Eins nicht ohne das andere

Ein Mann hatte von der großen Weisheit des Schargoroders gehört und sich auf die Reise zu ihm begeben. Als er bei ihm eintraf, berichtete er aufgeregt, dass er es einfach nicht schaffe, sich seinen Mitmenschen gegenüber recht und gerecht zu verhalten. Immer wieder gäbe es - bei genauerer Prüfung seiner selbst - zahlreiche Übertretungen, Gedankenlosigkeiten und sogar Grausamkeiten. Aufgrund dieses Makels fürchte er zunehmend den Zorn des Herrn und finde keine Ruhe mehr.


Der Reb nahm ihn zur Seite und sprach: "Wenn du dich nicht recht und gerecht deinen Mitmenschen gegenüber verhalten kannst, dann verhalte dich zumindest recht und gerecht dir selbst gegenüber, und du kannst gerettet werden." Damit schickte er ihn nach Hause.


Ein andermal erschien ein Mann, der ebenso aufgeregt davon berichtete, dass er sich zwar darin versuche, in jeder erdenklichen Hinsicht Recht und Gerechtigkeit gegenüber sich selbst zu üben, dass er dies aber - bei genauer Selbstprüfung - einfach nicht schaffe und sich in zahlreichen Zusammenhängen verurteile, schlechtmache, herabsetze und für unwert halte. Und da er hierin klar sehe, werde der Herr ihm gewiss allzubald seinen Segen entziehen.


Der Reb zog ihn an seine Seite und sprach: "Wenn du dich nicht recht und gerecht dir selbst gegenüber zu verhalten vermagst, dann verhalte dich zumindest recht und gerecht gegenüber deinen Mitmenschen, und du kannst gerettet werden." Damit schickte er auch diesen Mann nach Hause.


Von beiden Männern hörte man nach einigen Jahren aus den verschiedenen Städten ihrer Herkunft, dass sie eifrige, ja strahlende und ausstrahlende Mitglieder ihrer Gemeinden geworden waren, die sich dadurch vor allen anderen auszeichneten, dass sie in großem Verständnis und Einfühlungsvermögen allezeit Recht und Gerechtigkeit sich selbst und ihrem Umfeld gegenüber wirkten.

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