nahen zu können, Der Sich die Dunkelheit als Heimat und als Quelle Seines Lichtes gewählt hat.


Aber wenn die Enthüllung der Geheimnisse Gottes sogar auch denen noch unerreichbar bleibt, die sich so weit vorgewagt haben, - was ist von jenen anderen noch ahnungsloseren Profanen zu sagen, die töricht genug sind, zu meinen, sie könnten den übersinnlichen Urgrund alles Geschehens und Seins mit Hilfe der niedrigsten, handgreiflichsten Schlüsse sinnfällig machen?

 

Weil sie glauben, daß auch die Wahrheit nicht aus anderem Stoff bestünde als ihre Fetische und Idole es sind, von denen sie sich so viele Götzenbilder machen? Während es dem Urgrunde des Alls eher gemäß wäre, wenn wir von Ihm diese Weisheit sagten: weit mehr als alle Eigenschaften jedes Seins die alle aus Ihm erst stammen gebühre Ihm die Verneinung aller Eigenschaften des Nichtseins, die doch immer Bestimmungen sind und Begrenzungen und Trennungen von anderen Eigenschaften, und Verzicht auf dieses und jenes, begrenzbarer Bezug und begrenzbarer Nichtbezug, während der Urgrund immer unendlich ist und alle Eigenschaften und Seinsweisen und Nichtseinsweisen und Möglichkeiten des Seins und des Nichtseins in sich einbegreifen und in sich auflösen muß. Ohne daß du deshalb etwa glauben darfst, dass diese Verneinungen jenen Bejahungen widersprechen! Denn ist nicht die Urgottheit erhaben über jedes Nein, erhaben über jedes ja, enthält Sie nicht alle Eigenschaften, deren Fülle und deren Sprengung, bis in alle Unendlichkeit?

 

(Dionysios Pseudo-Areopagita, "Migne")

Kommentar schreiben

Kommentare: 0