Ein Bruder sagte zu einem Altvater: »Sieh,Vater, ich bitte häufig die älteren Väter, daß sie mir Ratschläge für das Heil meiner Seele geben; doch was sie mir auch sagen, ich behalte nichts
davon. «Da standen aber zwei leere Gefäße, und der Altvater sagte zu ihm: »Geh und bringe eins von diesen Gefäßen und gieße Wasser hinein, spüle es aus und stelle es wieder an seinen Platz.« So
tat der Bruder mehrere Male. Dann sagte der Greis zu ihm: »Bringe jetzt beide Gefäße her.« Und als er sie gebracht hatte, fragte er ihn: »Welches von den beiden ist sauberer?« Der Bruder
antwortete: »Das, in welches ich das Wasser gegossen habe, um es zu spülen.« Da sprach der Altvater zu ihm: »So ist es auch mit der Seele, mein Sohn, die häufig die Worte Gottes hört. Wenn sie
auch nichts behält von dem, was sie fragt, so ist sie doch sauberer als die, die nicht fragt.«
In der Sketis lebte ein Altvater, der zwar körperliche Mühsal gut ertrug, es aber nicht fertigbrachte, das zu behalten, was er gehört hatte. Dieser suchte eines Tages einen anderen Altvater
auf, um sich wegen seiner Vergeßlichkeit Rat zu holen. Und als er dessen Belehrung gehört hatte, ging er in seine Zelle zurück und vergaß sogleich, was der andere ihm gesagt hatte. Er ging noch
einmal hin und fragte ihn. Danach kehrte er wieder heim. Sobald er aber zu seiner Zelle kam, hatte er erneut vergessen, was er gehört hatte. So ging er viele Male hin und zurück; aber seine
Vergeßlichkeit war stärker. Danach machte er sich wiederum auf den Weg zu dem Greis und sprach: »Weißt du, Vater, daß ich schon wieder vergessen habe, was du mir gesagt hast? Aber jetzt komme ich
nicht mehr wieder, damit ich dir nicht lästig falle.« Da sagte der andere zu ihm: »Geh, zünde einen Leuchter an!« Und er zündete ihn an. Dann sagte er zu ihm: »Bringe die anderen Leuchter herbei
und zünde sie an diesem an.« Er tat es. Daraufhin fragte der Greis seinen Besucher: »Ist der Leuchter irgendwie dadurch beschädigt worden, daß du die anderen an ihm angezündet hast?« Er sprach:
»Nein.« »So werde auch ich nicht beschädigt, und wenn die ganze Sketis zu mir käme, noch wird es mich von der Liebe zu Gott abhalten. So oft du also willst, komm und zögere nicht!« Und so, durch
ihrer beider Geduld, nahm Gott die Vergeßlichkeit von dem Greise. Es war nämlich Gepflogenheit unter den Bewohnern der Sketis, daß sie die ermutigten, die von irgendeiner Leidenschaft bedrückt
wurden oder sich eine Mühe auferlegten. Und so taten sie sich gegenseitig Gutes.
(aus Gerd Heinz-Mohr, "Weisheit aus der Wüste")
Kommentar schreiben