Die Gottheit ist unbegreifbar - und so wird Sie sicherlich auch ohne Namen sein. Da wir Ihr Wesen nicht kennen können, so hätte es auch keinen Sinn, nach dem Namen Ihres Wesens zu forschen.
Und überdies bezeichnen die Namen ja immer nur Sachen, Geschöpfe, Seiendes. Gott ist freilich gütig und hat uns in Seiner Güte aus dem Nichtsein ins Sein berufen, und um uns Seine Güte
mitzuteilen hat Er uns auch mit Erkenntnis ausgestattet. Allein die Erkenntnis Seines Wesens hat Er uns nicht mitgeteilt, so wenig wie Sein Wesen selbst. Denn es ist ja unmöglich, daß endliche
Natur jemals die unendliche Übernatur vollkommen erkenne. Mögen wir auch das Seiende kennen - wie könnten wir je an das Überseiende heranreichen? Und doch gefiel es Gott in Seiner
unaussprechlichen Güte, Sich von uns nach dem nennen zu lassen, was eben uns entspricht; und so sind wir trotz allem nicht völlig bar Seiner Erkenntnis, und so haben wir dennoch ein - wenn auch
sehr dunkles -Verständnis für das, was Sein Wesen sein könnte. Zwar ist uns Sein Unbegreifliches auch unnennbar - da Er aber die Ursache aller Dinge ist und da Er alle Begriffe und alle Ursachen
von allem Geschaffenen in Sich trägt, wird Er auch nach allem Geschaffenen benannt, nach dem Seienden wie nach dessen Gegenseienden, wie z.B. nach dem Licht und nach der Finsternis, nach dem
Wasser und nach dem Feuer. Wir sollten aber daran nur erkennen, daß Er dieses alles dem Wesen nach gar nicht sein kann. Doch als überwesentlich und als unbenennbar bedeutet Er dies alles und kann
als die schöpferische Ursache von allem auch nach allem von Ihm Geschaffenen und Verursachten genannt werden.
Die verneinenden Namen Gottes sind alle jene, die Sein Überwesentliches bedeuten sollen - wie z.B. »wesenlos«, »anfanglos«, »zeitlos«, »unsichtbar«, nicht als ob Er geringer wäre als
irgendetwas oder als ob Ihm irgendetwas fehlen könnte - alles ist ja das Seine und aus Ihm und durch Ihn ist alles geworden und hat nur durch Ihn Bestand - sondern weil Er unfaßbar erhaben über
alle Wesen ist. Dagegen die anderen, die bejahenden Aussagen von Gott bedeuten im Munde der Aussagenden immer nur, daß Er als schöpferische Ursache von diesem allen auch darin stets gegenwärtig
ist. Auch in diesem Sinne ist Gott also allgegenwärtig: alles bedeutet nur Ihn. (Cap. XII).
(Johannes von Damaskus, †749, aus der "Darlegung des orthodoxen Glaubens")
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