Wieder gelesen, neu gelesen

Bin ich es, der nachts durch mein Zimmer wandert,
oder der Bettler, der durch meinen Garten schleicht in der Abenddämmerung?

Ich sehe mich um und finde, dass alles noch gleich ist
und ist doch nicht gleich...
War das Fenster offen?
War ich nicht eben eingeschlafen?

War der Garten nicht blaßgrün?...
Der Himmel war klar und blau...
Und da sind Wolken und es ist windig
und der Garten ist dunkel und traurig.

Ich glaube, mein Haar war schwarz...
Ich war gekleidet in Grau...
Und mein Haar war grau
und ich bin gekleidet in Schwarz...
Ist dies mein Gang?
Hat die Stimme, die in mir hallt, noch den Rhythmus der Stimme, die ich einmal hatte?
Und bin ich ich selbst, oder bin ich der Bettler, der durch meinen Garten schlich in der Abenddämmerung?

Ich sehe mich um...
Da sind Wolken und es ist windig...
Der Garten ist dunkel und traurig...

Ich komme und gehe...
Ist es nicht wahr, dass ich bereits eingeschlafen war?
Mein Haar ist grau...
Und alles ist gleich und doch nicht mehr gleich...

(Juan Ramòn Jimènez)

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Kommentare: 3
  • #1

    Castaneda (Donnerstag, 13 August 2020 18:34)

    Ich bin bereits der Kraft anheim gegangen, die mein Schicksal regiert.
    Und ich klammere mich an nichts, daher will ich nichts verteidigen.
    Ich habe keine Gedanken, daher will ich sehen.
    ich fürchte nichts, daher will ich mich meiner erinnern.
    Losgelöst und mit Leichtigkeit will ich an dem Adler vorbeischnellen, um frei zu sein.

    (Beschwörungsformel aus "Die Kunst des Pirschens")

  • #2

    Simon (Donnerstag, 13 August 2020 23:12)

    Ich bin nicht ich

    Ich bin der,
    der mich unsichtbar begleitet,
    den ich manchmal aufsuche
    und manchmal vergesse.
    Der gelassen schweigt, wenn ich rede,
    der milde verzeiht, wenn ich hasse,
    der hingeht, wo ich nicht bin,
    der stehen bleiben wird, wenn ich sterbe.

    (Juan Ramón Jiménez)

  • #3

    Simon (Samstag, 15 August 2020 12:31)

    Jeder Weg ist nur ein Weg
    und es ist kein Verstoß gegen sich selbst oder andere,
    ihn aufzugeben, wenn dein Herz es dir befiehlt ...
    Sieh dir jeden Weg scharf und genau an.
    Versuche ihn so oft wie nötig.
    Dann frage dich, nur dich allein: ... Ist es ein Weg mit Herz?
    Wenn ja, dann ist es ein guter Weg;
    wenn nicht, ist er nutzlos.

    (Juan Matus in “Die Lehren des Don Juan”)