Der Hirte des Hermas - Zehntes Gebot

1. Kap. Traurigkeit ist schlimmer als Misstrauen und Zorn.

1. „Vertreibe aus deinem Herzen die Traurigkeit“, begann er wieder; „denn sie ist eine Schwester des Misstrauens und des Zornes.“ 2. „Wie ist sie“, fragte ich, „eine Schwester von diesen, o Herr? Mir scheint doch etwas anderes der Zorn, etwas anderes der Zweifel, und die Traurigkeit wieder etwas anderes zu sein.“ „Bist du so ein unverständiger Mensch“, sprach er, „und siehst nicht ein, dass die Traurigkeit schlimmer ist als alle anderen Geister und gar schrecklich für die Diener Gottes, dass sie mehr als alle schlimmen Geister dem Menschen schadet, den Heiligen Geist austilgt und ihn auch wieder rettet?“ 3. Ich antwortete; „O Herr, ich bin töricht und verstehe diese Gleichnisse nicht. Wie sie nämlich austilgen und doch wieder retten kann, das begreife ich nicht.“ 4. „So höre“, sprach er. „Leute, die niemals nachgedacht haben über die Wahrheit, die nach der Gottheit nicht geforscht, sondern nur geglaubt haben, die aber in Geschäfte, Reichtum, heidnische Liebhabereien und sonst in vielerlei Dinge dieser Welt verwickelt sind, alle, sage ich, die mit diesen Dingen sich abgeben, verstehen die Gleichnisse der Gottheit nicht; denn infolge dieser Geschäfte werden sie blind, verdorben und werden wertlos. 5. Wie nämlich die guten Weinstöcke, wenn sie vernachlässigt werden, unter Dornen und vielen anderen Gewächsen schlecht werden, so kommen auch gläubige Leute, die sich in diese genannten vielfachen Geschäfte verwickeln, von ihrer guten Gesinnung ab und sind gar nicht mehr empfänglich für die Gerechtigkeit; ja sogar, wenn sie von der Gottheit und Wahrheit reden hören, wendet sich ihr Geist ihrem Geschäfte zu, und sie erfassen gar nichts mehr. 6. Wer aber Gottesfurcht besitzt, wer über Gottheit und Wahrheit nachdenkt, wessen Herz auf Gott gerichtet ist, der erfasst und versteht, was man ihm sagt, schneller, weil er die Furcht des Herrn in sich hat; wo nämlich der Herr wohnt, da ist auch viel Einsicht. Schließe dich also dem Herrn an, und du wirst alles begreifen und verstehen.“

2. Kap. Traurigkeit hat schlimme Folgen.

1. „Höre also“, fuhr er fort, „Unverständiger, wie die Traurigkeit den Heiligen Geist austilgt und wieder rettet. 2. Wenn der Misstrauische ein Werk begonnen hat und dieses wegen seines Misstrauens nicht gelingt, dann zieht die Traurigkeit ein bei dem Menschen, sie betrübt den Heiligen Geist und löscht ihn aus. 3. Wenn aber dann der Zorn einen solchen Menschen wegen einer Sache ergriffen und ihn ganz verbittert hat, dann schleicht sich wiederum die Trauer in das Herz des Zornigen; er ist dann unglücklich über die Tat, die er vollbracht, und es reut ihn, dass er Böses getan hat. 4. Diese Art von Traurigkeit scheint Rettung zu bringen, weil sie Reue über das böse Tun hervorgerufen hat. Beide Handlungen betrüben also den Geist. Das Misstrauen betrübt den Geist, weil sein Unternehmen nicht geglückt ist und der Zorn betrübt ihn, weil er das Böse getan hat. So sind demnach beide für den Heiligen Geist betrübend, das Misstrauen und der Zorn. 5. Wirf also die Trauer von dir und betrübe den Heiligen Geist nicht, der in dir wohnt, auf dass er nicht etwa bei Gott wider dich spreche und dich verlasse. 6. Denn der Geist Gottes, der diesem Körper gegeben wurde, erträgt keine Trauer und keine Angst.“

3. Kap. Freude bringt Segen, Trauer schadet.

1. „Ziehe also jenen Frohsinn an, der Gott stets wohlgefällig und angenehm ist und freue dich in ihm. Denn jeder Fröhliche tut Gutes, denkt Gutes und verachtet die Traurigkeit. 2. Ein Trauriger aber macht seine Sache immer schlecht; erstens ist es nicht gut, dass er den Heiligen Geist betrübt, der dem Menschen gegeben wurde als ein Geist der Freude. Zweitens sündigt der, welcher den Heiligen Geist betrübt, weil er nicht mehr zu Gott betet und vor ihm nicht bekennt. Überhaupt hat das Gebet eines traurigen Menschen nicht die Kraft, auf den Altar des Herrn emporzusteigen.“ 3. „Weshalb“, fragte ich, „steigt das Gebet des Trauernden nicht zum Altar empor?“ „Weil die Traurigkeit in seinem Herzen sitzt. Wenn aber die Traurigkeit mit dem Gebete vermischt ist, dann lässt sie das Gebet nicht rein emporsteigen zum Altare. Wie nämlich Essig und Wein miteinander gemischt nicht den gleich guten Geschmack haben wie der reine Wein, so hat auch die Traurigkeit mit dem Heiligen Geist gemischt nicht das gleiche Gebet. 4. Mache dich daher frei von dieser schlimmen Traurigkeit, dann wirst du in Gott leben; ebenso werden alle in Gott leben, welche die Traurigkeit von sich werfen und sich in lauter Frohsinn kleiden.“

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