Bündel

Rabbi Jakov ben Katz führte eine Reise seit langem wieder einmal nach Nikolsburg, wo er stets in der Herberge seines alten Freundes Rabbi Abraham Chajim Quartier nahm. Gemeinsam saßen sie an einem der rustikalen Holztische in der Gaststube und nahmen ihr Nachtmahl ein. Die Stube war zu dieser späten Stunde nicht mehr sehr gefüllt und so konnten sie nicht umhin, das Gespräch am Nebentisch mitzuverfolgen. Drei alte Männer saßen dort und wetteiferten darüber, was sie wohl aus ihrem Leben hätten machen können, wenn sie wohlhabendere Eltern gehabt hätten, eine bessere Schule besucht oder eine sanftmütigere Frau geheiratet.


Die beiden Rabbis sahen sich verschmitzt an und Rabbi Jakov sagte: „Musst du da nicht auch an die alte chassidische Geschichte von den Hausierern denken, die mit ihrem Bündel auf dem Rücken durch die Lande ziehen und ihre Waren verkaufen? Abends treffen sie sich zum Essen und Schlafen im Dorfgasthaus und lassen ihre Bündel draußen auf dem Hof stehen. Dabei lamentiert einer immer lauter als der andere, dass sein Bündel das Schwerste und am mühsamsten zu Schleppende sei und dass sich noch kein Anderer so sehr habe abplagen müssen. Dann bricht eines Nachts in dem Gasthof ein Feuer aus. Alle Hausierer stürzen auf den Hof und...“

 

„...und ein jeder greift nach seinem eigenen Bündel“, vollendete Rabbi Abraham laut lachend den Satz seines alten Freundes Jakov, der gleichsam in das Lachen mit einstimmte.

 

(Ruth Gabriel)

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Kommentare: 3
  • #1

    Ruth Finder (Mittwoch, 26 Dezember 2018 19:30)

    "Abends treffen sie sich zum Essen und Schlafen im Dorfgasthaus und lassen ihre Bündel draußen auf dem Hof stehen." - Der Satz zeigt das ganze Drama:

    Man lebt neben sich her. Zu oft lassen wir unser "Bündel draußen stehen". Aber im richtigen Geiste annehmen soll man, wohin und womit man hingestellt ist/wird.

    Um dann "(...) was immer in seinem Leben geschieht als Pfad zu benutzen (...)". Sagt Chögyam Trungpa.

  • #2

    R.G. (Donnerstag, 27 Dezember 2018 08:55)

    Ja Ruth, und das würde in der Konsequenz dann auch dazu führen, dass unser Bündel leichter wird. Denn wenn wir unsere Lernaufgaben annehmen und aktiv angehen, sind Verschärfungen unserer Lebensbedingungen in der Regel nicht weiter notwendig. Weg-Arbeit vs. Karmapfad.

  • #3

    R.G. (Donnerstag, 27 Dezember 2018 09:00)

    Ergänzung zu Kommentar 2:
    Das bezieht sich auf jeden Fall auf die Bedingungen (Bündel) der nächsten Inkarnationen.