Fesseln

Ich möchte mal wieder an die im Buddhismus sogenannten 10 Fesseln erinnern - die 10 an das weltliche Dasein fesselnden, Leid und negatives Karma verursachenden Faktoren.

Eine der Fesseln wird "Dünkel" oder "vergleichender Dünkel" genannt. Gemeint ist damit eine Auseinandersetzung mit sich und anderen, die folgendermaßen einordnet: Ich bin genauso wie... ich bin besser als... ich bin schlechter als... - oder auf andere Menschen bezogen: Er ist wie ich... er ist besser als ich... er ist schlechter als ich.

Diese Art zu denken sollten wir loslassen. Was allerdings andererseits auch nicht gegen objektive Erkenntnis spricht. Wenn ich im Nichtschwimmerbecken abzusaufen drohe, ein anderer aber locker hin und her die olympische 50-Meter-Bahn durchkrault, dann wäre es quasi blind, wenn man des anderen Besser-Schwimmen-Können verleugnen wollte. Man kann und sollte daran aber nichts festmachen. Keine Ego-Aufblähung sozusagen. Der andere sollte sich nicht für was Besseres halten, und ich müsste mich nicht selbst fertigmachen - wenn ich denn lebend aus dem Nichtschwimmerbecken herauskomme. ^^

Nur weil wir uns beispielsweise gefühlt viel und lange mit einem Thema beschäftigt haben, können wir deshalb noch nicht sagen, dass wir viel darüber wissen. Ein Grundschulkind, das sich seit Jahren mit Astronomie (für Kinder) befasst, weiß deshalb noch wenig über Astronomie als wissenschaftliche Disziplin. Auch ist es schwer einzuschätzen, wieviel andere objektiv über ein Thema wissen...

Für eine spirituell orientierte Gemeinschaft gilt nach Ludwig: Wir sind einander Lehrer und Schüler zugleich. Wir müssen da nicht werten und uns klein oder groß machen. Wir schauen einfach und lernen und lehren - manchmal eines von beiden, und in der Regel sogar beides zugleich.

Kommentar schreiben

Kommentare: 10
  • #1

    Linda (Montag, 27 April 2020 07:32)

    Warst du in meinem Kopf? Der Beitrag kommt gerade zur richtigen Zeit. Ich fühle mich seit einigen Tagen nämlich klein und minderwertig dabei, wenn ich hier auf unserer Seite unterwegs bin.... Ich denke dann, dass ich es nie schaffen werde, solche Überlegungen wie z.B. Rudi anzustellen oder solche passenden Geschichten wie RuFi zu schreiben...
    Also, weiter gehts, auf meine mir mögliche Art und Weise! Bin froh, dass es euch alle in meinem Leben gibt!!!

  • #2

    Clemens (Montag, 27 April 2020 08:29)

    Linda, ich möchte dazu nochmal an 1.Korinther 12 vom 10. April erinnern. Und ergänzen:

    "Auch ist es schwer einzuschätzen, wieviel andere objektiv über ein Thema wissen..."

    Auch die vier Stufen des Wissens sind zu bedenken. Das Wissen was, das Wissen wie, das Tun und die aus dem Tun resultierenden Erfahrungen.

    Da mag einer viel "Wissen was" haben - aber Umsetzung und Erfahrung gegen null gehend. Und jemand, der nicht viel "Wissen was oder wie" formulieren kann, kann umsetzungsmäßig ein Superheld sein. Oder schlichter gesagt: Wissen was und die Umsetzung liegen bei Letzterem nah beieinander! Das ist echt klasse, finde ich!

  • #3

    Clemens (Montag, 27 April 2020 08:54)

    Interessant auch, dass "ich kann nichts, ich bin nichts" als Ego-AUFBLÄHUNG zu sehen ist!

  • #4

    Linda (Montag, 27 April 2020 10:07)

    Das gilt es zu beobachten.....und die Luft rauszulassen! ^^

  • #5

    K (Dienstag, 28 April 2020 09:53)

    Ich finde, das ist wieder ein gutes Beispiel dafür, dass man etwas auf die falsche und auf die richtige Weise tun kann. Es kommt auf die innere Haltung und Ausrichtung an. Ich kann den Blick auf andere dazu nutzen mich auszurichten, für verstärkte Weg-Arbeit zu motivieren. Oder ich richte mich ein nach dem Motto "Ich bin so viel besser oder schlechter als die anderen." Wenn ich besser bin, brauche ich mich nicht zu verändern, weil ich ja sowieso schon besser bin. Wenn ich schlechter bin, kann ich ja bequem in der Resignation verweilen. (Abgesehen von dem von Clemens bereits erwähnten Aspekt, dass ich ein "besser" oder "schlechter" oft nicht beurteilen kann.) Für mich ist das immer wieder eine Herausforderung und Gradwanderung, die (vermeintlichen) Stärken und Schwächen der Mitmenschen wahrzunehmen und von ihnen zu lernen oder, umgekehrt, zu lehrern und möglichst wenig in den "vergleichenden Dünkel" zu verfallen.
    Danke, Clemens, für die Erinnerung an die "vier Stufen des Wissens": ich finde ein wichtiger Aspekt der Selbsterforschung.

  • #6

    Rudi (Dienstag, 28 April 2020 20:19)

    Der vergleichende Dünkel hat mich im Zusammenhang mit eurer Gruppe quasi indirekt erwischt. Glücklicherweise hat mir Clemens auf die Spur geholfen. Weil ich die Leser des Blogs hier nicht kenne habe ich mir die Frage gestellt im Sinne von "was die wohl über mich denken?" Die Antworten waren wieder Kategorien. Über mich und euch.
    Was ich mich jetzt noch frage ist, was die richtige Reaktion ist, wenn ich in den vergleichenden Dünkel falle. Ist die richtige Reaktion unterlassen oder gibt es eine positive Haltung, die gestärkt werden sollte? Ich tue mich meist leichter wenn ich was positives üben kann.

  • #7

    Clemens (Dienstag, 28 April 2020 20:56)

    Die buddhistische Herangehensweise wäre definitiv Loslassen... Eigentlich auch in Aspekten der christlichen Mystik/Spiritualität geläufig.

    Positiv formuliert könnte man im christlichen Kontext von "Kultivieren einer freilassend, liebevollen, freudvollen Grundhaltung" sprechen. Wenn man auf der Welle schwingen und das halten kann, dann wird es meiner Ansicht nach auch nicht zu Vergleichsspielchen der AP kommen. Dann ist man ja freundlich unter Freunden unterwegs. Und das ist man ja hier auch tatsächlich. ^^

  • #8

    Ruth Finder (Dienstag, 28 April 2020 21:08)

    Zum Thema "vergleichende Dünkel" passt eine chassidische Geschichte:

    Einmal sprach Rabbi Mendel von Kozk zur Gemeinde: "Was begehre ich denn von euch! Drei Dinge nur: Aus sich nicht herausschielen, in den andern nicht hineinschielen und sich nicht meinen."

  • #9

    Rudi (Dienstag, 28 April 2020 22:20)

    "Kultivieren einer freilassend, liebevollen, freudvollen Grundhaltung". Das wäre eine Übung für die nächsten Tage...danke.

  • #10

    Rudi (Mittwoch, 29 April 2020 07:09)

    "...für die nächsten Tage. " ....war meine alte Kämpfer-AP. Das ist wohl eher dauerhaft^^. Loslassen erscheint mir ein guter Einstieg, um Dünkel im Moment zu beenden.