Seinen Senf dazugeben

Auf seiner Reise durch die Schargoroder Umgebung stieg Rabbi Jakov ben Katz bei einer Gaststätte zum Mittagessen ab. Er folgte den Rufen eines Empfangsburschen, der bei den Durchreisenden auf Geheiß des Wirtes dessen Gastwirtschaft für seine scharfen Gerichte anpries. Bei spätherbstlicher Kälte und Nässe versprach das außerdem eine wohltuende Wärme.

Es wurde ein Eintopf serviert.

Mit freudiger Erwartung nahm Rabbi Jakov einen vollen Löffel des heißen Mals zu sich. Aber sogleich schossen ihm die Tränen in die Augen, es brannte in seiner Nase, sein Gesicht lief rot an und er fächerte sich hektisch Luft zu. Mit keuchender Stimme machte er eine Bemerkung: "Ho, ho! Hat denn der Koch aus Versehen einen ganzen Bottich Senf in den Kochtopf fallen lassen?!"

Sein Tischnachbar lachte herzlich. Dann berichtete er dem Rabbi leise, dass der Wirt oft sein Handwerk nicht so ernst nähme, denn, obwohl die Bauern aus den umliegenden Dörfern ihm gute Lebensmittel lieferten, lagere er diese nicht sachgemäß und außerdem bereite er das Essen ohne die nötige Zuneigung. Und so müsse er, um sein Unvermögen zu verdecken, große Mengen des feurigen Kornes verwenden, damit seine Gäste nur die Schärfe schmecken und sonst nichts. Sich zu besinnen und anders an seine Arbeit zu gehen, käme ihm nicht in den Kopf.

Während der Erzählung aß der Schargoroder vorsichtig weiter. Als er sein Mahl beendet hatte, bezahlte er sein Essen und fuhr weiter.

Dieses kulinarische Erlebnis der besonderen Art hielt ihn noch lange warm und wach, und so dachte er bei sich: "So gibt manch einer bei Gelegenheit - sei es ein lehrreiches Gespräch oder eine vorbildhafte Tat - gefangen in Selbstgefälligkeit und Unbelehrbarkeit seinen geistigen Senf dazu, um seinen Unwillen und sein Unvermögen zu verdecken, den Sinn des Gesagten oder des Tuns an sich heranzulassen und die resultierenden Erkenntnisse tatkräftig anzugehen und umzusetzen."

(Ruth Finder)

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