Säulen II

Viele, wenn sie "die dritte Säule" hören, denken wahrscheinlich, dass sie zuletzt zu beachten ist, weil sie halt die dritte in der Reihe ist. Dabei ist sie wie eine äußere Matrjoschka, die zwei andere Säulen in sich einschließt.

Die Welt/die Natur sind - vorerst und lange, lange noch - die Grundlage und zugleich das Spiel- und Übungsfeld unserer Existenz, unseres Fortkommens und jeglicher Entwicklung. Und so ist auch der Satz "Wo kein Mehl ist, da ist keine Lehre" zu verstehen. Dabei steht "das Mehl" bildlich für diese Grundlage und als Geschenk(e) der ganzen Schöpfungskette der Natur an die Menschen.

Nun müssen wir uns in Dankbarkeit MIT (nicht gegen) der Natur weiterentwickeln - also unsere Verständnis und Achtung von ihr vertiefen, damit uns die Welt erhalten bleibt. Ganz im Sinne der zweiten Hälfte des Satzes, denn -"Wo keine Lehre ist, da ist kein Mehl".

Albert Schweitzer warf der westlichen Philosophie, aber auch dem Christentum, anthropozentrische Engführung vor. Als vollkommener Gegensatz dazu steht Schweitzers Ethik als "ins Grenzenlose erweiterte Verantwortung gegen alles, was lebt." So gesehen ist auch der gewöhnlich auf Menschen bezogene Spruch "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!" NUR im auf die Natur zu erweiternden Sinne zu verstehen!

A. Schweitzer schrieb nach einer mehrtägigen Flussfart im Jahre 1915 in Afrika inmitten beeindruckenden Flora und Fauna: "Es ging mir auf, dass die Ethik, die nur mit unserem Verhältnis zu den anderen Menschen zu tun hat, unvollständig ist und darum nicht die völlige Energie besitzen kann. Diese Energie besitzt sie dann, wenn ihr als Grundprinzip der SITTLICHKEIT die Ehrfurcht vor allem Leben gilt."

Albert Schweitzer weiter: "Der große Fehler aller bisherigen Ethik ist, dass sie es nur mit dem Verhalten des Menschen zum Menschen zu tun zu haben glaubte. In Wirklichkeit handelt es sich darum, wie er sich zur Welt und allem Leben verhält, das in seinen Bereich tritt. Ethisch ist er nur, wenn ihm das Leben als solches heilig ist, das der Pflanze und des Tieres wie das des Menschen, und er sich dem Leben, das in Not ist, helfend hingibt. Diese tiefe, universale Ethik - die wahre Menschlichkeit - hat die Bedeutung einer Religion. Sie ist wahre und tiefe Religion"

In seiner Predigt vom 16 Feb. 1919 heißt es: "Man redet viel in unserer Zeit vom Aufbau einer neuen Menschheit. Was ist der Aufbau einer neuen Menschheit? Nichts anderes als die Menschen zu wahren, eigenen Sittlichkeit zu führen. Aber die Menschheit kommt nur dazu, wenn die vielen Einzelnen in sich gehen, wenn aus Blinden Sehende werden, und anfangen, das große Gebot zu buchstabieren, das große, einfache Gebot: Ehrfurcht vor dem Leben."

In diesem Sinne fängt hier 'der große Kreis' (nach TvB) an, sich abzuzeichnen: "Wo keine gute Sitte ist, da ist keine Lehre. Wo keine Lehre ist, da ist keine gute Sitte..."

(Ruth Finder unter Aufarbeitung eines Vortrags (kursiv) von Erich Gräßer)

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