Das schöpferische Dunkel (Nachtrag)

Nun ist aller klar: Sobald Moses in der Kenntnis Gottes schon ein wenig weiter vorgeschritten ist, da erklärt er, daß er Gott nicht im Licht, sondern in der Dunkelheit sieht, und das heißt, er erkennt, daß die Gottheit genau das ist, was wesentlich alle Kenntnismöglichkeit übersteigt und was dem Zugriff des Geistes sich ewig entzieht. Darum sagt die Schrift: »Moses drang bis in die Dunkelheit vor, darin Gott wohnte«. Welcher Gott? Der, von dem geschrieben steht, daß Er »aus dem Dunkel seine Wohnung gemacht hat«, wie auch David bestätigt, denn auch David war in dasselbe geheime Heiligtum eingeweiht, auch ihm war dasselbe undenkbare Mysterium vertraut.

Dort angelangt, empfängt Moses durch das Wort die gleiche Belehrung, die ihm schon vorher durch die Dunkelheit selbst übermittelt worden war. Wahrscheinlich, damit unser Vertrauen in diese Lehre und unser unbedingter Glaube an sie durch das Zeugnis des Gottesworts selbst umso fester begründet werde. Denn das, was das Wort Gottes uns vor allem nahelegt, das ist, daß Menschen niemals den Schöpfer mit irgend etwas vergleichen, was sie kennen. Wir lernen also, daß jede Vorstellung, die uns unser Verstand anbietet, um zu versuchen, ob wir dadurch nicht das Wesen Gottes irgendwie andeuten könnten, niemals zu etwas anderem gelangen kann, als uns eine Art Idol von Gott anzubieten, statt einer Erkenntnis Gottes.

 

(Gregor von Nyssa, †394, aus dem "Leben Mosis")

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