Wieder gelesen, neu gelesen II

Die List des Satans

"Einst", erzählte der Kobruner Rabbi, "pflegte sich der Satan, wenn er einen Chassid hindern wollte, zum Zaddik zu fahren, in die Gestalt seines Vaters oder seiner Mutter oder seines Weibes zu verwandeln und ihm nun zuzureden, so gut er konnte, um ihn von seinem Willen abzubringen. Als er aber merkte, dass all der Widerstand die Kraft der Treue nur steigerte, verfiel er auf ein anderes Mittel. Jetzt schließt er Frieden mit dem Mann, den er vornimmt, befreundet sich mit ihm und redet sänftiglich: 'Du hast mich bekehrt, fahre nur zu deinem Rabbi und erlaube mir, mit dir zu fahren, bete nur in deiner Weise und lass mich mitbeten, lerne nur, was du magst, ich will dir lernen helfen.' Und so kommt die Zeit heran, wo der Satan ihm sagt: 'Setze dich nur auf den Zaddiksitz, und ich will mit dir sitzen; wir bleiben zusammen!'"

 


Unentgeltlich

Einer der Chassidim des Rabbi von Worki kam nach dessen Tod zu Rabbi Mosche von Kobryn.
"Was sucht Ihr hier bei mir in Litauen", fragte der, "wovon Ihr nicht ebensoviel und mehr bei jedem der Zaddikim von Polen fändet?"


"Mein Lehrer", antwortete der Mann, "hat oft gesagt, es sei fromme Pflicht, den Rabbi von Kobryn kennenzulernen, denn er rede in seinem Herzen die Wahrheit. Da bin ich schlüssig geworden, Euch zu besuchen, dass ich vielleicht von Euch erführe, wie man die Wahrheit erlangt."


"Die Wahrheit", sagte der Kobryner, "kann man nicht erlangen. Gott schaut einen Menschen an, der sein Leben drantut, die Wahrheit zu erlangen - auf einmal schenkt er ihm etwas davon, unentgeltlich. Darum heißt es: 'Du wirst Jakob Wahrheit geben.'"


Er nahm eine winzige Tabakprise zwischen den Finger und steute sie hin: "Sieh, noch weniger als dies!"


Und nahm noch einmal etliche Tabakkörner in die Hand: "Sei's noch weniger, wenn's nur Wahrheit ist!"

(Ruth Finder)

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