Pflege das Fasten nach Kräften vor dem Angesicht Gottes; es wird deine Schlechtigkeiten und Sünden reinigen, schmückt deine Seele, heiligt dein Denken, vertreibt die Dämonen, befähigt dich, Gott nahe zu sein. Hast du einmal am Tag gegessen, trachte nicht nach einem zweiten Mal, damit du nicht viel Aufwand machst und dein Denken nicht in Unruhe versetzt. Somit wirst du genügend Mittel haben für die Werke der Wohltätigkeit und imstande sein, die Leidenschaften gerade des Leibes zu ertöten. Wenn sich aber Brüder bei dir einfinden und es nötig wird, ein zweites oder drittes Mal zu essen, werde nicht traurig noch betrübt; freue dich vielmehr, wenn du der Notwendigkeit gehorsam geworden bist; und hast du ein zweites oder drittes Mal gegessen, sage Gott Dank dafür, daß du das Gesetz der Liebe erfüllt hast und auf diese Weise zweifellos Gott selbst für unser Leben das Nötige beschaffen wird. Manchmal aber tritt auch eine Schwäche des Leibes ein, und du hast es daher nötig, ein zweites oder drittes Mal und oftmals zu essen; hege dann keine betrübten Gedanken. Denn es ist nicht nötig, die körperlichen Mühen unserer Lebensweise auch dann zu meistern, wenn man schwach ist; man muß vielmehr manchen ein wenig nachgeben, damit sich der Leib bald wieder in denselben Mühen unseres Lebenswandels übe wie vorher. Was die Enthaltung von gewissen Speisen betrifft, so hindert uns das göttliche Gebot nicht daran, etwas Bestimmtes zu essen, sondern es spricht: "Seht, ich gebe euch alles zur Nahrung; eßt es wie das grüne Kraut," ohne irgendwie nachzufragen und: "Nicht, was in den Mund hineingeht, macht den Menschen unrein." Wenn wir uns also von gewissen Speisen enthalten, so soll dies unserer freien Wahl entspringen und eine Mühe der Seele sein.
(Evagrios Pontikos, Grundriss des mönchischen Lebens, S. 77)
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