Die Hervorbringung und Rolle des Irrtums

Denn als das All nach dem suchte, aus dem es gekommen war - und das All war in ihm, dem Unbegreifbaren, Undenkbaren, der über jedes Denken erhaben ist -, hat die Unwissenheit über den Vater Angst und Schrecken erzeugt. Und die Angst hat sich verdichtet wie ein Nebel, so daß niemand sehen konnte. Deswegen wurde der Irrtum stark. Er arbeitete an seiner Materie im Leeren (= ohne Erfolg), weil er die Wahrheit nicht kannte. Er war beschäftigt mit einem Gebilde, während er sich mit Kraft und Schönheit bemühte, den Ersatz für die Wahrheit zu bereiten.

 

Dies war keine Erniedrigung für ihn, den Unbegreifbaren, Undenkbaren, denn sie waren nichts, die Angst und das Vergessen und das Gebilde der Lüge, während die feststehende Wahrheit unveränderlich ist, unerschütterlich ist, etwas vollkommen Schönes ist. Verachtet deswegen den Irrtum! Auf diese Weise hat er keine Wurzel; er entstand in einem Nebel hinsichtlich des Vaters, während er dabei war, Werke und Vergessenheiten und Schrecken zu bereiten, damit er durch diese die in der Mitte Befindlichen herunterziehe und sie gefangennehme.

 

Das Vergessen des Irrtums war nicht offenbar. Es ist nicht ein [...] durch den Vater. Das Vergessen ist nicht entstanden bei dem Vater, obwohl es seinetwegen entstanden ist. Was dagegen in ihm entsteht, ist das Wissen, das offenbar wurde, damit das Vergessen aufgelöst und der Vater erkannt werde. Da das Vergessen enstand, weil man den Vater nicht kannte, wird dann, wenn der Vater erkannt wird, von diesem Augenblick an das Vergessen nicht mehr existieren.

 

(Das Evangelium der Wahrheit, NHC I,3)

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Kommentare: 3
  • #1

    Clemens (Sonntag, 09 Dezember 2018 03:58)

    "Die in der Mitte Befindlichen" - ein schönes Wort/Bild für die Erzengel mit der angestrebten Zusatzqualifikation "Mensch" beim ersten Eintritt in die Trennungswelten. Ich muss dabei an die Seiltänzerin in der einst verlinkten Arte-Doku denken, die das Seiltanzen als Tanzen dahingehend darstellte, dass es ein beständiges Fallen in die jeweils eine Richtung mit einer Gegenbewegung in die jeweils andere Richtung sei.

    Außerhalb der Trennungswelten (im ursprünglich "unschuldigen" Zustand) befanden wir uns einfach in der Mitte. Ballance bzw. (Seil-)Tanzen waren nicht nötig, da es dort in der Einheit keine Seitendualität gab/gibt.

    Vollendet meisterhaftes Tanzen würde diesem absoluten Gleichgewicht INNERHALB der Trennungswelten entsprechen - aber in Bewegung! Genauer: Vollendete Meister laufen auf dem trennungsweltlichen Seil wie auf einem breiten Weg - aber MIT Tanzbewegungen nach beiden Seiten. Wie es ihrer Individualität und den raumzeitlichen Notwendigkeiten entspricht.

  • #2

    Clemens (Sonntag, 09 Dezember 2018 14:38)

    Irenäus von Lyon zitiert die Valentinianer: „Die vollkommene Erlösung ist eben die Erkenntnis der unsagbaren ‚Größe‘. Während nämlich durch Unwissenheit Mangel und Leiden entsteht, wird durch Erkenntnis der Ganze Zustand, den die Unwissenheit verursachte aufgelöst. Uns genügt also die Erkenntnis des universalen Seins: das soll die wahre Erlösung sein.“ (Irenäus, Ad. Haer. I. 21,4).

  • #3

    Ruth Finder (Montag, 10 Dezember 2018 19:29)

    "Folglich die Suche nach Erlösung." (Kapitel "Das Ziel" - Sutra I ):

    Wenn der Mensch- sei es auch nur durch Schlußfolgerung - das wahre Wesen dieser Schöpfung und sein wahres Verhältnis zu ihr erkennt, wenn er ferner weiß, dass er durch den Einfluß der Dunkelheit (Maya) gänzlich in die Irre geführt worden ist und in Knechtschaft gelebt hat und dass es einzig und allein diese Dunkelheit ist, die ihn sein wahres Selbst vergessen läßt und all sein Leiden verursacht, sehnt er sich natürlich danach, von allen diesen Übeln befreit zu werden. Dann wird die Erlösung von dem Übel, die Befreiung aus der Knechtschaft der Dunkelheit, zum obersten Ziel seines Lebens.

    (Sri Yukteswar Giri - "Die Heilige Wissenschaft")