Kapitel 150

Wenn wir durch Gebet und Wohltätigkeit Befreiung von den Sünden finden, gewinnen wir nicht Gott für uns und ändern ihn, sondern wir heilen unsere Schlechtigkeit durch unsere Taten und die Hinwendung zum Göttlichen und gelangen so wieder zum Genuss der Güte Gottes. Daher ist es das Gleiche, wenn man sagt, Gott wende sich von den Bösen ab, wie zu sagen, die Sonne sein jenen verborgen, die des Augenlichts beraubt sind.

 

(Philokalie, Buch 1, Antonios der Große, "Über die Sittlichkeit des Menschen und den rechtschaffenen Lebenswandel in 170 Kapiteln", aus Kapitel 150)

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Kommentare: 7
  • #1

    Ruth Gabriel (Montag, 11 Mai 2020 20:31)

    Gott wendet sich niemals von uns ab. ER ist uns immer zugewandt, egal ob unsere Taten gut oder schlecht sind. Was wäre das auch für eine göttliche Liebe, die von irgendetwas abhängt? ER gibt uns stets alles, was wir für unsere Entwicklung benötigen. Wenn wir in SEINE unendliche Weisheit und Liebe kein Vertrauen haben, dann sind wir diejenigen, die sich von IHM abwenden und das fühlt sich "gottverlassen" an. ER benötigt unser Gebet, unsere Hinwendung nicht. Aber wir benötigen sie dringend...

  • #2

    Rudi (Dienstag, 12 Mai 2020 07:25)

    Die Einheit mit Gott ist permanent und vollumfänglich. Völlig unabhängig vom Bewusstsein. Das "Böse" sucht Vorteile in der Trennung und erzeugt entsprechende Scheingebilde. Deswegen kann man sich in negativen Zuständen u.a. auch immer die Frage stellen, welchen konkreten Vorteil man für sich in dieser Sache oder Denkweise sucht. Wird man fündig hat man ein Schlüsselelement für die Auflösung dieser Zustände.

  • #3

    Ruth Finder (Dienstag, 12 Mai 2020 17:21)

    Ein paar Assoziationen zu dem Spruch:

    - "Gott wende sich von den Bösen ab" - Gott zeigt zwei Seiten: Es geht hier um zwei Wege - den Weg des Karma und den Weg der Erkenntnis. Wenn man den Weg des Karma statt den Weg der Erkenntnis geht, so ist es so, wie es in einem Vers der Thora geschrieben steht: "Und du wirst meine Rückseite sehn, nicht gesehen wird aber mein Antlitz."

    - "Wenn wir durch Gebet und Wohltätigkeit Befreiung von den Sünden finden, gewinnen wir nicht Gott für uns und ändern ihn, sondern wir heilen unsere Schlechtigkeit durch unsere Taten und die Hinwendung zum Göttlichen und gelangen so wieder zum Genuss der Güte Gottes" - Es geht darum, dass wir den Weg nicht um des Lobes willen gehen sollen, sondern um des Weges willen: "Woran erkennen wir wohl", fragte Rabbi Bunam seine Schüler, "in diesem Zeitalter ohne Propheten, wann uns eine Sünde vergeben ist?" Die Schüler gaben mancherlei Antwort, aber keine gefiel dem Rabbi. "Wir erkennen es daran", sagte er, "dass wir die Sünde nicht mehr tun."

    - "(...) sondern wir heilen unsere Schlechtigkeit durch unsere Taten und die Hinwendung zum Göttlichen und gelangen so wieder zum Genuss der Güte Gottes" - Diese "Güte" ist die Gnade, dass wir den Weg weiter gehen: Der Vater von Rabbi Jizchak Eisik von Zydachow fragte seinen Sohn: "Wie verstehst du das Wort unserer Weisen: 'Wer sich bei Nacht mit der Lehre befasst, zu dem zieht Gott bei Tag einen Faden der Gnade hin?' Wir stehen doch immer mitternachts auf und befassen uns mit der Lehre, und doch sind wir bei Tag in großer Not und Bedrängnis. Wo ist da der Faden der Gnade?" Der Rabbi antwortete: "Vater, dass wir dennoch, ohne der Bedrängnis zu achten, Mitternacht um Mitternacht aufstehen und uns mit der Lehre befassen, eben das ist der Faden der Gnade."

    - Es geht um Demut: Rabbi Uri von Strelisk lehrte: "Es heißt im Psalm: 'Wenn ich zum Himmel steige, du bist dort, und bette ich mir die Unterwelt, da bist du.' Wenn ich mich groß dünke und meine, an den Himmel zu rühren, erfahre ich, dass Gott das ferne Dort ist und ferner, je höher ich mich hebe. Bette ich mich aber in der Tiefe und erniedrige meine Seele zur untersten Welt, ist er da, bei mir."
    Und weiter: Rabbi Israel von Rizin sprach: "Das ist der Dienst des Menschen all seine Tage, den Stoff zur Gestalt zu wandeln, den Leib zu läutern und das Licht in die Finsternis dringen zu lassen, dass die Finsternis selber leuchte und keine Trennung mehr sei zwischen beiden. Wie geschrieben steht: 'Abend ward, und Morgen ward - Ein Tag.'" Und weiter sprach er. "Man mache nicht viel Aufhebens draus, dass man Gott dient. Rühmt sich die Hand, wenn sie den Willen des Herzens tut?"

  • #4

    Rudi (Dienstag, 12 Mai 2020 17:51)

    Was man auch wieder gut mit R.G. "dann sind wir diejenigen, die sich von IHM abwenden und das fühlt sich "gottverlassen" an. ER benötigt unser Gebet, unsere Hinwendung nicht. Aber wir benötigen sie dringend... " ausdrücken kann.

  • #5

    Clemens (Dienstag, 12 Mai 2020 19:11)

    Das kriegt nur Gott zustande: "Und du wirst meine Rückseite sehn, nicht gesehen wird aber mein Antlitz." - man wendet sich vom Antlitz Gottes ab, dreht sich um... und steht vor seiner RÜCKSEITE!!! Wenn wir DAS auch nur ein wenig beherrschen, dann sind wir schon auch recht weit.

  • #6

    Simon (Dienstag, 12 Mai 2020 20:51)

    „Wenn wir durch Gebet und...“
    Gebet und Wohltätigkeit vitalisieren einerseits und devitalisieren andererseits. Gebet als Einstimmung, Wohltätigkeit als Teil der Praxis von Wegarbeit.

    „Daher ist es das Gleiche...“
    Die Identifikation mit der AP und somit das Mensch-Sein auf Dualität und Materie zu reduzieren, beinhaltet eine zwanghaft trennende Geisteshaltung. Aus dieser verdichteten Haltung heraus, ist es nahezu unmöglich, sich dem leidvollen Karma-weg zu entziehen.
    In dieser reduzierten Geisteshaltung schauen wir mit den Augen, aber nicht durch sie hindurch. Die Sonne (Licht) verbirgt sich sozusagen hinter dem Auge und nicht davor.
    MIT den Augen in die Sonne schauen, zieht Blindheit nach sich, das weiß auch die AP.
    Oder anders, die AP muss erst erblinden, um sehend zu werden.
    Karma-Weg oder Weg-Arbeit, was auch immer durch Freiheit oder Unfreiheit gewählt wird, daran führt auf lange Sicht kein Weg vorbei.
    „Nemo venit contra Deum quoniam Deus solus.”
    (Lateinisches Sprichwort)
    Niemand kommt gegen Gott auf, denn Gott allein.

    Es scheint ein ziemlich genialer Aspekt zu sein, das Trennung möglich ist, obwohl nichts getrennt ist. Egal wie der Mensch sich abwendet von Gott, er schaut immer durch ihn und auf ihn. Die "Freiheit" des Abwendens, die zwangsläufig Unfreiheit nach sich zieht, was wiederum leidvolles Karma beinhaltet, gilt es nach und nach aufzulösen und in "Freiheit" zur Hinwendung zu wandeln.

  • #7

    Simon (Dienstag, 12 Mai 2020 20:53)

    Gott als Mensch auf der Suche nach Gott..., vielleicht benötigt er in diesem Sinne, sowohl Gebet als auch Hinwendung. ^^