Einem Altvater war es überaus lästig, wenn ihn Leute während des Gebetes besuchten und behinderten. Wenn sie sich endlich auf seine Bitten hin entfernten, setzte er sein Gebet sogleich fort; begriffen sie seine Ermahnung wegzugehen, nicht, auch beim zweitenmal nicht, dann hieß er sie ganz deutlich weitergehen. Darüber habe ich schon öfter mit ihm gesprochen und ihm zu bedenken gegeben, daß es die Leute doch sehr übel auffaßten, wenn er sie ohne Segen wegschickte, und daß es sich nicht gehöre, Menschen, die viele Tagereisen weit herbeigekommen seien, mit groben Worten abzuweisen, er solle sie vielmehr freundlich aufnehmen und durch geistliche Gespräche erquicken und trösten. Er erwiderte mir:
»Ich bin um keines anderen Menschen willen auf diesen Berg gekommen, sondern einzig meinetwegen, und da ich noch voller Sünden und seelischer Gebrechen bin, bedarf ich dringend der Arznei; deshalb bitte ich auch den gütigen Gott, daß er meine Laster heile. Wäre es daher nicht sträflich und töricht, das Gebet zu unterbrechen und mit den Leuten zu schwatzen? Gesetzt den Fall, ich stünde bei meinem Herrn, einem Menschen wie mir, in Dienst, und ich würde, statt ihn bei Tisch zu bedienen, unterdessen mit meinen Mitdienern schwätzen, verdiente ich dann nicht mit Recht eine starke Rüge? Oder, wenn ich zum Oberrichter ginge, und ich unterbräche auf einmal meinen Bericht, um mit einem zufällig Anwesenden mich zu unterhalten, würde da der Richter nicht ungehalten werden, mir seine Unterstützung verweigern und mich zum Gerichtssaal hinauswerfen lassen? Wenn es sich also gehört, daß der Diener gegen seinen Herrn und der Bittsteller gegen den Richter sich anständig benehmen: Warum soll ich gegen den ewigen und allmächtigen Gott, den gerechtesten Richter und König aller Könige, nicht das Gleiche tun? Und warum soll ich mich während des Gebetes anderen Leuten zuwenden und mit ihnen allerlei Geschwätz anfangen?«
(aus Gerd Heinz-Mohr, "Weisheit aus der Wüste")
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Ruth Finder (Mittwoch, 21 Oktober 2020 20:27)
Ja und naja.
Hier habe ich Anstoß genommen:
"Wenn es sich also gehört, daß der Diener gegen seinen Herrn und der Bittsteller gegen den Richter sich anständig benehmen: Warum soll ich gegen den ewigen und allmächtigen Gott, den gerechtesten Richter und König aller Könige, nicht das Gleiche tun?"
Der Altvater könnte sich entspannen und die Leute ruhig empfangen, denn Gott steht über unanständigem Benehmen ihm gegenüber - im Vergleich zu den irdischen Herrn und Richtern: Er kann das verkraften, nimmt das nicht persönlich.
Oder der Altvater geht dort beten, wo ihn die Leute nicht erreichen.