Ein Bruder war einer Versuchung erlegen und gab in seiner Bedrängnis das Leben nach der Mönchsregel auf. Als er danach wieder versuchte, sein Leben von der Regel bestimmen zu lassen, wurde er
von der Trübsal über sein Versagen daran gehindert und sprach zu sich selbst: »Wann werde ich mich je so wiederfinden, wie ich einst war?« Seine geistliche Kraft ließ immer mehr nach, und er
brachte es nicht mehr fertig, richtig wie ein Mönch zu leben. Da suchte er einen Altvater auf und erzählte diesem, wie es ihm ergangen war. Der Greis aber, nachdem er sich angehört hatte, was ihn
bedrückte, erzählte ihm folgendes Beispiel:
»Ein Mann besaß einen Acker, der aber infolge seiner Nachlässigkeit verwilderte und schließlich voll von Unkraut und Dornen war. Als er sich das anschaute, ärgerte er sich sehr und sprach zu
seinem Sohn: 'Geh und säubere das Grundstück!' Der Sohn ging hin, um es in Ordnung zu bringen. Sobald er es aber genauer betrachtete und die Menge des Unkrauts und der Dornen erkannte, die darauf
gewachsen waren, verließ ihn der Mut, und er sagte zu sich selbst: 'Wann kann ich dies alles jemals herausjäten und säubern?' Damit warf er sich auf die Erde und fing an zu schlafen. Dies tat er
aber viele Tage lang. Danach kam sein Vater, um zu sehen, was er fertiggebracht hatte, und fand, daß nichts getan war. Und er fragte ihn: 'Warum hast du bis jetzt nichts getan?' Der junge Mann
aber erwiderte seinem Vater: 'Als ich gekommen war, um zu arbeiten und die Unmenge von Unkraut und Dornen sah, verzweifelte ich daran, diese Arbeit je zu bewältigen, warf mich entmutigt auf den
Boden und schlief ein.' Da sprach sein Vater zu ihm: 'Mein Sohn, mache jeden Tag nur ein so großes Stück Acker von der Verwilderung frei, wie dein Körper Raum einnimmt, wenn du auf dem Boden
liegst. Auf diese Weise wird deine Arbeit bei kleinem immer weiter fortschreiten, und du wirst ihrer nicht überdrüssig werden.' Als dies der junge Mann hörte, handelte er danach, und nach kurzer
Zeit war das Grundstück gesäubert und bearbeitbar gemacht. So auch du, Bruder: Mühe dich bei kleinem und lasse nicht nach, so wirst du den Mut nicht verlieren, und Gott wird dich durch seine
Gnade wieder in deine frühere Ordnung hineinbringen.« Als der Bruder dies gehört hatte, ging er von dannen, nahm feste Wohnung und tat mit aller Geduld, was der Greis ihn gelehrt hatte. Und so
fand er Ruhe.
(WüVä)
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Ruth Gabriel (Montag, 10 August 2020 18:12)
So mach ich es jetzt auch. Lass meinen Garten verloddern, trage RuFi auf ihn wieder auf Vordermann zu bringen und geb ihr dabei noch ein paar flotte Weisheiten mit auf den Weg. Ärmel hochgekrempelt, RuFi! ^^
Simon (Dienstag, 11 August 2020 20:52)
Das muss ein ganz kleiner Acker gewesen sein, oder ein wahnsinns großer Sohn?!
Clemens (Mittwoch, 12 August 2020 07:14)
Unser verlodderter Acker ist wohl eigentlich fast IMMER recht klein - nur behauptet die AP als Passivitätsrechtfertigung gerne, dass er sooo groß sei.
Und zudem ist der SOHN (unsere wirkliche Wesensnatur) tatsächlich ziemlich GROSS - nur auch hier behauptet die AP mit gleicher Stoßrichtung wie oben gerne das Gegenteil.
Clemens (Mittwoch, 12 August 2020 09:27)
Hm, man kann es auch andersrum sehen. Das würde auch das Bild des WüVas erklären: Vater gleich HS mit einem naturgemäßen Basiszugang zu "dem von Gott". Und die AP als Sohn, der den Job (erstmal unwillig) machen muss - aufräumen. Letztlich wäre dadurch der Sohn (dann die AP) eben auch GROSS und der Acker klein.