Einmal wurde eine Versammlung in der Sketis gehalten, und die Väter sprachen viel über einen Bruder, der versagt hatte. Ein Altvater aber schwieg. Danach stand er auf, ging hinaus, nahm einen Sack, füllte ihn mit Sand und lud ihn auf seinen Rücken. Darauf tat er ein wenig von dem gleichen Sand in ein Körbchen und trug es vor sich her. Und als ihn die Väter fragten, was das bedeuten solle, antwortete er: "Dieser Sack mit dem vielen Sand stellt meine Sünden vor, und weil es viele sind, habe ich sie auf meinen Rücken gepackt, damit ich sie nicht anzuschauen und über sie zu trauern und zu klagen brauche. Dies bißchen Sand hier aber sind die Versäumnisse dieses Bruders; die halte ich mir vor Augen und wühle in ihnen und verdamme meinen Bruder. Aber so soll man es nicht halten, sondern meine größere Sündenmenge soll mir vor Augen stehen, und ich muß über sie nachdenken und Gott bitten, daß er mir vergibt."
(aus Gerd Heinz-Mohr, "Weisheit aus der Wüste")
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C. (Mittwoch, 07 Oktober 2020 09:27)
Der Altvater will damit wohl nicht zwingend sagen, dass "der Andere" nicht auch einen ordentlichen Ranzen voll Sand hinter sich hat, aber wahrscheinlich entzieht sich einem der umfassende Einblick in die Rucksäcke der anderen - außer, man ist schon ein ziemlich entwickelter Meister (Das könnte übrigens ein zweiter Grund sein, warum der Sand gewöhnlich auf dem Rücken getragen wird ^^).
Man soll sich nach Ansicht des wüsten Vaters wohl aber eigentlich mit dem eigenen Sand befassen (Innenschau und Selbstanalyse), und nicht mit der kleinen Portion, die man aus dem Sündenregister des anderen herauslesen kann. An den eigenen Sand kann man jedenfalls theoretisch viel leichter herankommen.